Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1980

Spalte:

525-526

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Berthold, Heinz

Titel/Untertitel:

Mees, M., Die Zitate aus dem Neuen Testament bei Clemens von Alexandrien 1980

Rezensent:

Berthold, Heinz

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 7 •r>2ri

lautet weiter: „indem sie das Forschen nach dem Grund ihrer
Aussagen denen überließen, die hervorragende Gaben des
Geistes verdienten und in besonderer Art die Gnade der Rede,
der Weisheit und der Wissenschaft durch denselben Heiligen
Geist empfangen hätten" (rationem scilicet assertionis corum
relinqucntcs ab his inquirendam, qui spiritus dona cxcellentia
mererentur et praeeipue sermonis, sapientiae et scientiac grati-
am per ipsum sanetum spiritum pereepissent). Hinter der
scientia versteckt sich aber wohl das griechische gnösis. Wissen
, von der bei Schäfer auf S. 143 die Rede war. Dazu ist
1 Kor 12,8 mit (. . .) logos Sophias, (. . .) logos gnöseös zu vergleichen
; bereits am Anfang des Prologs zu De princ. spricht
Origencs von dieser gnösis.

Nijmcgcn A. J. M. Davids

Mees, M.: Die Zitate aus dem Neuen Testament bei Clemens
von Alexandrien. Bari: Universitä, Istituto di Letteratura
Cristiana Antica 1970. XI, 218; IV, 268 S. gr. 8" = Quaderni
di „Vetcra Christianorum", 2.

Für die Aufgabe, den Umgang der antiken christlichen Auto
ren mit den Heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments
deutbar und nutzbar zu machen, ist die Erforschung
ihres Zitatenbestandes (unter den verschiedensten Gesichtspunkten
) einer der Hauptzugangswege. Nach der immer besseren
Erschliefjung des Textbestandes durch kritische Ausgaben
verspricht die Behandlung dieser Thematik wesentlichen Gewinn
. Der gesamte Komplex ist eine Jahrhundertaufgabe und
nur in wiederholten Anläufen und Erprobungen zu gewinnen.
Das Werk des Alexandriners Clemens, dessen GCS-Ausgabe
mit ihrem vorzüglichen Registerband eine sichere Basis liefert
gilt seit langem (J. J. Griesbach, 1796) als erschließ
bares Forschungsfeld. Einer Bemühung um diesen Autor gilt
dieser späte, aber mit Hinblick auf die Offenheit der Probleme
nie verspätete Hinweis.

Im voraus ist dabei zu bedenken: Von Anfang an verflechten
sich bei Arbeiten über den „Bibcltext des NN" zwei Frage-
richtungen Eine nach der Bibel des NN und eine andere nach
der Eigenart des Autors, die am Umgang mit Bibclzitaten deutlich
und für die Beurteilung seiner Gedankenwelt im ganzen
fruchtbar wird. Diese enge Verflechtung wird in der Praxis
auch als Störung empfunden, da es nämlich unmöglich ist,
einen der Fragenkomplexe rein für sich abzuschließen und bei
der Behandlung des anderen vorauszusetzen. Man muß sich
klarmachen, welche Vielzahl von Faktoren hier ins Spie!
kommt. Im ersten Bereich geht es um die vorlagengctreuc
Wiedergabe, um Abgrenzung der „Anspielungen", um stil-
und genusbedingte Abweichungen und um dogmatische Kor
rekturen. Im zweiten Bereich geht es zusätzlich und schwerpunktmäßig
um die Form der Vorlage (Harmonie, Unterrichtspraxis
u. a. m.), um Herkunft und Bildung des Autors, um
seine theologischen und kirchenpolitischen Positionen, schließlich
auch um übcrliefcrungsbcdingte Anglcichungen '-. Für beide
Bereiche gilt, daß Einheitlichkeit innerhalb des Gesamtwerkes
eines Autors nicht vorausgesetzt werden darf. Der Autor
kann im Lauf seines Lebens und in den einzelnen Werken
ganz unterschiedlich verfahren und schließlich muß jede Va
riante in ein Bezugsnetz eingebunden werden, das die gesamte
Väterliteratur einbezieht. Eine Fülle von Kombinations
und Deutungsmöglichkeiten also, — die das Buch erst einmal
sehen lernen läßt.

Angesichts einer „derart bunten und verwirrenden Fülle"
ist man mit dem Autor „erstaunt über den Reichtum an Formen
und Richtungen frühchristlicher Katechese" und erwartet
nurmchr Ergebnisrichtungen (I, 212 f): frühägyptische Text-
gruppc (Einbeziehung der Papyri), Verwendung außerkanoni
scher Tradition, „hellenistische" Zitierweise. Keine Ergebnisse
im üblichen Sinn: eher stellt der Band eine aufgearbeitete
Vcrsuchsgrundlage zur Verfügung, auf der jeder einzelne Bearbeiter
- Stück für Stück prüfend - wird weiterarbeiten
müssen. Mees, der die Forschung auf diesem Gebiet gewissenhaft
aufnimmt (der einleitende Forschungsbericht ist knapp
gehalten) und diskutiert, breitet sein Material in zwei Abteilungen
aus. Im ersten Teil (I, 13—188) ist das Material auf
den Text der einzelnen Bibeltextgruppen bezogen; am Schluß
jeder Einheit kurz zusammenfassend. S. I, 188—217 folgen die
„aus anderen Quellen stammenden Stellen", hier — wie cinleuch
ten wird — oft genug mehr Andeutung als Ausführung und Lösung
. Ein zweiter, selbständig gezählter Teil (II, 1—247) führt
als „Hilfe, die verschiedenen Schlußfolgerungen zu unterstreichen
", alle Bibelstcllcn des Clemens nach den biblischen Büchern
geordnet vor; die Variantenangaben berücksichtigen die
Bezeugung durch die Kirchenväter1; gerade diese aber ist
problematisch. Erinnert man die Erkenntnisschwierigkeiten
betreffend vermutete und reale Evangelienharmonien, das
Thomasevangelium, die Ps-Klementincn und den Liber Gradu-
um — um nur die brisantesten zu nennen — wird man auf
eigene Weiterarbeit gefaßt sein; das soll man auch.

