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Ausgabe:

1980

Spalte:

510-512

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Talavero Tovar, Severiano

Titel/Untertitel:

Pasion y resurreccion en el IV evangelio 1980

Rezensent:

Nagel, Walter

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 7

510

Pryke, E. J.: Redactional Style in the Marcan Gospel. A Study
of Syntax and Vocabulary as Guides to Redaction in Mark.
Cambridge: Cambridge Univcrsity Press [1978]. IX, 196 S.
8° = Society for New Testament Studios. Monograph Scrics,
33. Lw. £ 10.-.

Die vorliegende Arbeit wurde 1971 von der Universität London
als Dissertation angenommen. Vf. geht von den Sprach-
Untersuchungen C. H. Turners aus und fragt, inwiefern der
von Turner herausgestellte „markinischc" Sprachgebrauch auf
den Evangelisten selbst oder aber auf vormk Überlieferungen
zurückgeht. Er wählt zum Gegenstand seiner mit großem Flcif)
und viel Mühe durchgeführten Untersuchung achtzehn Züge
meist syntaktischer Art (von denen freilich nur ein Teil von
Turner behandelt wurde): u. a. parenthetische Sätze (ein viel
zu langer Abschnitt, der etwa 30% des Ganzen umfafjt!), Gen.
abs., Partizip als Hauptverb, unpersönliche Verben, arkhomai
mit Infinitiv, Gebrauch von euthys und palin.

Vf. gibt folgendes Bild von seinem Verfahren: Zuerst sollen
gewisse Abschnitte des Mk-cvangeliums „mit literarischen
Gründen" als redaktionell festgestellt werden (6). Dann werden
Abschnitte, die zunächst zur Tradition gerechnet wurden, aufs
neue untersucht, um zu sehen, ob nicht auch einige von ihnen
sich transponieren lassen als redaktionell. Vf. meint, daß ausschließlich
sprachspezifische Züge Kriterien abgeben könnten,
mit deren Hilfe die literarische Abgrenzung überprüft werden
kann. Das Ergebnis ist, daß alle untersuchten Züge überwiegend
redaktioneller Art sind, der Gen. abs. und arkhomai mit
Inf. sogar völlig.

Freilich klafft zwischen Theorie und Praxis des Vf. eine gewaltige
Kluft. Faktisch fungieren die syntaktischen Züge gar
nicht als Kriterien der (zweiten) Redaktionsanalysc.

Als erstes teilt Vf. die Kontexte, in denen der jeweils zu untersuchende Zug
auftritt, in redaktionelle und traditionelle ein (.mit literarischen Gründen", wie
er meint). Dann mustert er die .traditionellen" Verse und transponiert recht
viele zur redaktionellen Klasse, wobei er aber teils wortstatistischc. teils andere
nichtsyntaktische (vielmehr gerade .literarische"!) Gründe gebraucht, oder
beruft sich vielmehr auf Andere, die das getan haben. In diesem Zusammenhang
ist nicht einzusehen, was die .literarischen Gründe" tatsächlich sind, mit
denen die erste Zweiteilung jeweils erreicht wird. Vf. erklärt es nirgends.
Man möchte (z. B. in Anbetracht des S. 64 Gesagten) zunächst denken, dafi
Anfang (und Ende?) einer Perikopc dieses .ursprüngliche" Redaktionsmaterial
ausmachen; aber z. B. S. 73 gehört die Hälfte der redaktionellen Stellen zur
Substanz der jeweiligen Perikope. S. 10-23 gibt Vf. nun eine Liste redaktioneller
Verse im Mk-cvangclium, und S. 27 behauptet er, dafj diese Liste .on
litcrary-crilical and linguistic (!) grounds" zusammengestellt worden sei im
Unterschied zu ..syntactical and vocabulary (!) tests", die erst dann unternommen
werden sollen. Aber die Liste deckt sich nicht mit den .ursprünglichen"
Redaktionsversen, sondern umfafjt auch die später transponierten Verse, die
sich erst im Zuge der Untersuchung als redaktionell herausstellten (z. B. 1,37,
S. 73). Es ist einfach nicht einzusehen, worum es eigentlich bei diesem Trans-
ponierungsspiel geht. So werden z. B. S. 64 fünf Stellen, die je einen Gen.
abs. enthalten, entdeckt, .which would not naturally be regarded as redactional
on critical grounds". Dann folgen die Transponierungsoperationen, u. zw.
geschieht die erste mit der Begründung, dafj .commentators of reputc scem to
regard 5l^--u as R(cdaction), and the language used (der Wortschatz) would
scem to Support them"! Und hier soll die Syntax Kriterien abgegeben haben,
und sogar neue? S. 87 gilt 7,25 als redaktionell j S. 99 ist dieselbe Stelle
traditionell und mufj erst S. 101 zur Redaktion verwandelt werden. Es sieht
alles sehr willkürlich aus.

