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Ausgabe:

1980

Spalte:

474-475

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Mathias, Dietmar

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der Chronikforschung im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der exegetischen Behandlung der Prophetennachrichten des chronistischen Geschichtswerkes 1980

Rezensent:

Mathias, Dietmar

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473

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

474

Politik der BRD. Als weiteres „Beispiel für die Ohnmacht
demokratischer internationaler Organisationen" dient die
von der Weltbank wahrgenommene multilaterale Entwicklungshilfe
. Die Stimmrechte der Bank richten sich nach der
Höhe der Kapitalzeichnungen. So verfügen „19 kapitalistische
Länder... über 62 Prozent der Stimmen; für die restlichen
89 Länder bleiben nicht viel mehr als ein Drittel der
Stimmen" (28). So dienen multilaterale Entwicklungsprojekte
vornehmlich dazu, späteren Privatinvestitionen den
Boden zu bereiten. Dem gegenüber stehen die Multis —
„Macht ohne Kontrolle", „die größte Mafia der Welt" : „Von
den 100 größten Wirtschaftseinheiten sind nur noch 60 Nationalstaaten
, aber bereits 40 multinationale Konzerne ...
1985 (werden) 300 Multis die Hälfte des Bruttosozialproduktes
der Welt erzeugen... Auf der Jagd nach überdurchschnittlichen
Profiten bauen die Konzerne ihre Fabriken
dort, wo Arbeitskräfte billig sind und sie nicht mit starken
Gewerkschaften rechnen müssen... Gewinne werden oft
nicht dort gezahlt, wo sie anfallen, sondern dort, wo die
Steuern niedrig sind." (30 ff.). Gelungene Streikbewegungen
allein können die Macht der Multis einschränken.

Den Hauptteil des Büchleins bildet die Partie „Zur Geschichte
und zu den Aporien des sozialistischen Internationalismus
." Er ist gerade für bürgerliche Leser gedacht und
vermittelt Nachhilfe auf diesem Gebiet, auf dem im allgemeinen
Kenntnislücken vorherrschend sein dürften. In der
Beurteilung der Aporien sind die Akzente so gesetzt, daß
das Lesepublikum durch Zustimmung eingeladen wird,
auch weniger bequemen Einsichten offen zu sein. Hier wird
von der Arbeiterklasse her und von marxistischen Historikern
manches Urteil gewiß anders ausfallen. Trotzdem wird

man diesen Teil als den interessantesten zu bezeichnen haben
und ihn auch nützlich finden.

Ein wenig angehängt wirkt dann der Schluß: „Von der
Neutralität zur Parteinahme. Die Politik des ökumenischen
Rates der Kirchen." Es handelt sich um die überarbeitete
Fassung eines zuerst in „Kritischer Katholizismus" Heft
5/1971 abgedruckten Beitrags. Er entwirft eine Skizze der
Geschichte des ÖRK und widmet sich dann ausführlicher
dem Antirassismusprogiamm als Zeichen ökumenischer Solidarität
mit den rassisch Unterdrückten. Hier greift B. oft
zurück auf E. Adler, A Small Beginning, Genf 1974 und
schließt sich deren Urteilen weitgehend an, einschließlich
der Kritik an denjenigen Kirchen, die sich „zurückhaltend
verhalten". Denn: „Es schien so, als gäbe es einen ökumenischen
Konsensus über den Rassismus. In dem Moment
jedoch, als die Worte durch Taten getestet wurden, zeigte er
Sprünge und Risse ... Obrigkeitsdenken, Revolutionsfeindlichkeit
und die falsche Analogie zwischen Gewaltanwendung
in Industrie- und Entwicklungsländern waren sehr
viel relevanter für die Ablehnung des Sonderfonds als etwa
theologische Gründe." (105). Trotz allem schätzt auch B. den
Fonds als nichts mehr denn eine „symbolische Aktion" ein.
Allerdings — und dem ist ebenso zuzustimmen — war „die
Signalwirkung dieser Botschaft... wichtiger als der Umfang
der Mittel... die geringen Summen ... demonstrieren, wie
schwer den Kirchen der Schritt von der Nächstenliebe zur
politischen Solidarität fällt." (109).

Für jeden, der an einer raschen Orientierung über die angeschnittenen
Probleme interessiert ist, und der sich nicht
scheut, ein parteiliches Engagement zur Kenntnis zu nehmen
, eine nützliche Arbeit.