Mt 5,48 nützt es wenig, die offenbar in der Lchrtradition geläufige Variante
yhieslhe für esesthe als tw. (pt.) bei Gemens anzugeben (diese partim-Anga-
ben sind so ungenau wie unverwendbar), wenn man das Problem nicht aufarbeiten
will; hier wie in vielen anderen Fällen sind Einzclstudicn nicht nur
möglich sondern auch notwendig. - Die Bezeugung für das zu 1 Kor 12,Iii
als Klcmensvariantc vermerkte ephotistemen (für epotisthemen) mufi im App.
der Ausgabe nachgesehen werden; gerade hier fehlen die vorhandenen Kirchen-
väternachweisc. - Die Problematik der Misch- und Kombinationszitate ist auch
durch Nachschlagen im anderen Werkteil (bzw. im Register) nicht aufzuhellen
Die Angaben müfjten dazu genauer, vor allem die Basis breiter sein.

Die Arbeit, hervorgegangen aus einer Dissertation des Päpstlichen
Bibclinstituts (1966), versteht sich als Eröffnung einer
Diskussion über „den Einfluß antiken Formdenkens als Quelle
von Varianten"; sie ist also m. E. recht verstanden und genutzt
, wenn sie für eine Strecke Weges weiterhilft. Das klingt
bescheiden und ist doch sehr viel.

Halle (Saale) Heinz Bcrthold

1 Vgl. M. Barnard/F. C. Burkitt, The Biblical Text of Clement of Alexandria
in the four Gospels and the Acts of the Apostels — Texts and Studies V, 5;
18g9, mit origineller Darstcllungsform der Textvarianten. Die Ausgabe in den
Griechischen Christlichen Schriftstellern (GCS) wurde besorgt von O. Stählin;
die erneuerten Auflagen ab i960: V. II3, IIP und IV (Register). Jüngeren
Datums (und vergleichsweise heranzuziehen): G. Zaphiris, Texte de l'Evangile
selon Matthieu d'apres les citations de Clement d' Alexandrie comparecs aux
citations des Peres et des theologiens grecs du IIr au XVs. Gcmbloux 1970.
1127 S.

- Anglcichungen an den -Reichstext"; dieses Problem gehört wie die anderen
Fragestellungen immer auch mit zum ersten Bereich; diese Zusammenstellung
von Problemgruppcn nicht von Mees.

-1 Es ist hier nicht möglich, den Gesamtkomplex der .Biblia Patristica" ein-
zubezichen: die Wichtigkeit aller Beiträge auf diesem Gebiet wird allerdings
immer wieder deutlich. Das Problem selbst betreffend nenne ich nur zwei
Studien: M. J. Suggs, The usc of patristic evidence in the scarch for a primitive
New Testament text = NTS 4. 1958, 139-147 und B. M Metzger, The
practice of textual crirjeism among the Church Fathers — Studia Patristica XII
(TU 115). 1975, 340-349. Zur Problematik der Evangelienharmonien sind die
Ausführungen von G. Strecker zu bedenken i G. Strecker. Eine Evangclien-
harmonic bei Justin und Pseudoklcmens. in: NTS 24. 1978. 297-316.

Wilson, John Elbert: Gott, Mensch und Welt bei Franz Overbeck
. Bern - Frankfurt/M. - Las Vegas: Peter Lang [1977).
162 S., 1 Porträt 8° = Basler und Berner Studien zur historischen
und systematischen Theologie, 30.

Wilsons „gründliche Neubearbeitung seiner unveröffentlichten
Dissertation .Continuity and Difference in the Course of
Franz Overbecks Thought ..."' (Claremont 1975) ist „konzipiert
als eine Darstellung der Entwicklung von Overbecks
Grundgedanken zur Theologie und Religion von seiner Studienzeit
an bis zu seinem Tod" (9). Wilson konnte seine
Arbeit anhand der Basler Originalmanuskripte Overbecks erstellen
. Er teilt sie in vier Abschnitte ein: I. Die Anfänge (Vier
Predigten der Studienzeit), II. Die Leipzig-Jenaer Zeit (Aphorismen
über Wissen und Glauben, Vorlesung von 1865/66 über
Trinität und Christologie, Basler Antrittsvorlesung, Verhältnis
zu R. Rothe), III. Basel (Über die Christlichkeit unserer heutigen
Theologie, Geschichte und Mythus), IV. Gott ist tot.

Wie schon in der ursprünglichen Fassung sucht Wilson auch
in der unter dem Einfluß von M. Tetz vorgenommenen Neu
bcarbeitung durchgängiges und gleichbleibendes Gedankengut
von weiterentwickeltem bei Overbeck zu unterscheiden. Dabei
zeigen sich die einander wechselnden Einflüsse von Schleier-