Ferner diskutiert Vf. nirgends, was „Redaktion" eigentlich
bedeutet. Am Schluß gibt er einen „redaktionellen Text des
Marcus". Dieser umfaßt fast genau die Hälfte des Evangeliums
, und darunter befinden sich ganze Perikopen, wie 8,27—
33 (doch hat Vf. an dieser Stelle einige Zweifel). Soll „Redaktion
" also nur heißen, dafj Markus auf die zitierten Sätze
manchmal stärker, manchmal vorsichtiger eingriff? Aber oft
bricht Vf. Sätze plötzlich ab, wo seiner Meinung nach die Redaktionsarbeit
endet. Was als Tradition übrigbleibt, besteht
dann vielfach nur aus Fragmenten, die als solche nicht hätten
überliefert werden können. Falls Vf. aber wirklich meint, daß
alle S. 151—176 zusammengestellten Formulierungen aus der
Hand des Evangelisten stammen, dann hat er die Ansichten
vieler seiner Gewährsmänner grob mißdeutet. Die Litcratur-
verweise in der Liste der „redaktionellen Verse" (10—23) sind
denn auch sehr pauschal und oft irreführend; ich nenne nur,
daß S. 17 R. Pesch als Gewährsmann angeführt wird für den
redaktionellen Charakter von 8,27—33 insgesamt (was das nun
auch bedeuten mag). An welcher Stelle auch immer man es
unternimmt, Literaturverweise zu überprüfen, immer kommen
schnell Fehler bzw. Überinterpretationen zutage.

Gelegentlich weist Vf. auf gewisse grundlegende Fragen hin,
ohne sie zu diskutieren: Gab es schon vormarkinischc Redaktionsarbeit
? Wie könnte man vormk Redaktionsschichten von
der markinischen unterscheiden? Übersetzte Markus selbst
Stücke aus dem Aramäischen (das scheint Vf. etwa S. 47 und
122 vorauszusetzen)? Was wäre in diesem Fall als Redaktion,
was als Tradition zu verstehen? Etwa solchen Fragen geht Vf.
nicht methodisch nach, obwohl ihre Klärung für sein Unternehmen
wesentlich gewesen wäre.

Einige Proben von Einzelheiten:

S. 35 sagt Vf. anhand 1,1-4: „One commentator (Cranficld) outlincs ten
possiblc ways of arranging the syntax." Cranfield spricht jedoch von zehn
Möglichkeiten, das sachliche Verhältnis von V. 1 zum Folgenden zu bestimmen
(die Zahl der syntaktischen Möglichkeiten ist viel geringer). S. 37 werden
7,6-8, 10,5-8 und 14,27-28 recht gekünstelt als Parenthesen behandelt (was
nicht die Meinung Turners war); S. 39 wird jedoch dieses Urteil für 10,5-8
aufgehoben. Die Isolierung von , p o 1 1 a accusative" S. 70 f ist wenig sinnvoll
(weshalb wird p o 1 1 a als akkusativisches Attribut behandelt, nicht aber
p o 1 1 o u s ?) ;Vf. hätte stattdessen das adverbial gebrauchte p o 1 1 a ,
das wirklich ein spezifisch markinischcr Zug ist, untersuchen müssen. Zum
reichlichen Gebrauch von arkhomai mit Inf. wird die gesuchte Erklärung
geboten, Jesus müsse immer wieder aufs neue beginnen, wenn er bei seiner
Mission verhindert wird. Sogar zu 6,55 heifjt es: .He has to . . . rccommencc
the struggle when the crowd tire Hirn out", obwohl dort das Volk Subjekt
des Anfangens ist!

