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Ausgabe:

1980

Spalte:

518-520

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schönstädt, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug 1980

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 7

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Capua, erst nach Behinderung durch Anhänger der alten Adels-
partei in der Kirche S. Pictro in Vincoli vorgenommen werden
konnte. Weitere Konscguenz der Meinungsverschiedenheiten
auf vielen Ebenen war das sog. Cadalus-Schisma: Der Bischof
von Parma wurde am 28. Oktober 1061 auf einem Hoftag in
Basel, der freilich nur von relativ wenigen deutschen und italienischen
Bischöfen besucht wurde, zum Papst bestimmt. Es
folgten Kämpfe in und um Rom, wobei auch die Innenstadt
öfter den Besitzer wechselte. Doch führte das entschiedene Auftreten
des Herzogs Gottfried im Verein mit normannischen
Truppen 1064 zur Beilegung des Schismas. Seit der nachfolgenden
Synode von Mantua galt Alexander allenthalben als legitim
und konnte sein Pontifikat bis zu seinem Tode (21. 4. 1073)
ohne größere Störungen von außen verwalten. Dabei kam ihm
neben der prinzipiellen Unterstützung durch die Reformergruppe
seine langjährige Erfahrung, vor allem aber eine
Diplomatie zugute, die sich häufig mit einer um Ausgleich bemühten
Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit paarte. S. sagt
S. 219 abschließend zu dem von ihm stimulierten und neuerarbeiteten
Alexander-Bild: „Die beiden Gruppen, denen Anselm
angehört hatte, der hohe Mailänder Adel und der italienische
Reichsepiskopat, zählten soziologisch im wesentlichen zu derselben
Schicht. Insofern hatte Anselm eine einheitliche Prägung
erfahren, die sich in der Verteidigung spezifischer Gruppen-
intcressen auswirkte: Bei den zu seiner Zeit aufbrechenden
Konflikten zwischen der Bischofskirche und den von der neuen
Frömmigkeit geleiteten Mönchs- und Klerikergemcinschaften
stellte er sich auf die Seite der Bischöfe. Gleichwohl der römischen
Kirchenreform verpflichtet, sah er im Ausgleich extremer
Forderungen und Standpunkte das reformerische Anliegen gesichert
".

Ich würde dieser Wertung im wesentlichen zustimmen, allerdings
in der Diktion (Gruppcnintcresscn!) hier und da ein
Fragezeichen setzen. Das Alexander-Bild ist auch in den Einzelheiten
, vor allem durch den vorsichtigen Zusammenbau aus
zahlreichen, oft exkursartigen Unterabschnitte gut begründet.
S. leuchtet auch in die Prosopographic der Reformer und ihrer
Gegner möglichst eingehend hinein. Auch die Quellen zur
Papstwahl von 1061 oder zur Namenswahl werden gründlich
untersucht (interessant sind die zeitgenössischen Hinweise auf
den „Euphemismus" im Alexandernamen — freilich mit verschiedenartigsten
Ausdeutungsmöglichkeiten; wichtig auch die
Erwähnung eines nicht mehr erhaltenen Bildes im Lateranpalast
, wo Cadalus als Fußschemel des inmitten von Geistlichen
thronenden Alexander und in der verstümmelten Inschrift
„Rcgnat Alexander Kadolus cadit et superatur ..." auftaucht).
S. ist auch in der Behandlung der positiven, jedoch schwankenden
Beziehung Alexanders zu seinem Archidiakon Hildebrand
erfreulich vorsichtig: Der Papst milderte des öfteren ausgleichend
den Rigorismus seines Archidiakons, wobei er — etwa
im Florentiner Bischofsstreit — seine Amtsbrüder gegen oft
überhöhte Forderungen der Mönche und der populären Massenbewegung
(207) unterstützte.

Halle (Saale) Hans-Joachim Dicsner

1 Vgl. dazu auch K.-J. Herrmann. Das Tuskulanerpapsttum (1012-1046).
Stuttgart 1973 (Päpste und Papsttum, 4): s ThLZ 99, 1974 Sp. «82-684.

