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Ausgabe:

1980

Spalte:

453-454

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Röhrbein, Helmut

Titel/Untertitel:

Der Himmel auf Erden 1980

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Seite 1

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453

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

454

benden, für den Schacher, für Judas und Pilatus? Wie mit
dem neuen Himmel und der neuen Erde, „in welchen Gerechtigkeit
wohnt" ? Der Ausblick auf die „Ökumene der
Menschheit", zwischen deren verschiedenen Kulturen der
Dialog nun angebrochen sei (230), ist gewiß wichtig, aber —
reicht die christliche Hoffnung nicht noch weiter?

Die Gegenwart wird als „Aufgabe des Glaubens" erkannt
(235ff.), der Dekalog als „Modell einer partizipatorischen
Ethik" erläutert (ihr Ziel: die Vermittlung der durch Gott
erschlossenen „Teilhabe und Teilnahme am Leben", 252).

Unvermittelt kommt nun die Pichtsche Bildungskatastro-
Phe in Sicht. Was heißt „Erziehung im Glauben" (255ff.)?
Ein Abschnitt mit der beachtens- und beherzigenswerten
Überschrift „Religionspädagogik als Hilfe zur Menschwerdung
" (278 ff.) beschließt das Buch.

Handelt es sich um eine „Einführung in die Theologie" ?
Die Theologie im engeren Sinne — als „kritische Theorie des
Glaubens" — wird als ein Kapitel des ersten, phänomenologischen
Teils behandelt. Trifft der Untertitel besser: „Ortsbestimmung
des Glaubens" ? Die Ausführungen schlingern
zwischen dem Anliegen des Haupttitels und dem Anspruch
des Untertitels hin und her, das gewählte Genus verunsichert
Autor und Leser. Das Buch versteht sich als Arbeitsbuch
, mit Zusammenfassungen am Ende jeder Einheit, mit
Testaufgaben zu den einzelnen Kapiteln, mit ausführlichen
Literaturhinweisen und einem „Schlüssel zum Verständnis
der Begriffe". Trotzdem: Ich werde es in meinen Lehrveranstaltungen
nicht verwenden. Das „Gespräch", das es führen
möchte, erscheint mir als — jedenfalls für den Studenten
— zu diffus, der Ort, von dem aus es geführt werden soll,
als zu unbestimmt.

(Ärgerlich sind gewisse Unstimmigkeiten: Zwischen S. 224 und
227 fehlt Abschn. (2), zwischen S. 286 und 289 Abschn. (b); was ist
mit dem Satz 3.2.3 auf S. 252 passiert? Aus H. G. Pöhlmann, S. 40
richtig zitiert, ist auf S. 91 - und prompt auch im Register! - ein
gewisser H. J. Pohlmann geworden. Unfreundlich und unnötig finde
ich gelegentliche Seitenhiebe wie: „Selbst Dorothee Sölle hat den
.Tod am Brot allein' erkannt...", Anm. 18, S. 176).

Lahn-Gießen Hans-Martin Barth

Röhrbein, Helmut: Der Himmel auf Erden. Plädoyer für
eine Theologie des Glücks. Frankfurt/M.: Knecht [1978].
127 S. 8°. Kart. DM 19,80.

Heinrich Heines Absage an das „Eiapopeia vom Himmel"
ist das Motto dieses Buches, in dem über das Glück nachgedacht
wird. Der Vf. geht davon aus, daß die Menschen immer
und überall das Glück suchen. Läßt sich heute sagen, was es
sei? Für Röhrbein ist auffällig, daß in der philosophischen
Tradition viel selbstverständlicher über Glück reflektiert
wurde (Augustin kannte schon Varros 288 Bestimmungen)
als in der theologischen, die überwiegend von der Misere
des menschlichen Daseins ausging. Wieso eigentlich?

Die vorliegende Arbeit bemüht sich, einen Zusammenhang
zwischen den heutigen Fragen nach Glück und den Erfahrungen
und Antworten der Bibel herzustellen. Philosophische
Explikation und theologische Interpretation sind die
beiden Teile. Der erste (15—75) setzt mit einem „hermeneu-
tischen Zugang" ein: Glück wird als eine Erfahrungswirklichkeit
bestimmt, in der Situation und Person, glückliche
Umstände und Glückszustand ungetrennt erlebt werden.
Kann darum nur aus Glückserfahrung gesprochen werden,
so lassen sich doch allgemeine Strukturen aufweisen, „aufgrund
derer es überhaupt erst möglich ist, verschiedene
Erfahrungen mit dem einen Wort Glück zu benennen" (19).
Der Leser wird zum Eintragen seiner Erinnerungsmuster
aufgefordert und die Aufgabe der philosophischen Explikation
begrenzt auf den „Versuch vergewissernden und
verstehenden Erinnerns" (21).

