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Ausgabe:

1980

Spalte:

423-428

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schenke, Hans-Martin

Titel/Untertitel:

Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments 1980

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

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Den dritten Teil des Bandes eröffnet G. I. Langmuir
mit seiner Studie ,L'absence d'accusation de meutre rituel
ä l'ouest du Rhone' (235—249), in der er nachzuweisen sucht,
daß im Süden die sonst so intensiv im Volk vorhandene
Judenfeindschaft fehlte. Nur ganz vereinzelt erhoben Geistliche
die Beschuldigung gegen die Juden, einen Christen gekreuzigt
zu haben. Folgen hatte sie in der Regel für die
Juden keine. Im übrigen Europa hingegen war im Volk eine
tiefe Angst vor Christen schlachtenden Juden verwurzelt
und die häufigen Beschuldigungen lösten jedesmal furchtbare
Pogrome aus. R. Mansellis Beitrag ,La polemique
contre les Juifs dans la polemique antiheretique' (235—249)
zeigt, daß den Juden wie den Häretikern das wörtliche Verständnis
des Alten Testaments vorgeworfen wurde. M.-H.
V i c a i r e, , „Contra Judaeos" meridionaux au debut du
Xllle siecle. Alain de Lille, Evrard de Bethune, Guillaume
de Bourges' (269—293, mit Textauszügen im Appendix) und
B. Blumenkranz, ,Ecriture et image dans la polemique
antijuive de Matfre Ermengaud' (295—317) dokumentieren
das erstaunlich wenig gehässige Klima, in dem gegen die
Juden polemisiert wurde. Noch deutlicher kommt es im
Werk Ramon Lulls zum Ausdruck, dem R. Sugranyes
de Franch den Beitrag ,Le „Livre du gentil et des trois
sages" de Raymond Lulle' (319—335) widmet. In die gleiche
Richtung weist J. Shatzmillers Studie ,Contacts et
echanges entre savants juifs et chretiens ä Montpellier vers
1300' (337-344). S. Shahar versucht, meiner Ansicht
durchaus überzeugend, zu beweisen, daß die übliche Auffassung
, es gäbe keine Beeinflussung zwischen Juden und
Katharern, zu revidieren sei. Sie kann einiges an Beweisen
dafür erbringen, daß die Katharer keineswegs geschlossen
das Alte Testament ablehnten, und ebensowenig jede Beziehung
zwischen ihnen und Juden auszuschließen sei. Sie
versucht schließlich, auch Einflüsse der Katharer auf die
jüdische Mystik nachzuweisen: ,Ecrits cathares et commen-
taires d'Abraham Abulafia sur le „Livre de la creation":
images et idees communes' (345—362). Das Buch schließt
mit D. Romanos Artikel ,La transmission des sciences
arabes par les Juifs en Languedoc' (363—386) ab, der das an
sich bekannte Faktum dokumentiert, wie bedeutsam die
Juden für das christliche Abendland waren, weil sie durch
ihre Übersetzungen die Werke spätplatonischer und arabischer
Philosophen, Wissenschaftler und Ärzte den Christen
zugänglich machten.

Somit bietet das vorliegende Werk einen vielfältigen Einblick
in das Leben der Juden der Languedoc bis zu ihrer
Vertreibung, zeigt aber auch, daß es im Mittelalter zu einem
gewissen Maß von friedlichem Zusammenleben von Juden
und Christen kommen konnte.

Wien Brigitte Stemberger

Grabbe, L. L.: The Jannes/Jambres Tradition in Targum
Pseudo-Jonatan and its Date (JBL 98, 1979 S. 393-401).

Vanderkam, J. C.: The Origin, Character, and Early History
of the 364-Day Calendar: A Reassessment of Jaubert's
Hypotheses (CBQ 41, 1979 S. 390-412).

Neues Testament

Schenke, Hans-Martin, u. Karl Martin Fischer, unter Mitarb.
v. H.-G. Bethge u. G. Schenke: Einleitung in die
Schriften des Neuen Testaments. I: Die Briefe des Paulus
und Schriften des Paulinismus. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1978]. 267 S. 8°. (zugleich Lizenzausgabe Gütersloher
Verlagshaus G. Mohn, Gütersloh).

Dem Vorwort zufolge lag das (Vorlesungs-) Manuskript
der hier anzuzeigenden Einleitung bereits 1970 abgeschlossen
vor. Dessen Aufarbeitung für den Druck des vorliegenden
ersten Teilbandes war im Frühjahr 1976 (Datum des
Vorwortes) beendet; das Buch erschien 1978. Diese lange

Bearbeitungszeit drückt dem Buch deutlich ihren Stempel
auf, zumal auch die Literatur von 1970—1976 im allgemeinen
nicht mehr verarbeitet wurde, sondern nur nachtragsartig
referiert wird.

