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Ausgabe:

1980

Spalte:

443-445

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Canivet, Pierre

Titel/Untertitel:

Le monachisme syrien selon Théodoret de Cyr 1980

Rezensent:

Treu, Kurt

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443

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

444

Canivet, Pierre: Le Monachisme Syrien selon de Theodore!
de Cyr. Paris: £ditions Beauchesne [1977]. 317 S. 8° = Theologie
Historique, 42. ffr. 72,-.

Theodoret de Cyr: Histoire des Moines de Syrie. I: „Histoire
Philothee" I—XIII. Introduction, Texte critique, Traduc-
tion, Notes. Par P. Canivet et A. Leroy-Molinghen. 513 S.,
1 Falttaf. II: „Histoire Philothee" XIV-XXX. Traite sur
la Charite (XXXI). Texte critique, Traduction, Notes, Index
. Par O. Canivet et A. Leroy-Molinghen. 468 S. Paris:
Les Editions du Cerf 1977/79 8° = Sources Chretiennes.
234/257.

Canivet, als Hrsg. von Theodorets „Therapeutik der hellenischen
Krankheiten" bekannt und bewährt, läßt zwei
Jahrzehnte später in der gleichen Reihe, nunmehr in Verbindung
mit Alice Leroy-Molinghen. die Mönchsgeschichte
des Bischofs von Kyrrhos folgen. Wie er 1958 der Edition
eine Monographie zur Seite stellte (Histoire d'une Entreprise
apologetique au Ve siecle), so ist auch dieses Mal aus der
ursprünglich nur als Einleitung zur Ausgabe gedachten
Darstellung ein selbständiges Buch geworden. Man kann es
mit Gewinn für sich lesen, aber seinen vollen Ertrag bietet
es erst in Verbindung mit der Textausgabe, die ihrerseits
laufend auf „MST" verweist, wobei die Gliederung und
Zitierweise nach Paragraphen es ermöglicht, daß sich die zu
gleicher Zeit in verschiedenen Verlagen erschienenen Werke
wechselseitig aufeinander beziehen. So ist es auch sinnvoll,
das Triptychon gemeinsam zu besprechen. Mancher Leser
wird wie der Rez. sich zunächst aus der Monographie einen
allgemeinen Überblick verschaffen, dann den Text studieren
und zuletzt erneut und mit größerem Verständnis die Zusammenfassung
vornehmen.

Im Unterschied etwa zum ägyptischen Mönchtum, das,
angefangen von der Vita Antonii des Athanasios, zahlreiche
Darsteller gefunden hat, beruht unsere Kenntnis der syrischen
Mönche im wesentlichen auf der Historia religiosa des
Theodoret. So ist es berechtigt, im Titel der Monographie
„Das syrische Mönchtum" betont an den Anfang zu stellen,
zumal Theodoret als gewichtiger Zeuge aus unmittelbarer
Kenntnis der Personen, Orte und Dinge und in einer einnehmenden
Verbindung von beeindrucktem Engagement
und real denkender Zurückhaltung schreibt. Zumindest die
Ortskenntnis hat sich auch C. durch mehrere Forschungsreisen
und Ausgrabungsunternehmen verschafft. So sind die
Gesamt- und Teilkartenskizzen von Nordsyrien, die der
Monographie vorangestellt sind, mehr als nur Orientierungshilfen
für den ortsunkundigen Leser. Die Kenntnis der
Natur des Landes und seines Klimas kommt der Würdigung
der physischen Leistung der Asketen zugute, die z. T.
dauernd unter freiem Himmel lebten. Aus der Kenntnis
von Stätten, die für die heutige islamische Bevölkerung religiöse
Bedeutung haben, ergaben sich Rückschlüsse auf
frühere christliche Traditionen, wie die Asketen ihrerseits
sich gern an Plätzen etablierten, die vorchristliche Kultstätten
waren, um so die „Dämonen" herauszufordern und zu
überwinden. Aus heutigen Ortsnamen ergaben sich Anhaltspunkte
für frühere Namensformen, und wenn auch manche
der von Theodoret genannten Orte nicht genau zu lokalisieren
sind, so hat die Verbindung von archäologischer
und philologischer Arbeit doch Ergebnisse gebracht, die den
Schreibtischphilologen beeindrucken.

