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Ausgabe:

1980

Spalte:

544-545

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Meyer zu Uptrup, Klaus

Titel/Untertitel:

Konfirmandenunterricht, aber wie? 1980

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 7

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len orientierten Gewissensverständnis von Bonaventura mit der
Unterscheidung von synteresis und conscientia führt er den
Leser über die an der Vernunft orientierte Auffassung von
Thomas zur Lehre des jüngeren und des älteren Luther. Für
diesen ist Gewissen nicht eine Instanz, sondern ein Beziehungsgeschehen
zwischen Gott und dem Menschen. Das Gewissen
„repräsentiert den Widerspruch des Menschen gegen Gottes
Güte und Wahrheit bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Gewissensbefreiung
und -rechtfertigung". Die Befreiung erfolgt
durch Gott allein, aber durch Vermittlung im externen Wort
eines Mitmenschen. Die Erfahrung des Gerechtfertigtwerdens
wird für den Menschen zur Grundlage für eine transmoralisch-
nichtnonnative Freiheit und Identität. - Calvin hat, nach der
Meinung von Mokrosch, die Gcwisscnslehre von Luther ergänzt
, indem er auch dem NichtChristen die Gewissenserkenntnis
der eigenen Widersprüchlichkeit zuschrieb und indem er
die religiöse Gewissenserfahrung durch die Dimension der
Schöpfungsverantwortung erweiterte. Kant hat dann das reformatorische
Denken über das Gewissen säkularisiert und hat
dieses als Freiheitszustand begriffen, der nicht an einen
theistischen Gott gebunden ist. Für Heidegger schließlich ist
Gewissen reines Existential. Dessen Ruf wird mit meinem
noch unbestimmten, unheimlichen Dasein gleichgesetzt, das
sich um mein noch zu bestimmendes Dasein sorgt. Ebeling hat,
so führt Mokrosch aus, dieses ontologische Gewissensverständnis
lutherisch interpretiert: das Gewissen „als Zeugnis eigenen
Selbstseinsollens aber gerade Nichtkönnens" und damit als
Verweis auf Gott. Der Vf. schließt diese Reihe mit einer Skizze
über die Theorien von S. Freud und von C. G. Jung.

Im zweiten Teil berichtet er über eine Befragung, die er bei
606 Berufsschülern und Gymnasiasten beiderlei Geschlechts
über die sie beschäftigenden Probleme und Konflikte, über
ihre Gewissenserfahrungen durchgeführt hat. Die quantifizierten
Ergebnisse der Befragung zeigen ihm, daß das Hauptproblem
dieser Jugendlichen Spannungen zwischen Indentitäts-
suchc und Leistungszwang, zwischen Selbständigkeit und Solidarität
, zwischen Selbsterhaltung und Nächstenliebe sind. Aus
den Ergebnissen zieht er Schlußfolgerungen für die Gewissenserziehung
: Die Jugendlichen sind „zu einem transmoralisch
-nichtnormativen Verhältnis zu Normen und Werten zum
Zwecke der Freiheits- und Indentitäsfindung hinzuführen"
und aus dieser Freiheit heraus ist die Bereitschaft zu sozialethischer
Veranwortung zu fördern. Mokrosch lehnt es ausdrücklich
ab, die Grundspannungen der Jugendlichen durch
Internalisierung von christlichen Normen abzuschwächen oder
aufzuheben. Sie sind vielmehr für ihre eigenen Spannungen
zu sensibilisieren und gegebenenfalls zu stabilisieren.

Verschiedene Einwände erheben sich gegen den empirischen
Charakter der Erhebung. Die Befragung erfaßte bloß Meinungen
. Es ist fraglich, wie weit sich diese erst durch die Befragung
bildeten und wie weit sie für die tatsächlichen Einstellungen
der Befragten maßgeblich sind. Fraglich ist auch, ob
aus den Urteilen der Befragten über die konstruierten Beispiele
von Gewissenskonflikten Rückschlüsse über die tatsächlichen
Gewissenreaktionen bei ihnen zwingend sind.

Die Grundsätze von Mokrosch über religiöse Gewissensbildung
entsprechen etwa dem, was heute psychoanalytisch orientierte
Religionspädagogen anstreben. Darum wundert es mich,
daß er im historisch-systematischen Teil seiner Arbeit so wenig
darüber schreibt, woher er wichtige Begriffe und Urteile seines
Denkens bezogen hat. Seine Darstellung von Freud mutet mich
historistisch (um nicht zu sagen: verstaubt) an und läßt nicht
erkennen, daß es schon bei Freud Ansätze für eine Gewissensauffassung
gibt, die derjenigen des Vf. nahe kommt. Die
Luther-Interpretation von Mokrosch scheint mir ein Beispiel
dafür zu sein, wie sich Luthers Gewissensverständnis mit Hilfe
von psychoanalytischen Kategorien und Wertungen aktualisieren
läßt (wobei der Leser aber über die Herkunft dieser Kategorien
und Wertungen nichts erfährt). Ob sich diese Interpretation
historisch verantworten läßt, hängt m. E. von herme-
neutischen Vorentscheidungen ab. Im Blick auf die beiden Teile
der Arbeit von Mokrosch stellt sich mir die Frage, ob diese

Luther-Interpretation die Aufgabe hat, eine bestimmte Praxis
des Religionsunterrichts zu legitimieren.

