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Ausgabe:

1980

Spalte:

496--499

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Amos 1980

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 7

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Genealogien von 1 Chr 1—9 sind somit — mit Ausnahme von
1 Chr 5,23—26 — als genuiner Bestandteil des chronistischen
Werkes zu verstehen.

In einem diesem 1. Hauptteil angefügten Exkurs „The Datc
of Chronicles" (83—86) beantwortet der Vf. kurz die sich auf
Grund des zuvor erzielten Ergebnisses neu stellende Frage
nach der Abfassungszeit von 1/2 Chr. Er entscheidet sich
dabei für die späte Persische Periode; „Chr. should thus be
dated at some point within the fourth Century B. C." (86).

Die hier vertretene Begrenzung des chronistischen Werkes
auf 1/2 Chr knüpft an eine bereits von S. Japhet 1 aufgestellte
These an, fügt zu deren Belegen jedoch noch weitere hinzu,
baut die Beweisführung weiter aus und variiert zugleich deren
Ergebnisse in einigen Punkten. Dabei überzeugt vor allem die
Korrektur des von S. Japhet erst bei 2 Chr 36,22 f angenommenen
Abschlusses des Werkes.

Andererseits geht der Vf. aber auch den Argumenten der
von seiner Auffassung abweichenden Forscher ausführlich nach.
Hier verdienen vor allem die Auseinandersetzungen mit M.
Noth und W. Rudolph über den ursprünglichen Aufbau und
die Echtheit der Genealogien in 1 Chr 1—9 sowie mit K.-F.
Pohlmann 2 über 3 Esr Beachtung. Gegenüber Letzterem wird
festgestellt, daß 3 Esr erst an einem nach der Regierung Ma-
nasses gelegenen Punkt, wohl mit der Thronbesteigung Josias,
einsetzte, während es bereits bei Neh 8 geendet haben dürfte;
„it was never intended, therefore, to be a translation of the
whole of the Chronicler's work" (35), sondern wurde für einen
Zweck geschrieben, der eben diese Begrenzung veranlagte.
3 Esr hat somit auch nichts mit der LXX-Übersetzung von 1/2
Chr, Esr/Neh zu tun. Zweifellos ist es dem Vf. mit diesen auch
das Zeugnis des Josephus berücksichtigenden Ausführungen
gelungen, zugleich die Arbeit am 3 Esr zu fördern, obwohl
seine Aussagen über den Anfang und das Ende dieser Schrift
letztlich doch relativ bleiben.

In dem 2. Hauptteil „The Concept of Israel in the Books of
Chronicles" (87—131) wird, von der zuvor gewonnenen Begrenzung
des chronistischen Werkes ausgehend, nun das in ihm
vorliegende Verständnis von .Israel' erhoben. Dabei ergeben
sich folgende Hauptlinien: Während der Regierung Davids
und Salomos gebraucht der Chronist .Israel' als Sammelbegriff
für alle israelitischen Stämme. Als sich nach Salomos Tod die
Nordstämmc von den Südstämmen trennen, verlieren sie doch
nicht ihre Stellung als .Kinder Israels', obwohl diese Bezeichnung
nun in gleicher Weise den Bewohnern des Südreiches
zukommt. Infolge der seit Abia im Nordreich stattgefundenen
religiösen und politischen Rebellionen geraten sie jedoch in
die Stellung von Menschen, die Jahwe verlassen haben, obwohl
eine Umkehr aus dieser Situation möglich ist und diejenigen,
die so handeln, im Süden willkommen sind. Hiskia wird vom
Chronisten als ein zweiter Salomo gesehen, der im Prinzip die
ganze Bevölkerung zu Jahwe zurückführt und unter dem davidischen
König im Gottesdienst am Jerusalemer Tempel wieder-
vereinigt, so daß .Israel' von jetzt an wieder die gesamte Bevölkerung
meint. Insofern der Chronist dabei die Überlebenden
des früheren Nordreichs als „Rest" bezeichnet, bietet er
ein im AT einzigartiges Zeugnis für die Wiedervereinigung
des Volkes im Lande vor dem Exil. Schließlich werden nach
seiner Sicht die, die aus dem Exil zurückkehren, den Kern
von .Israel' als einem Ganzen bilden, obwohl sie auch andere
aus .Israel', die sich ihnen anzuschließen suchen, aufnehmen
werden, ja, diese direkt zurückzugewinnen suchen werden.

Aus dieser Sicht von .Israel' und seiner Geschichte leitet der
Vf. abschließend in dem Teil „Conclusions" (132—140) einige
wichtige Schlußfolgerungen zur Tendenz des chronistischen
Werkes ab. Dieses versucht „to redress the balance with thosc
who, concerned to avoid the dangers of syncretism and assi-
milation, had allowed the Jerusalem Community so to close in
on itself as even to exclude some who had a rightful claim to
partieipation". Der Chronist demonstriert deshalb an Hand
der Geschichte der geteilten Monarchie, daß „a faithful nucleus
does not exclude others, but is a representative centre to which
all the children of Israel may be welcomcd if they will return"
(140). Das chronistische Werk blickt somit hin auf eine Wiedervereinigung
von .ganz Israel' um Jerusalem und seinen Tempel
.

