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Ausgabe:

1980

Spalte:

407-410

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Theologische Realenzyklopädie, Bd. III

Titel/Untertitel:

Anselm von Laon - Aristotelismus u. Register 1980

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 6

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ren in seiner geistigen Leistung konturiert vor Augen durch
die Erstedition seines letzten großen Werkes, das gegen
Melanchthons Apologie der Confessio Augustana gerichtet
ist. Usingen, während Luthers Studienzeit sein gern angenommener
und verehrter Lehrer, Augustiner, Philosoph
und Theologe, hatte Luthers Evangeliums- und Kirchenverständnis
wohl jahrelang geprüft, sich dabei abwartend
verhaltend. Seit 1523 jedoch ist sein erklärter Widerspruch
manifest, so daß er 1525 Erfurt den Rücken kehren mußte.

Die Kontroverse entzündete sich an den Programmschriften
Luthers aus dem Jahre 1520, besonders im Blick auf die
Sakramentenlehre. In dem hier edierten Spätwerk widerspricht
Usingen leidenschaftlich Melanchthons Feststellung,
daß Luther deshalb soviel Liebe entgegen gebracht wurde,
weil er viele gute Männer aus den Labyrinthen der überaus
verwirrenden und unendlichen Disputationen, die bei den
scholastischen Theologen üblich waren, herausgeführt habe.
Mißbräuche, so räumt Usingen dagegen ein, habe Luther
richtig eingeschätzt. Wäre er bei deren Charakteristik geblieben
, hätte er aus den katholischen Gelehrten viele
Freunde gewonnen (S. 490f). So spricht der engagierte Reformer
, der mit dem radikalen Widerspruch gegen die Kirchenlehre
nicht einverstanden ist.

Seit Usingens Würzburger Aufenthalt datieren seine unpolemisch
-systematischen Werke, durch die er derart hervortrat
, daß er seinen Ortsordinarius Konrad von Thüngen
zum Reichstag 1530 nach Augsburg begleiten und an der
Widerlegung der CA mitwirken durfte (S. XHIf; dazu bei
Immenkötter a. a. O., S. 19, 23, 128, 139, 152, 154, 189). Damals
war er bereits 65 Jahre alt. Seine theologischen Arbeiten
v/ährend des Reichstagsgeschehens haben ihn außerordentlich
beschäftigt. So wollte er die „Responsio" an die Bekenntnisschriftvorlage
der evangelischen Fürsten herausgeben
. Dieser Plan wurde allerdings nicht ausgeführt. Die
Reichstagserfahrung und sein confutatorisches Bemühen
flössen jedoch in starkem Maße ein in seine große Entgegnungsschrift
zu Melanchthons Apologie, die auf dem Reichstag
schon begonnen und dann im Frühjahr 1531 als Verteidigung
für die CA herausgebracht wurde.

Usingens Werk war dem Text nach jahrhundertelang
nicht bekannt. Der sächsische Theologe Cochläus hatte sich
lediglich kurz nach dem Tode des Verfassers am 9. September
1532 dafür eingesetzt, die Gegenschrift doch zu publizieren
. Bischof Konrad von Würzburg dachte ähnlich. Auch
diese Pläne scheiterten. Die „Responsio contra Apologiam"
geriet in Vergessenheit.

Erst 1974 wurde eine Handschrift in der National- und
Universitätsbibliothek zu Ljubljana (Slowenien) aufgefunden
. Simoniti gibt dem Leser durch Fotos die Möglichkeit,
sich von der sehr guten Abschrift der zwei Kanzlei Schreiber
zu überzeugen. Einband und Titel sind nicht erhalten, wohl
aber klare Hinweise, die die Identifizierung des Manuskriptes
einwandfrei erlauben. Als Schlußdatum für die Kopie
ist der 15. April 1533 angegeben, so daß geschlossen werden
kann, daß die Abschrift vom Original bald nach Fertigstellung
des Manuskripts erfolgt ist. Sicherlich sind die Kopien
mit dem Zweck der Drucklegung geschehen, die dann nicht
erfolgte. Simoniti vermutet, daß die Tatsache des Vorhandenseins
der Handschrift in Ljubljana daraus zu erklären
ist, daß ein Interesse der Bischöfe dieser Stadt daran bestand
, was „für die frühe Aufgeschlossenheit des slowenischen
Kulturraumes in der für die slowenische politische
und Geistesgeschichte so bedeutenden, ja entscheidenden
Reformationszeit" spräche (S. XVI).