Rcinach/Basel Walter Neidhart

Meyer zu Uptrup, Klaus: Konfirmandenunterricht - aber wie?

Grundriß einer Methodik mit praktischen Beispielen. Gütersloh
: Gütersloher Vcrlagshaus Gerd Mohn [1978], 217 S. m.
Abb. 8°. Kart. DM 19,80.

Es geht wieder einmal um den Konfirmandenunterricht, auch
heute eins der wichtigsten Handlungsfelder der Kirche. Die
Aufgabe der Begleitung junger Menschen auf dem Weg in die
Gemeinde und in ein christlich verantwortetes Leben mit seinen
vielfältigen Anforderungen zwingt dazu, die Tradition
christlicher Unterweisung nach ihrer gegenwärtigen Gültigkeit
zu befragen. Dabei stellt der Vf. die Fragen der Durchführung
des Konfirmandenunterrichts und der Gestaltung der Konfirmandenzeit
bewußt in den Vordergrund. So wurde auf eine
Erörterung der Konfirmationsfrage und eine eingehende theologische
Begründung des konfirmierenden Handelns verzichtet.
Litcraturhinweise wurden nur dort gegeben, wo es unbedingt
erforderlich schien.

Trotzdem entbehrt das Buch nicht hilfreicher Definitionen
L>nd Lernziele (Kap. I „Was sollen und was können Konfirmanden
lernen?", 11—40): „Der Sinn von .Konfirmation' kann
durch das Wort .Ermutigung' erläutert werden. Dann kann man
den Jugendlichen als Ziel nennen: Ermutigung für das Leben
aus dem Gespräch um die Botschaft, die Jesus der Kirche an
alle Menschen aufgetragen hat" (20).

Der Vf. sieht in drei Bereichen evangelischer Unterweisung
elementare Möglichkeiten, „die Wirklichkeit Gottes aufgrund
biblischer Texte in konkreten Situationen einzubringen" (zit.
H. Class 27), nämlich in den Dimensionen der Diakonie, der
biblisch-theologischen Lehre und der Liturgie mit Gottesdienst,
Andacht und Gebet.

Es ist überaus erfreulich, daß der Vf. hier ganz bewußt Diakonie
und Liturgie als Strukturprinzipien für die Gestaltung
der Konfirmandenzeit aufnimmt und didaktisch aufzuarbeiten
versucht. Er betritt hier, so muß man leider sagen, Neuland;
denn abgesehen von einigen diakonisch orientierten Praktika
war Diakonie bisher ein Randthema des Konfirmandenunterrichts
. Gern hätte man über diesen Bereich der Diakonie und
die entsprechenden Lchrinhalte mehr erfahren.

Auch der so verheißungsvolle Abschnitt „Jugend und Gottesdienst
" (36—40) mit der wichtigen These: „Die Erneuerung des
Konfirmandenunterrichts muß Wurzeln schlagen in einer Erneuerung
des Gottesdienstes" (37) erschöpft sich in einigen
kritischen Bemerkungen zur Gottesdienst- und Predigtpraxis
ohne konstruktive Wegweisung. Wo und in welchen erneuerten
gottesdienstlichen Formen lassen sich denn heute die Impulse
der christlichen Botschaft darstellen, anbieten und verwirklichen
? Wo gibt es denn Beispiele, daß die Erneuerung des
Konfirmandenunterrichts Wurzeln schlägt „in einer Erneuerung
des Gottesdienstes"?

Offensichtlich hofft der Vf., daß sich der Leser aus den umfangreichen
Kapiteln II. „Blick in die Praxis" (41—138) und
III. „Pfarrer und Konfirmanden im Unterricht: Medien und
Methoden" (139—217) mit ihrem reichhaltigen Angebot an
Modellen, Praxisberichten und Vorschlägen die Antworten
selbst erarbeitet.

Die Erneuerung des Gottesdienstes ist aber nicht nur eine
Angelegenheit von Medien und Methoden, sondern bedarf
theologischer Überlegungen, wie sie beispielhaft augenblicklich
etwa zum Thema „Abendmahl mit Kindern" in allen Landeskirchen
geführt wird. Die vorgelegten Beispiele, unter denen
allerdings die Themen Taufe und Abendmahl nicht auftauchen,
bewegen sich trotz interessanter methodischer Einfälle theologisch
in herkömmlichen dogmatischen Bahnen, die die Konfirmanden
kaum zu einem besseren Verständnis der biblischen
Botschaft heute führen können. Die ausführliche Behandlung
von Mt 14, 22—23 „Jesus hält den sinkenden Petrus" (86—91)