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Ausgabe: | 1980 |
Kategorie: | Bibelwissenschaft |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6
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dem Kloster Herne in der Nähe von Brüssel angefertigt
hatte. Diese in zahlreichen Hss. überlieferte mittelniederländische
Ubersetzung bildet nun auch den Grundstock zu
der geplanten Neuausgabe der Gesamtbibel. Auf diese
Weise wird der Text der Bibel zu einem großen Teil sowohl
in seiner handschriftlichen Überlieferung wie als Druckwerk
zugänglich sein.
Die ersten drei Bände dieser Ausgabe umfassen das Alte,
der vierte wird das Neue Testament umfassen. Der erste
Band enthält im einzelnen noch keine Angaben darüber,
wie die sowohl in der handschriftlichen Überlieferung des
anonymen Übersetzers von Herne wie die in dem Delfter
Bibeldruck bestehenden Lücken geschlossen werden sollen.
Der im ersten Band enthaltene Abschnitt Genesis bis IV. Könige
beruht allerdings auf einer einheitlichen Textgrundlage
. Die Übersetzung geht auf die Tradition der mittelalterlichen
Historienbibeln zurück, deren lateinische Vorlage
die Historia Scholastica des Petrus Comestor darstellt.
Diese sog. Erste Historienbibel, die in der Zeit zwischen
1360 und 1384 vermutlich in Herne entstand, weicht jedoch
von ihrer Vorlage und anderen mittelniederländischen
Übersetzungen darin ab, daß sie den eigentlichen Bibeltext
von den sonstigen historischen Überlieferungen trennt. Die
beigegebenen Tafeln vermitteln ein anschauliches Bild der
ursprünglichen Textanordnung. Die historischen Zusätze,
die etwa ein Drittel des gesamten Textes ausmachen, sind in
die vorliegende Ausgabe nicht aufgenommen. Sie waren
auch in dem Delfter Bibeldruck von 1477 eliminiert worden.
Aufgenommen sind jedoch glossenartige Wort- und Sacherklärungen
sowie kleinere kommentierende Zusätze, die im
Kleindruck vom Bibeltext abgehoben werden. Wenn damit
auch eine gewisse Modifizierung des Grundsatzes vorgenommen
wird, die überlieferten Hss. in ihrem originalen
Inhalt abzudrucken, so ist die vorgenommene Regelung dennoch
zu begrüßen, da sie die Handhabung und Auswertung
in größeren Zusammenhängen erleichtert.
Die aus der reichen Überlieferung ausgewählte und abgedruckte
Hs. ist in der Zeit von 1460—1462 geschrieben worden
, etwa 80 Jahre nach der Entstehung der Übersetzung.
Die Hs. stammt aus einem Kloster in Hasselt und läßt in
ihrer Sprachform limburgische Einflüsse auf das ostflä-
misch-westbrabantische Original erkennen. Es sind allerdings
Fragmente und alttestamentliche Perikopen überliefert
, die aus der Gegend von Brüssel stammen, letztere
nachweisbar am Ende des 14. Jh. geschrieben. Diese in zeitliche
und räumliche Nähe des Originals reichenden Perikopen
sind an den entsprechenden Bibelstellen zum Vergleich
abgedruckt und zeigen durch ihre geringen Abweichungen,
daß die für die Neuausgabe gewählte Hs. dem Original
sprachlich noch sehr nahe steht. Der besondere Wert der
Edition liegt darin, daß gegenüber der Masse der überlieferten
Hss. aus den nördlichen Niederlanden und auch gegenüber
der Delfter Bibel hier eine südniederländische
Version abgedruckt wird, die dem Original nahekommt.
Der herausgegebene mittelniederländische Bibeltext vermittelt
einen Eindruck von der Höhe der Ubersetzungskunst,
die sich im 14. Jh. im Zusammenhang mit einer reichen
volkssprachlichen geistlichen Literatur in den südlichen
Niederlanden entfaltete. Die etwa zu gleicher Zeit im nord-
bai rischen Sprachgebiet entstandene Bibelübersetzung, die
1466 die Grundlage von Mentels erstem deutschen Bibeldruck
bildete, weist demgegenüber noch eine starke Bindung
an lateinische Satzkonstruktionen auf und wirkt daher im
Vergleich zu dieser niederländischen Übersetzung unbeholfen
und war auch für die Zeitgenossen an manchen Stellen
schwer verständlich. Es ist darauf hingewiesen worden, daß
die mittelniederländische Evangelienharmonie aus dem Anfang
des 14. Jh., das sog. Leven van Jezus, im Ausdruck und
in der volkssprachlichen Formung der Übersetzung schon auf
die Bibelübersetzung Luthers hindeutet. Es darf daher als
ein besonderes Ereignis für die Geschichte der Bibelübersetzung
angesehen werden, wenn nunmehr eineGesamtbibe!
erscheint, deren Übersetzung größtenteils in das 14. Jh. zurückreicht
und die in ihrem sprachlichen Ausdruck einen
hohen Grad an Vollkommenheit erreicht hat.