Die im Klappentext ausgesprochene Verheißung, daß die
Methoden und Ergebnisse des Vf. sehr wertvoll für Markus-
Forscher sein werden, wird also leider nicht eingelöst. Das
allgemeine Ergebnis kann zwar richtig sein, aber methodisch
steht der fleißige Vf. im großen wie im kleinen auf sehr
schwankendem Boden.

Helsinki Hcikki Räisänen

Tovar, Severino Talavcro: Pasion y Resurrecion en el IV Evan-

gelio. Intcrpretaciön de un cristiano de primera hora. Sala-
manca: Universidad Pontificia 1976. 277 S. gr. 8° = Biblio-
theca Salmanticcnsis, XVII, Estudios, 15.

Mit der hier anzuzeigenden Studie zur Passion und Auferstehung
Jesu in Joh 18 bis 20 ist ein für die gegenwärtige
katholische Forschung zum NT bemerkenswertes und zugleich
der gesamten ntl. Forschung dienliches Buch erschienen. Ebenso
wie die Theologen der Universität Bilbao mit der Reihe „Tco-
logia Deusto" (vgl. ThLZ 101, 1976 Sp. 433 f u. Sp. 932-936) von
sich reden machen, lassen die Theologen der Päpstlichen Universität
Salamanca umfangreiche Monographien zu allen Disziplinen
erscheinen. Der Vf. von Band 15 der Studien hat bei
Heinrich Schlier studiert. Er führt sein Verständnis des NT auf
ihn zurück (86 Anm. 4; 87 Anm. 9 u. ö ). Durch ihn fand er
Zugang zur deutschen formgcschichtlichcn Arbeit und bekennt
sich zu ihren Konsequenzen (261). Die aufmerksame Beobachtung
papyrologischer und archäologischer Entdeckungen
(35.129—135) gehört ebenso dazu wie die umfassende Kenntnis
und Auswertung der sachbezogenen Literatur der letzten 30
Jahre im romanischen und englischen Sprachbereich. Das Resultat
ist in den sorgfältigst und erschöpfend hergestellten Anmerkungen
abgedruckt. Das Buch ist darum ein wichtiges
Nachschlagewerk, sobald über die Passion und Auferstehung
Jesu exegetisch gearbeitet wird.

Das Vorhaben nun. nach solchem Werdegang Joh 18 bis 20
für die spanische Theologie von heute zu erörtern, bedarf
einer sorgfältigen Absicherung. Gewiß, es steht für den Vf.
fest, daß selbst „als Zutat eines Späteren entlarvte Verse" (z. B.
Joh 20, 12 u. 13) auf jeden Fall als kanonisch gelten (138). Er
kann sich mit dieser Auskunft nicht in allen Fällen salviercn.
Auch genügt nicht die Berufung auf die zweifellos aller Abfassung
Heiliger Schrift vorausgehende Inspiration (87), weil die
Umstellung einer Perikope, eines Abschnittes oder eine Änderung
in der Stundcnzählung (dies gegenüber dem Text der
Synoptiker) nicht unbedingt inspiriert sein müßte (93 und
Anm. 33). Tovar sucht deshalb seinen Spielraum exegetischer
Arbeitsweise durch Vergleiche zwischen den Verlautbarungen
des Vaticanum I (D. 1787 und 84 Anm. 1) und denen des Vaticanum
II (Dei Vcrbum 24) zu rechtfertigen und zu erweitern.
Der Vergleich zwischen der knappen, im Sinne des Vaticanum I