Diese Explikation erfolgt in drei „Durchgängen" durch die
einander durchdringenden Dimensionen der Glückserfahrungen
: Glück ist (1) Erfahrung im Horizont eines „Spiel-
Raums" und in der Qualität der Identitätsfindung, — also
keine Sache von Technik, Profit, Leistung, Berechnung und

Kontrolle, sondern Aufhebung von Nicht-Identität, Verlorenheit
, Entfremdung und Widerspruch; kurzum: Sinn-
Erfahrung, in der Selbst- und Wirklichkeitsbejahung zusammenkommen
.

Glück ist (2) Erfahrung im Spiel-Raum der Zwischenmenschlichkeit
als Kommunikation in Liebe, — also kein
Privatglück, sondern die Entdeckung der Liebe als Wesen
und Sinn der Kommunikation, einer Liebe, die „Endlichkeit
, Tragik und Schuld" kennt und einbezieht. Glück ist (3)
Erfahrung von Überstieg, Überfluß in Vorläufigkeit, - also
nicht Selbstbescheidung auf das kleine Glück in Episoden,
sondern Symbol einer Hoffnung: „daß die Menschen aller
Orte und aller Zeiten in liebender Kommunikation in der
Fülle ihrer Identität, befreit von allem Ungenügen, aller
Gefährdung, aller Einschränkung und Vergänglichkeit, das
Glück erfahren werden" (75).

Der zweite Teil (Theologische Interpretation. 77—127) soll
nicht als Ergänzung der philosophischen Explikation verstanden
werden: „Von sich aus fordert die Philosophie
keine Fortführung...; sie läßt auch keine Leerstelle frei,
wo sich die Theologie einnisten könnte" (80f.). Aber es gibt
Gemeinsamkeiten. Auch die Theologie hat es mit dem Erinnern
von — nun freilich spezifischen — (Glaubens-) Erfahrungen
zu tun, „deren Mitte die Erfahrung von Gottes
heilsamer Gegenwart in der Welt ist" (77). Und: Wie Glück
„jenseits von Bedürfnis, Nutzen und Zweck" erfahren wird,
so schuldet die Theologie den Hinweis auf den überflüssigen,
„den je größeren und je neuen" Gott (80f.). Wie aber hängen
Glück und Heil dann zusammen?

In einem „bibeltheologischen Durchblick" (83—115) werden
alt- und neutestamentliche Motive, vor allem aber die Verkündigung
Jesu vom Reich Gottes dargestellt: „Reich Gottes
— das ist liebende Kommunikation aller mit allen so, daß
Gott ,alles in allem' ist" (97). Jesus verbürgt mit seiner Person
diese Verkündigung als „Imagination geglückten Lebens
" für alle Menschen.

Zusammenfassend werden strukturale und materiale
Analogien zwischen Glück und Heil aufgewiesen. Heil
(Gnade, Seligkeit) intendiert Glück, Glück wird transparent
auf Heil. Es gibt nur eine „formale" Differenz: „Heil ist
nichts anderes als Glück von Gott.. . Wenn in dieser Weise
christlicher Glaube die Möglichkeit ist, in dem vor Augen
Liegenden ,mehr' zu sehen ,als der Fall ist', dann muß der
Begriff ,Heil' als Überqualifikation des Begriffes ,Glück'
verstanden werden..." (120f.). Die christliche Gemeinde
wird zum Schluß des Buches aufgefordert, „Fundort und
Ausstrahlungspunkt von Glück und Heil", Symbol des
„Himmels auf Erden" zu sein, indem sie neue „Tugenden"
entwickelt.

Beim Lesen dieses geistvollen „Beitrages zur christlichen
Anthropologie", wie Röhrbein den Entwurf nennt, sind mir
einige Bedenken gekommen: Können heutige Glückserfahrungen
hinreichend mit dem Instrumentarium klassischer
philosophischer Argumentationsstrukturen erschlossen werden
? Die Frontstellung gegen Glück in der Dimension von
Arbeit und Leistung scheint mir von daher bestimmt zu
sein. Das Schwebende der phänomenologischen Darstellung
im ersten Teil ist mir auch zu schiedlich-friedlich auf die
theologische Interpretation hin angelegt. Dennoch ist hier
eine provozierende Anfrage gelungen.

Wittenberg Hansjürgen Schulz

Dannemann, Ulrich: Theologie und Politik im Denken Karl
Barths. München: Kaiser; Mainz: Matthias-Grünewald-
Verlag [1977]. 274 S. 8° = Gesellschaft und Theologie. Abt.:
Systematische Beiträge, 22. Kart. DM 32,-.

Der Arbeit liegt eine Bochumer theologische Dissertation
zu Grunde. Ihr Vf. (Jg. 1947) ist regelmäßiger Gast bei den
dem Erbe K. Barths gewidmeten jährlichen Leuenberg-Tagungen
(benannt nach dem Tagungsort, der schweizerischen
evangelischen Heimstätte [Akademie] Leuenberg bei Basel).