Es verdient uneingeschränkte Anerkennung, wie der Vf. mit
großer Gründlichkeit und Sachkenntnis, aber auch großer Beharrlichkeit
dieses wichtige Endergebnis seiner Untersuchung
herausarbeitet. Die bisherigen Hypothesen über den Zweck des
chronistischen Werkes, zumal die Annahme einer antisamari
tanischen Polemik, dürften nach dieser Arbeit kaum mehr
aufrecht zu erhalten sein.

Dem Buch ist neben einem Abkürzungsverzeichnis (IX—XI)
und einer Einleitung (1—4) ein Vorwort (VII—VIII) vorangestellt
, das es als überarbeitete Fassung einer im Mai 1975 der
Universität Cambridge vorgelegten Dissertation ausweist.
Eine ausführliche Bibliographie (141—154) sowie Indices der
zitierten Stellen, modernen Autoren und Begriffe (155—170)
beschließen die Untersuchung, der eine weite Verbreitung und
Beachtung zu wünschen ist.

Rostock Klaus-Dietrich Schunck

1 S. Japhet, The Supposcd Common Authorship of Chronicles and Ezra-
Nchemiah investigated anew, VT 18. 1968. 330-371 ,• dies., The Ideology of the
Book of Chronicles and its Place in Biblical Thought, Jerusalem 1973.

- K.-F. Pohlmann, Studien zum dritten Esra (FR LA NT 104), Göttingen 1970

Koch, Klaus, u. Mitarbeiter: Arnos. Untersucht mit den Methoden
einer strukturalen Formgeschichtc. 1: Programm und
Analyse. XIII, 292 S. 2: Synthese. VII, 159 S. 3: Schlüssel.
32 S. Kevelaer: Butzon & Bercker; Neukirchen-Vluyn: Neu-
kirchener Verlag des ErziehungsVereins [1976]. 4° = Alter
Orient und Altes Testament. Veröffentlichungen zur Kultur
und Geschichte des Alten Orients und des Alten Testaments,
30. Kart. DM 167,-.

„Wie läßt sich das methodische Instrumentarium weiterentwickeln
und so operational machen, daß ein größerer Konsens
in der Prophetenexegese erreicht wird?" (1,6). Diese Frage
bewegt K. Koch und seine Mitarbeiter und hat sie zur „Überprüfung
der methodischen Grundlagen" der Exegese speziell
der Prophctenbücher angeregt. Ihrem Anliegen kommt die
zunehmende Orientierung der Sprachwissenschaft auf struktu-
ralc Forschung entgegen. Sollte hier eine Möglichkeit gegeben
sein, neue und sicherere Ergebnisse zu erreichen? Aus der Erkenntnis
, daß „biblische Exegese seit jeher auf der jeweiligen
zeitgenössischen Sprechkunde" fußt (1,7), erscheint es K. im
Grunde als selbstverständliche Forderung, die modernen umwälzenden
Ergebnisse der Sprachwissenschaft bei der Interpretation
alttcstamentlichcr Texte zu berücksichtigen.

Die Hilfen, die linguistische Theorien der Exegese geben
können, werden im einzelnen dem Leser anschaulich vorgeführt
. Es geschieht dies durchaus nicht in vorbehaltloser, unkritischer
Hingabe an die manchmal sehr weitgehenden linguistischen
Vorstellungen. K. ordnet die neuen sprachwissenschaftlichen
Erkenntnisse dem Ansatzpunkt der gattungsge-
schichtlichen Forschung unter. Wenn nach Auffassung der
Linguistik jegliche sprachliche Äußerung zwangsläufig objektiv
vorgegebenen Sprachmustern (Textemen) folgt, dann entspricht
das der Einsicht H. Gunkels, „daß ein Verstehen von Sprache
nur möglich ist, wo man ihre charakteristischen Gattungen
kennt" (I, 11). Es geht also um die Weiterentwicklung einer
bereits in der Bibelwissenschaft etablierten und bewährten
Methode.

Die Ursachen für die das Verstehen hemmenden Divergenzen
in der alttestamentlichcn Prophetenexegese sieht K. vornehmlich
in dem subjektiven Herangehen an die Texte. So darf
beim Mühen um das Verstehen eines Textes nicht der Vorstel-
lungsaspekt dem Ausdrucksaspekt vorgezogen werden. Erst
durch genaue Prüfung des Ausdrucks kann „allein ein kontrollierter
Zugang zu den Vorstellungen eröffnet werden" (1,8).
Entsprechend darf bei Widersprüchen, Unregelmäßigkeiten und
Wiederholungen im Text nicht sogleich eine diachronische
Lösung durch Annahme verschiedener Quellen und Redaktionsstufen
angestrebt werden. Erst muß synchronisch nach
der „Stellung entsprechender Erscheinungen im Sprachsystem'