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Ausgabe:

1980

Spalte:

441-442

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Betz, Johannes

Titel/Untertitel:

Eucharistie in der Schrift und Patristik 1980

Rezensent:

Andersen, William

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

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tielle Basis noch vor dem wissenschaftlichen Werk des Theologen
und bildet zugleich dessen Überhöhung in die Praxis
des Christen heute." (175). N. möchte „die moderne Theorie-
Praxis-Problematik an konkreten Beispielen" aufzeigen und
erhellen (17). Aber gerade an diesem Punkt bleibt er —
ähnlich wie in seiner Dissertation — merkwürdig unkonkret
und blaß.

N. entdeckt H.s wachsenden Einfluß „im politischen, kulturellen
und wissenschaftlichen Bereich" während des
I- Weltkrieges und in seinem letzten Lebensjahrzehnt und
stellt die interessante These auf, daß dies „seine Art, Mission
zu treiben" gewesen sei (180). Doch geht er über die bloße
Peststellung dieser Beobachtung nicht hinaus. Am Ende der
Untersuchung wird der Leser mit einem unverbindlichen
„Vielleicht" verabschiedet: „Vielleicht lebte Harnack so
den universalen Anspruch des Evangeliums ... überzeugender
und wirksamer als viele seiner jüngeren Zeitgenossen".
Ja, vielleicht? Vielleicht aber auch nicht.

Ein wenig enttäuscht legt man ein Buch aus der Hand, das
man bis zuletzt mit Interesse und Gewinn liest. Recht hat
er, der Vf., daß die historische Erarbeitung der „Fälle Har-
nacks" mehr darstellt „als einen interessanten Beitrag zur
.chronique scandaleuse' der Theologiegeschichte". Hier wird
in der Tat gestritten „um die positive Gestalt christlicher
Botschaft und christlichen Glaubens angesichts der geforderten
Lösung der Hauptprobleme unseres Lebens in der
modernen Welt" (14). Doch gelingt es N. — entgegen seiner
erklärten Absicht — leider nicht, ..die moderne Theorie-
Praxis-Problematik an konkreten Beispielen" zu erhellen,
weil bis zum Schluß bei ihm nicht klar wird, worin die
..Hauptprobleme unseres Lebens" bestehen und wie der
Begriff „moderne Welt" zu entschlüsseln ist. Hinweise auf
eine „Welt der Maschinen und der Technik" oder auf die
..Notwendigkeit einer Begegnung und Auseinandersetzung
zwischen neuzeitlicher Wissenschaft und christlichem Glauben
" (173) erweisen sich als unbrauchbare Werkzeuge dazu
und mit der Aufzählung von: „Generationskonflikt — Bildungskonflikt
— Überzeugungskonflikt —Lebens- und Orientierungskonflikt
" (35) ist in diesem Zusammenhang wenig
oder nichts gesagt.

Bei aller Freude über die faktenreiche, historisch belehrende
, viele Aspekte Harnackscher Theologie ansprechende
zweite Untersuchung N.s, muß auch diesmal konstatiert
werden: Neufelds Harnack besitzt — trotz Erwähnung des
Evangelisch-Sozialen Kongresses, der Kaiser-Wilhelm-Ge-
sellschaft, seiner Stellungnahmen im und zum I.Weltkrieg
— bedauerlich wenig gesellschaftliche Relevanz.

Berlin Carl-Jürgen Kaltenborn

Dogmen- und Theologiegeschichte

Betz, Johannes: Eucharistie. In der Schrift und in der Pa-
tristik. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1979. V, 159 S.
gr. 8° = Handbuch der Dogmengeschichte, hrsg. von M.
Schmaus, A. Grillmeier, S. J., L. Scheffczyk und M. Sey-
bold. IV. Bd.. Fase. 4a. Kart. DM 56,-.

Der bereits 1963 veröffentlichte zweite Teil der Eucharistielehre
, der Mittelalter und Neuzeit behandelt, wird nach
Erscheinen des nun vorgelegten ersten Teils wohl bald
ergänzt oder durch eine Neufassung ersetzt werden. Er ist
in der Größenordnung nicht entsprechend (knapp halber
Umfang) und konnte weder das Vaticanum II, noch die intensive
ökumenische Diskussion der neuesten Zeit über das
Verständnis des Abendmahls, an der sich die katholische
Kirche auch zunehmend offiziell beteiligt, berücksichtigen.