Berlin Gerhard Bassarak

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Kling-de Lazzer, Marie-Luise: Religionsunterricht und Lebenspraxis
. Vorstufen des thematisch-problemorientierten
Religionsunterrichts in der Zeit der Reformpädagogik.
Diss. Tübingen 1980. 543 S.

Eine systematische Analyse des seit Mitte der 60er Jahre
in der BRD entwickelten thematisch-problemorientierten
RU ließ zwei Grundkategorien unterscheiden: „Lebensweltliche
Relevanz" und „Problemorientierung". Sie dienten als
heuristische Kategorien zur Untersuchung von Konzeptionen
des RU aus der Zeit zwischen 1900 und 1929.

Die Kategorie der „lebensweltlichen Relevanz" gewann in
folgender Hinsicht historisch Entscheidungsrelevanz: Unter
dem Einfluß der Pädagogik „Vom Kinde aus" wurde im einführenden
RU der Elementarklassen der Erfahrungskreis
des Kindes zum Auswahlkriterium für einen thematischen
RU; im Katechismusunterricht der Volksschule erlangte
das Thema „Glaube und Leben" bzw. „Glaube und Handeln
" zunehmend an Bedeutung; im abschließenden RU der
höheren Schulen standen apologetische Intentionen im Vordergrund
des Interesses. Aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg
stammend, setzten sich diese Konzeptionen eines lebens-
kundlichen RU jedoch unter dem Eindruck des Kriegserlebnisses
und dem Druck der politischen Verhältnisse nach der
Trennung von Kirche und Staat in den neuen RU-Lehrplä-
nen der 20er Jahre auch institutionell durch.

Die Kategorie der „Problemorientierung" ließ sich in
zweifacher Hinsicht historisch identifizieren: Durch die Rezeption
des Arbeitsschulprinzips der freien geistigen Tätigkeit
in der Religionspädagogik gewann die Methode des
..problemlösenden Lernens" auch im RU Bedeutung; auf
der Grundlage der neukantianischen Erkenntnistheorie und
ihrem Problembegriff entwickelte Hans Schlemmer einen
RU als ..Problemunterricht". In beiden Fällen eignete ihr
antidogmatische Sprengkraft.

Mathias, Dietmar. Die Geschichte der Chronikforschung im
19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der
exegetischen Behandlung der Prophetennachrichten des
chronistischen Geschichtswerkes. Ein problemgeschichtlicher
und methodenkritischer Versuch auf der Basis ausgewählter
Texte. Diss. Leipzig 1977. VI, 793 S.

Die Forschungsgeschichte wird dargestellt, indem die verschiedenen
Deutungen der Chr methodenkritisch hinterfragt
werden. Das wird durch die Feststellung der Prämissen
jener Deutungen und durch die Konfrontation genereller
Wertungen mit den Ergebnissen der zeitgenössischen
Exegese einzelner Texte erreicht.

Im l.Teil (6—111) werden die Tendenzen der Chr-For-
schung im 19. Jh. aufgezeigt und diskutiert. Quellen (Q.)-
und Tendenzkritik (T.-Kr.) werden als gleichberechtigte,
miteinander konkurrierende Lösungsangebote auf die Frage
nach der Glaubwürdigkeit der Chr angesehen. Ihre Gemeinsamkeiten
liegen in der Verbindung des (literarischen)
Q.-Begriffs mit der Historie (der glaubwürdigen Berichterstattung
) und der Heranziehung des MT von Sam/Rg zum
Vergleich der Chr mit Sam/Rg. Vermutungen über eine
andere Textgestalt der Sam/Rg-Vorlage des Chronisten
(Chron) gewannen keine Bedeutung. Durch die Hypothese
über die Existenz eines chronistischen Geschichtswerks
(chrGW) wurde die Prämisse der T.-Kr., daß einer tendenziösen
Darstellung keine glaubwürdigen Nachrichten zu
entnehmen seien, relativiert. Denn für die Darstellung der
nach exilischen Zeit war man auf Esr/Neh angewiesen. Zugleich
wurde die T.-Bestimmung auf die durch Esr/Neh vermittelte
Situation der nachexilischen Gemeinde fixiert. Die
Hypothese löste aber auch den verwendeten Q.-Begriff aus
seiner strengen Koppelung an die Glaubwürdigkeit der
Mitteilungen, da man auf späte „Quellen" geführt wurde,
in denen die Überlieferung von Sam/Rg in bereits bearbei-