Die Handschrift ist, vom Titelblatt abgesehen, vollständig.
Der Text selbst spricht dafür, daß nichts verloren ist. Er
schließt — wie fast alle Schriften Usingens — mit dem Satz,
der als sein Wahlspruch gelten darf: „Soli deo gloria et pax
Ecclesiae eius". Daß Usingen sein Werk nicht lange vor seinem
Tode noch hat vollenden können, ist daraus zu entnehmen
, daß ein sehr gut überlieferter Apologie-Text zum
Vergleich herangezogen werden kann. Melanchthon wird
voll zitiert und nach dem Brauch der Zeit von Artikel zu
Artikel zu widerlegen versucht. So ist sinnvollerweise in
dieser Erstausgabe der einzigen erhaltenen Handschrift Melanchthon
jeweils im Schema Apologie-Responsio — zur
besseren Verdeutlichung in unterschiedlicher Type — mit
abgedruckt.

Als Abfassungszeit der Responsio nimmt Simoniti die
Zeit zwischen September 1531 und Mitte 1532, als Abfassungsort
Würzburg an. So gehört Usingen zu den ersten
Verfassern altgläubiger Schriften gegen die Reformation
nach dem Augsburger Reichstag. Er ist der Auffassung —
so sieht es Simoniti —, daß CA und Apologie „eine nomi-
nalistische Position der Spätscholastik im Auge haben",
während „die Catholica responsio ... und die Confutatio ...
vorwiegend gegen die radikal überspitzten Thesen Luthers
und Melanchthons in den großen Kampfschriften aus der
Zeit vor 1522" (S. XX) zu Felde ziehen, so daß sich beide
Lager nicht recht eigentlich und angemessen zu Gesicht
bekommen und somit nicht ernst genommen hätten. Gegenseitiges
Mißtrauen und Täuschungsmanöver hätten die Verständigung
verhindert. Davon ist nun aber auch Usingen
selbst nicht frei. Er schöpft aus der Catholica responsio, an
deren Zustandekommen er beteiligt war, und aus Ecks 404
Artikeln sowie aus eigenen vorangegangenen Schriften, die
ihn als ausgesprochenen Nominalisten erkennen lassen.

Die Reformatoren, abgesehen von dem Text der Apologie
selbst, zitiert Usingen weniger exakt, aber die gute
Kenntnis des zeitgenössischen Schrifttums kann ihm wohl
bescheinigt werden. Der Rekurs auf selbstverfaßte Literatur
läßt noch mehr Annahmen der Beschäftigung mit Luther
zu als nachweisbar ist. So wird auf eine Confutation gegen
Luthers Schrift von der babylonischen Gefangenschaft der
Kirche abgehoben, die bisher nicht aufgefunden werden
konnte.

Ein sehr schöner Index scriptorum weist nicht nur die
Bibelstellen nach, sondern auch die Väterzitate, unter denen
Augustin, Hieronymus und Ambrosius am häufigsten begegnen
. Die längste Liste der Belegstellen findet sich unter
Luthers Namen, so daß der Leser zur Vergleichung buchstäblich
eingeladen wird (S. 696f).

Im Ganzen sind Usingens Begriffsbestimmungen „ganz
mittelalterlich" (S. XXIII), seine Sprache ist konservativ
und im Vergleich mit Melanchthon fast „barbarisch".

Simoniti hat durch seine sorgfältige Erstedition wieder
ein Stück weiter den Gedanken verdrängt, daß die römischkatholische
Theologie in der Reformationszeit nur ganz
unvollkommen greifbar sei. Wir haben durch das in sich
geschlossene nun leicht zugängliche Werk Usingens ein weiteres
Zeugnis vor uns, das die Prüfung zuläßt, wo die Gräben
zwischen den Reformatoren und ihren Gegnern im
16. Jahrhundert verliefen.

Allgemeines, Festschriften

Theologische Realenzyklopädie, hrsg. v. Gerhard Krause u.
Gerhard Müller. Bd. III: Anselm von Laon — Aristotelis-
mus u. Register. Berlin—New York: de Gruyter 1978. gr. 8°
Band III der TRE, im Zeitraum ungefähr eines Jahres erschienen
, enthält 29 Artikel, dazu 22 Verweisstichwörter.
62 Autoren sind beteiligt, außerdem 5 Übersetzer und 3 Registerbearbeiter
. Das zahlenmäßige Verhältnis von Artikeln
zu Autoren läßt erkennen, daß diesmal (ähnlich wie bei
Band I und im Unterschied zu Band II) wieder zahlreiche
Artikel mehrteilig angelegt und entsprechend auf mehrere
Autoren verteilt sind, und zwar nicht nur in den Fällen, wo
bereits die Formulierung dies erkennen läßt (Apokalyptik/
Apokalypsen; Apostel/Apostolat/Apostolizität). Vielmehr
können auch nichtzusammengesetzte Artikel mehrere Autoren
haben, z. B. Arbeit (8), Antisemitismus (6), Aristoteles