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Kappler, Claude: Le monstre medieval (RHPhR 58, 1978 S.
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Martin, Francis X.: The Writings of Giles of Viterbo (AugfLj

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Molnar, Amedeo: Ii „linguaggio plebeo" nelle teologia della

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Papäzoglos, Geörgios: Ho kata Latinön dikanikös lögos tou

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Russell, Theodore Norman: Anselm of Havelbcrg and the

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Ctuinn, John M.: The coneept of time in Giles of Romc

(Aug[L] 29, 1979 S. 5-42).
Santos Otero, Aurelio de: Die altslavische Überlieferung der

Vita Antonii des Athanasius (ZKG 90, 1979 S. 242-252).
Schäferdiek, Knut: Wulfila: vom Bischof von Goticn zum

Gotenbischof (ZKG 90, 1979 S. 253-292).

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Schönstädt, Hans-Jürgen: Antichrist, Weltheilsgeschehen und
Gottes Werkzeug. Römische Kirche, Reformation und Luther
im Spiegel des Reformationsjubiläums 1617. Wiesbaden:
Steiner 1978. XXXVI, 328 S. gr. 8° = Veröffentlichungen des
Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 88: Abt. für
abendländische Religionsgeschichte. Lw. DM 80,-.

Wiederholt sind Untersuchungen von Reformationsjubiläen
als Desiderat empfunden worden. Die vorliegende philosophische
Dissertation der Universität Erlangen-Nürnberg von 1976
läfjt erkennen, daß solche Feiern SelbstdarstclJungen bewirkten,
die aufschlußreiche Einblicke in die jeweilige Beschaffenheit
der evangelischen Kirchen gewähren. Überdies liegt das Ergebnis
rechtzeitig vor, so daß es in die Vorbereitungen für das
Lutherjubiläum 1983 einbezogen werden kann.

Der erste Teil behandelt die Entstehung und die Durchführung
des Reformationsjubiläums 1617 in den deutschen Territorien
(10—85). Dabei werden zwei Wurzeln bloßgelegt: Heilbronn
und Wittenberg.

Als im Frühjahr 1617 die 1608 gegründete Protestantische
Union in Heilbronn tagte, regte Kurfürst Friedrich V. von der
Pfalz aus Anlaß der 100. Wiederkehr des Reformationsbeginns
ein gemeinsames Dankgebet und damit verbunden die Einstellung
der innerevangelischen Polemik an. Am 23. April 1617
beschloß der Heilbronner Konvent, am 2. November, dem Sonn
tag nach dem 31. Oktober, in den Gottesdiensten Gott für die
Reformation durch Luther und andere Reformatoren zu danken
und um die Erhaltung der evangelischen Religion und die
Bewahrung vor Rückfall in vorreformatorische Verhältnisse zu
bitten.

Die Theologische Fakultät in Wittenberg erbat am 22. April
1617 von dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. eine Instruktion
für eine Jubiläumsfeier in Wittenberg, die vom Oberkonsistorium
in Dresden ausgearbeitet und für das gesamte
Kursachsen verbindlich gemacht wurde. Der Festtermin wurde
vom 30. Oktober bis zum 2. November ausgedehnt. Bibcltextc
wurden festgelegt, deren Auslegung der Oberhofprediger
Matthias Höe von Höenegg durch Erläuterungen prägte. Von
diesem Vorhaben wurden die lutherischen Kirchen unterrichtet,
die der Konkordicnformel beigetreten waren.

Der Vf. bietet in einer informationsreichen Zusammenstellung
dar, wie die einzelnen Territorien entweder von dem
Heilbronner Beschluß oder der kursächsischen Unterrichtung
angestoßen oder auch ziemlich selbständig ihre Jubiläumsfeier
planten und durchführten.

Der zweite Teil untersucht das Urteil der deutschen protestantischen
Prediger im frühen 17. Jh. über di llömische Kirche
, die Reformation und Luther (106—303), wc .'Ar die Voraussetzungen
aufgezeigt werden (86—106), u. zw. d;e theologie-
gcschichtlichen. Diese Prediger verwendeten im Gefolge von