Gerhard Ising t
Bartha, Tibor jr.: Die Herrlichkeit in der Offenbarung Gottes
(ThBeitr 10, 1979 S. 250-259).
Goerl, O. A.: A palavra impressa (IgLu 38, 1978 S. 119 -126).
Hennig, Gerhard: Zur Revision der Luther-Übersetzung des
Neuen Testaments („Luther-NT '75") (ThBeitr 10 1979
S. 260-272).
Rottmann, Johannes H: Pastor - Rebanho (IgLu 38, 1978
S. 99-114).
Altes Testament
Schmidt, Werner H.: Exodus. 2. Lfg. Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins [19771. S. 81
bis 160 gr. 8° = Biblischer Kommentar — Altes Testament,
II, 2.
Die zweite Lieferung dieses Kommentars, dessen erste in
ThLZ 102, 1977 Sp. 250-254 ausführlich besprochen wurde,
umfaßt im wesentlichen die Kommentierung von Ex 2,11—25
(S. 81-99, dazu in Lfg. 1 die Seiten 77-80) sowie die literar-
kritische, überlieferungs- und redaktionsgeschichtlichc Analyse
von Ex 3 (S. 100—153, es folgt noch die Einzelexegese zu
V. 1-7 auf S. 153-160). Die Gesamtanlage entspricht der
der ersten Lieferung. Zur literarischen Analyse ist zu bemerken
, daß der Vf. in Ex 3 (S. 135—144) mit gezielten redaktionellen
Eingriffen rechnet, die teils durch Sprache und
Thematik des Deuteronorniums bestimmt sind (Horeb in
V. 1, geprägte Wendungen zur Charakterisierung des verheißenen
Landes in V. 8.17), teils das weitere Exodusgeschehen
vorwegnehmen (V. 18—22; der Verklammerung der
Fassung von J und E dient V. 15). Auf einen redaktionellen
Eingriff ist auch die Versetzung des ursprünglich vor 4.19
stehenden Versteils 2,23aa (J) zurückzuführen (S. 88f.). Im
übrigen wird der Text beider Stücke auf die Quellenschriften
J, E und P verteilt, wie dies im wesentlichen bereits in
der bisherigen Forschung der Fall war. Wie schon in der
ersten Lieferung, geht es dem Vf. aber auch hier darum, die
Vorgeschichte der Stücke, d. h. das vorliterarische Stadium,
genauer zu erfassen. In Ex 2,11—22 sind zwei Erzählungen
(V. 11—14 und V. 15b/?—22) zusammengefaßt, die beide eine
gewisse Selbständigkeit haben und redaktionell (von J)
durch V. 15ab<x miteinander verbunden wurden (S. 81—90,
dazu S. 79 f. in Lfg. 1). Freilich handelt es sich bei beiden um
späte (vorliterarische) Überlieferungsbildungen, die dazu
dienen sollen, den Ubergang Moses von Ägypten zu den
Midianitern zu motivieren. Ein altes, historisch glaubhaftes
Überlieferungselement ist lediglich die Tatsache einer Verbindung
Moses mit den Midianitern als solche. Zu diesen
Ausführungen des Vf. ist nur anzumerken, daß sich erneut
die in ThLZ 102, 1977 Sp. 253 aufgeworfene Frage stellt, ob
derartige späte Überlieferungsbildungen wirklich noch im
strengen Sinne als vorliterarisch anzusehen sind. Anders
ist die Vorgeschichte von Ex 3. Hier findet sich nur innerhalb
des jahwistischen Quellenfadens eine alte, aus mündlicher
Überlieferung herrührende Erzählung (V. lbct.2b—4a.5,
S. 110—120). Sie wurde allerdings wohl erst sekundär mit
Mose und Jahwe verbunden und vielleicht deshalb von
israelitischer Seite übernommen, weil sie wie die Sinaiüberlieferung
im midianitischen Bereich beheimatet war. Der
übrige Text ist auf die Quellenautoren J und E selbst bzw.
auf Redaktoren (s. o.) zurückzuführen. Doch haben die
Quellenautoren ihrerseits alte Überlieferungselemente aufgenommen
, denen der Vf. gesondert nachgeht (144—153).
Hingewiesen sei hier nur auf seine Überlegungen zum Verhältnis
Jahwes zu den Vätergöttern (147—152). Er äußert
die Vermutung, daß bereits die Ägyptengruppe, die dann
das Schilfmeerwunder erlebte, eine Form des Vätergott-
glaubens kannte und Mose daran anknüpfen konnte, als er
die Hilfe des Gottes Jahwe verkündete. D. h. aber, daß mit