Die Monographie ist methodisch konsequent aufgebaut,
ihre Gliederung aus der detaillierten Inhaltsübersicht bequem
abzulesen. C. stellt zunächst die Philotheos Historia
in den Rahmen des Gesamtwerkes Theodorets und bekräftigt
die Datierung auf das Jahr 444. Eine Skizze des Lebensweges
des Autors betont seine frühe Bindung zum Mönchtum
, die er auch als Bischof pflegte, und seine solide klassische
Bildung, die in Sprache und Stil seines Werkes ihren
Niederschlag findet. Wenn er als Bischof die jungen Leute
seiner Diözese einem heidnischen Professor anvertraut, so
schließt C. daraus, daß er seine eigene Studienzeit in guter

Erinnerung hatte. Es muß bei der allgemeinen Vermutung
bleiben, daß er die in der griechischen Oberschicht übliche
Schulung erhielt, da konkrete Zeugnisse fehlen. Die Mönchsgeschichte
ist bewußt jedenfalls auch als literarisches Werk
gestaltet. Theodoret nimmt Rücksicht auf die Fassungskraft
seiner Leser, insbesondere auch bei möglicherweise unglaubhaften
Berichten, und behält seine apologetische und
erbauliche Intention stets im Auge. Gerade für die Gebildeten
waren die Auswüchse der Askese ein Anstoß, und ihnen
versucht der selbst gebildete Autor das Mönchtum nahezubringen
.

Ein eigenes Kapitel (4) gilt dem Nachweis, daß die Abhandlung
„Über die Liebe" als Epilog der Mönchsgeschichte
geschrieben ist, wozu sich C. schon früher geäußert hatte. Sie
ist in der Mehrzahl der Hss. erhalten und erscheint also
auch in der Ausgabe. Kap. 5 stellt die Quellen für Theodorets
Informationen zusammen, der selbst seine Autopsie betont.
Ein Teil der Asketen, über die er schreibt, ist noch am Leben
, und als Bischof fand er Zugang zu Reklusen, die sonst
Kontakte scheuten. Von Wundertaten berichtet er meist aus
zweiter Hand und insgesamt mit vorsichtiger Zurückhaltung
, wenn man den in dem Genre sonst üblichen Tenor vergleicht
(Kap. 6). Die nächsten Kapitel behandeln zeitliche
Entwicklung und räumliche Verbreitung des syrischen
Mönchtums (7), seine Organisation (8) und die soziale Herkunft
und den Bildungsstand der Mönche (9), von denen
Theodoret häufig erwähnt, daß sie nur syrisch sprechen. Den
Schluß (10) bildet die Spiritualität des Mönchtums. bei der
es dem Autor darauf ankommt, daß heroische asketische
Leistungen nicht Selbstzweck sind, sondern auch missionarisch
wirken, und daß die Mönche sich der kirchlichen Ordnung
einfügen. Die Conclusion unterstreicht noch einmal die
besondere Physiognomie des Werkes, das das Andenken an
eine große Zahl von Asketen bewahrt, von denen sonst nur
wenige wie etwa Symeon der Stylit im Gedächtnis der
Kirche fortgelebt hätten.

Ist die Monographie Werk von C. allein, so ist die Textausgabe
eine Gemeinschaftsleistung. Von C. stammen der
1. Teil der Einleitung (ein Resume der Monographie), Übersetzung
, Anmerkungen, Edition des Epilogs, Register. Kritischer
Text und Apparat sind das Werk von Alice Leroy-
Molinghen (Brüssel), die sich ebenfalls seit vielen Jahren
mit Theodoret beschäftigt. Von ihr stammt auch der 2. Teil
der Einleitung mit der Textgeschichte. Sie konnte 42 Hss. des
griechischen Textes vom 9. bis 19. Jh. nachweisen, dazu weitere
mit Auszügen sowie Übersetzungen ins Syrische, Georgische
und Arabische, die allerdings, trotz z. T. alter Hss.,
für die Edition unergiebig waren. Der Text beruht auf
16 Hss., die im Original oder am Mikrofilm kollationiert
wurden und zu einem Stemma führten, in das die übrigen
nach Probekollationen eingegliedert wurden. Da das Buch
beliebt war, ist es nicht verwunderlich, daß sich Veränderungen
und Interpolationen ergeben haben, denen L.-M.
recht intensiv nachgegangen ist. Die Textgestaltung ergibt
sich nicht automatisch aus dem Stemma. L.-M. bekennt sich
zu einer Art wohlüberlegtem Eklektizismus, gesteht dabei
aber ein, daß es Fälle gibt, wo die Entscheidung willkürlich
bleibt bzw. ein gründlicheres Studium von Sprache und Stil
des Autors erfordert hätte, als es ihr möglich war. In den
Fällen, wo man anderer Meinung sein kann, bietet der Apparat
Material für eine mögliche Alternative. Sie sind weder
so zahlreich noch so gewichtig, daß sie hier vorgeführt werden
müßten.

In einer Zeit, die immer lauter nach Übersetzungen griechischer
Texte verlangt, liest man die Übertragung mit besonderer
Aufmerksamkeit. Der hohe Stil Theodorets macht
es seinem Übersetzer nicht leicht. Wenn er z. B. in der Einleitung
der Vita des Romanos (XI) den Namen der Stadt
Antiocheia in drei verschiedenen Formen wiedergibt, so ist
das eine gesuchte stilistische Variatio, der die Übersetzung
nicht folgen kann. So nimmt sie mit Recht eine gewisse Freiheit
in Anspruch, wobei vereinzelt offen bleibt, wie der Interpret
den Wortlaut verstanden hat. Insgesamt liest sie