Nun denkt Schenke an eine einigermaßen vollständige
Bearbeitung der Literatur — vernünftigerweise — ohnedies
nicht. Er ist sich auch darüber im klaren, daß „die wesentlichen
und für die Einleitungswissenschaft relevanten
Erkenntnisse in Einleitungen normalerweise nur gesammelt
, aber nicht gewonnen werden, die Gewinnung sich
vielmehr in Spezialuntersuchungen vollzieht" (20). Diese
richtige Beobachtung deckt freilich eine ,Alterserscheinung'
der Einleitungswissenschaft auf, die vor allem durch die
wachsende Fülle der Probleme und Ergebnisse verursacht
wurde, und die das klassische Fach .Einleitung' überhaupt
diskreditiert.

Schenke stellt sich der damit gegebenen Schwierigkeit,
indem er sich einerseits auf bestimmte Probleme konzentriert
— bei den echten Paulusbriefen sind es die Literar-
kritik und die Frage nach dem Anlaß (den Gegnern) —,
andererseits bei der Behandlung der einzelnen Briefe in
einer bemerkenswert unkonventionellen Weise verfährt.
Nach einem in der Sache meist unproblematischen Abschnitt
über die Empfänger legt er unter den Stichworten ,Literar-
kritik' sowie ,Anlaß und Zweck' die eigene Ansicht zu diesen
wichtigsten Problemkreisen dar, u. zw. mit meist nur
spärlicher exegetischer Begründung und ohne nennenswerte
Auseinandersetzung mit der Literatur. Danach konzediert
Schenke dem Leser: „Es bleiben viele Fragen; es bleibt
überhaupt das meiste undurchsichtig" (116). Ein unterschiedlich
überschriebener abschließender Abschnitt (.Andere
Auffassungen', .Die Problematik', .Die Hauptprobleme
') referiert, diskutiert und kritisiert darum andere
Lösungen der angesprochenen Probleme und relativiert dabei
gelegentlich ausdrücklich die eigene Position.

Dieses Vorgehen, für eine einführende Vorlesung, deren
Stil leider manchmal über Gebühr beibehalten wird, sehr
angemessen, befriedigt in einer gedruckten Einleitung zwar
weniger, reflektiert aber ehrlich, was in einer Einleitung
heute noch möglich ist, und verdient den Vorzug vor dem
Verfahren anderer, exegetische Begründungen durch dekretierende
Behauptungen zu ersetzen. Es befremdet freilich,
daß der Vf. gelegentlich seine methodisch wohlbegründete
Selbstbescheidung aufgibt und an für seine eigenen Thesen
neuralgischen Punkten andere Meinungen mehr emotional
als sachlich informierend und schlüssig argumentierend zurückweist
(z. B. 104f).

Nach einer Einführung in die Aufgaben einer ,Einleitung'
(§ 1) handelt § 2 über die Gattung .Brief im NT. Dabei wird
der Leser bereits nachdrücklich mit der Auffassung des Vf.
bekannt gemacht, daß „die sogenannten echten Paulusbriefe
weithin auf deuteropaulinischer Redaktion beruhen" (26).
§ 3 gibt einen Abriß des Lebens und der Chronologie des
Paulus, der im allgemeinen — einleuchtend — dem herrschenden
Konsensus folgt.

Allerdings wird zugleich die Frage nach den Gegnern des
Paulus in den Blick des Lesers gerückt. Man kann es nur
begrüßen, daß Schenke aus exegetischen Gründen zu der
Einschätzung kommt, „daß alle diese Gegner zu ein und
derselben Front gehören" (47). Bei diesen Gegnern, „die
Paulus immer wieder in seinen Briefen mit letztem Ernst
als Feinde des Evangeliums bekämpft und für die offenbar
umgekehrt Paulus der Feind schlechthin ist" (46), handelt
es sich um die „offizielle Kirche", nämlich um ein Arrangement
der Gemeinden Jerusalems und Antiochiens gegen den
Einzelgänger Paulus, das vor allem durch das .Aposteldekret
' dokumentiert wird (43ff. 82ff).

So begrüßenswert aus heuristischen Gründen der Versuch
ist, die Baurschen Thesen zu wiederholen, so anachronistisch
ist er, zumal die traditionsgeschichtliche Erforschung der
Paulusbriefe inzwischen gezeigt hat, wie sehr Paulus in der
Einheit der Überlieferung nicht nur stehen wollte, sondern