Dafür wird die Arbeit von J. Betz Gewicht haben, die
sich — verglichen mit der Behandlung anderer dogmatischer
Themen — relativ ausführlich mit dem NT befaßt
(1. Kap.) und mit der Darstellung der Eucharistielehre der
griechischen Patristik (2. Kap.) und der griechischen Väter

(3. Kap.) die katholische Lehre als in ihren Grundzügen
schon festgelegt und ausgeprägt darzustellen versucht. Er
beschließt seine Arbeit darum nicht von ungefähr mit dem
Satz: „Die Eucharistielehre der Väter, der lateinischen und
mehr noch der griechischen, stellt in jedem Fall eine respektable
theologische Leistung dar, die bleibende Bedeutung
behält." (159).

Die ausführliche Erwähnung und Benutzung nichtkatholischer
Literatur, bes. im l.Kap., zeigt die geistige Aufgeschlossenheit
, mit der J. Betz seine Arbeit aufnimmt. Ausgangspunkt
ist das NT, auch wenn es den technischen Terminus
„Eucharistie" noch nicht kennt. Aber hier stoßen
wir auf ..die Sache, nämlich das aus einem Brotbrechen und
einer Becherdarreichung bestehende, auf Jesu Person bezogene
Kultmahl der Christen, das kein Analogon im Judentum
und Heidentum hat" (1).

J. Betz sieht seine Aufgabe nicht darin, die gesamten
Fragestellungen und die verschiedenen — mehr oder weniger
sicheren — Forschungsergebnisse darzustellen. Er erweist
sich als einer, der gut informiert ist und bei entscheidenden
Problemen auch Stellung bezieht. Genannt seien nur seine
Argumente für den Ursprung des Abendmahls im historischen
Jesus (vgl. 14ff.).

Schwer bestreitbar ist die für J. Betz wichtige zusammenfassende
Feststellung: ..Das Abendmahl steht von Anfang an
im Mittelpunkt der Gemeinde... es regte zu dauernden
Reflexionen an und es kam schon früh zu einer liturgischen
und dogmatischen Entfaltung und Ausgestaltung der Feier"
(s. 26). Sachlich von Gewicht ist die vermutlich schon früh
eingetretene Trennung des Sättigungsmahles von dem sakramentalen
Mahl und dessen enge Verknüpfung mit dem
sonntäglichen Gottesdienst.

Die sachlich zutreffende Feststellung von J. Betz, daß die
sprachliche Benennung des Herrenmahls als Eucharistie sehr
früh einsetzte und ein erster Schritt der dogmatischen Entwicklung
war. leitet das 2. Kap. ein und bestimmt seine
und die Thematik des 3. Kapitels. Aus einer unbestreitbaren
Sachkenntnis heraus wird der Leser mit den Positionen der
wichtigsten Theologen und der kirchlich-liturgischen Gegebenheiten
der griechischen und lateinischen Patristik bekannt
gemacht. Er erhält eine gründliche Information bis
um das Jahr 800.

Nun darf von protestantischer Seite aber nicht verschwiegen
werden, daß mit dieser Sprachregelung erhebliche sachliche
Konsequenzen verbunden sind. Es ist offenkundig, daß
die Reformation den Eucharistiebegriff aus der Abendmahlsdiskussion
herauszuhalten versuchte. Er kommt im
gesamten Konkordienbuch nur in Apol. XXIV vor. Dort
wird in der Abwehr der Meinung, als ob ..man durch Messe
halten ex opere operato Vergebung der Sünde erlange",
auf die Redeweise der Väter von der Messe als Eucharistie
hingewiesen. Aber das geschieht eindeutig mit der Absicht,
von daher keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen.
Nachdenkenswert und aktuell ist das, was Melanchthon im
Anschluß daran über den Umgang mit Begriffen in der
Theologie sagt, ob diese nun der hebräischen, griechischen
oder lateinischen Sprache entstammen.

Es ist unbestreitbar, daß Begriffe wie Messe, Eucharistie
auf protestantischer Seite nicht mehr allgemein negative
Emotionen auslösen. Aber es dient gewiß nicht der Klärung,
wenn das EKL bei dem Stichwort „Eucharistie" lediglich
auf Abendmahl verweist.

Hier muß in einer sorgfältigen kontroverstheologischen
Grundlagenbesinnung an der Sache, und das heißt konkret,
am Verständnis der jeweils in Dienst genommenen oder
beiseite gestellten Begriffe gearbeitet weiden. Auf diesem
Gebiet ist in der Gesamtökumene und speziell zwischen römisch
-katholischen und lutherischen Theologen in jüngster
Zeit einiges geschehen. Das ist der konkrete Grund für die
sachliche Notwendigkeit, den Fasz. 4b von 1963 über
Eucharistie in Mittelalter und Neuzeit zu ergänzen und zu
überarbeiten.

Neuendettelsau Wilhelm Andersen