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Ausgabe:

1980

Spalte:

386-387

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Diakonie der Gemeinde 1980

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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385

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 5

386

Der 2. Teil des Büchleins bietet einen Beitrag über den
„Dienst der Kirche an den Fernstehenden" aus dem Jahr
1955 (zu unterstreichen sind die Sätze: „Sind die Fernen
wirklich so fern, wie wir meinen? Teilen wir Urteilenden
nicht in einer bestimmten Hinsicht ihre Position?" 106) und
eine sehr verständliche Auseinandersetzung mit der „Gottist
-tot"-Theologie („Welcher Gott ist tot?") mit lesenswerten
homiletischen Folgerungen („Lebendige Predigt über
Gott"). Eine Predigt und ein Sendungswort für Volksmissionare
schließt das Bändchen ab.

Immer wieder weist der Vf. auf humanwissenschaftliche
Erkenntnisse hin. Gelegentlich ist der Leser unsicher, wie
weit er sie selber ernst nimmt, wenn er einerseits schreibt:
„Selbstverständlich gehören hierher auch psychologische
oder gar psychotherapeutische Überlegungen und Bemühungen
" — um im selben Atemzug von „seelenkundlichen
Tricks" zu reden, die im Gegensatz zum „geistlichen Einsatz
" gesehen werden (114 f.). Mit seinen gehäuften „Soll",
„Muß" und „Darf nicht" hat mir der Beitrag über die „Fernstehenden
", aus dem dies Zitat genommen ist, selber Atemnot
verursacht.

Zu korrigieren ist ein sinnentstellender Druckfehler auf
S. 20: für „Kausalpredigt" ist „Kasualpredigt" zu lesen.

Hannover Hans-Christoph Piper

Kriegstein, Matthias von: Predigt als Gespräch. Pastoralpsychologische
und didaktische Reflexion von Predigten
und Gesprächsgottesdiensten. Stuttgart — Berlin — Köln —
Mainz: Kohlhammer [1979]. 168 S. 8° = Kohlhammer Urban
-Taschenbücher T-Reihe, 645. Kart. DM 14,-.

Mußner, Franz: Hören auf sein Wort. Verkündigung im Kirchenjahr
. Freiburg - Basel - Wien: Herder [1979]. 324 S.
8°. Kart. DM 29,80.

Steiger, Lothar: Ermutigungen. Predigten und Meditationen.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1979]. 113 S. gr. 8°.
Kart. DM 17,80.

Praktische Theologie: Seelsorge

Heimbrock, Hans-Günter: Phantasie und christlicher Glaube
. Zum Dialog zwischen Theologie und Psychoanalyse.
München: Kaiser; Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag
[1977]. 144 S. 8° = Gesellschaft und Theologie. Abt.: Praxis
der Kirche, 22. DM 17,80.

Hinter dem Haupttitel vermutet man zunächst wohl kaum
eine komprimierte Darstellung der psychoanalytischen Symboltheorie
in ihrer Bedeutung für die Hermeneutik religiöser
Vorstellungen. Das Buch, das mit einem kurzen
Vorwort von J. Scharfenberg versehen ist, geht auf eine
umfangreichere Duisburger Dissertation mit dem Titel „Religion
zwischen Illusion und Realität" zurück. Es stellt an
den Leser hohe Ansprüche, weil es die Kenntnis nicht nur
der Freudschen Metapsychologie voraussetzt, sondern auch
ihre Weiterentwicklung in der Ich-Psychologie (H. Hartmann
) und in der Narzißmusforschung (H. Kohut). Leider
gelingt es dem Vf. trotz didaktisch geschickten Aufbaus und
jeweils klarer Zusammenfassungen nicht immer, sich über
den engeren Kreis der Fachexperten hinaus allgemeinverständlich
auszudrücken. Der Rez. sieht sich nicht in der Lage,
nun seinerseits in Kürze eine einleuchtende Interpretation
der komplizierten psychoanalytischen Einsichten und Hypothesen
zu geben, die hier verarbeitet sind; wer mit ihnen
nicht vertraut ist, der wird manches in diesem Buch wahrscheinlich
für recht spekulativ und nicht nachprüfbar halten
.

Unter Verzicht auf kritische Einwände gegen die vom Vf.
referierten oder übernommenen Positionen, unter gewiß
vergröbernder Vereinfachung und unter Auslassung vieler
wichtiger Thesen der Arbeit sei versucht, wenigstens die
Hauptlinie der Ausführungen anzudeuten: Nach Freud stehen
die individuellen ebenso wie die kollektiven Phantasien
(Träume, Mythen, Religionen) im Dienste illusionärer
Wunscherfüllung, der Ersatzbefriedigung und der Realitätsflucht
, sie sind für ihn im Grunde infantile bzw. regressive
Formen der Weltbewältigung. Die positive, nämlich die
ich-stabilisierende und geradezu projektive, befreiende
Funktion der Phantasien erkannte man erst in späteren
Konzeptionen der Psychoanalyse (unter Rückgriff auf Ansätze
bei Freud selbst), besonders in der Deutung des sog.
Narzißmus. Im Verhältnis zu sich selbst entwickelt bzw.
übernimmt der Mensch Bilder, Vorstellungen und Symbole
, die durchaus nicht nur regressiv wirken, sondern seine
Reifung fördern und neue Kräfte oder Erkenntnisse freisetzen
.

Da die Psychoanalyse bestimmte kollektive Mythen, wie
z. B. die Sagen von ödipus oder Narzissus, zur Interpretation
individueller Imaginationen und Verhaltensweisen
verwendete, sollte die Theologie nach Meinung des Vf. „prüfen
, ob nicht in ähnlicher oder anderer Weise die Tradition
biblischer Vorstellungen so etwas wie Schlüsselsymbole für
private Phantasien und die in ihnen thematisierten Konflikte
bereithält" (921). Der Vf. gibt dafür im letzten (4.)
Teil seines Buches Beispiele aus dem Denken von Paul
Ricoeur und Jürgen Moltmann. Während in der Religionskritik
Freuds die Religion als Projektion unbewältigter
ödipaler Vaterkonflikte erscheint, soll es nun um eine „vor-
ödipale Religionspsychologie" gehen, d. h. um eine Hermeneutik
der Religion, die ihre Bedeutung für die Selbstwer-
dung des reifen Menschen aufweist. Wie das im einzelnen
aussehen kann, läßt sich nicht knapp schildern; man muß
es selbst lesen. Bei beiden, bei Ricoeur und bei Moltmann.
findet der Vf., daß an die Stelle des geliebten oder gehaßten
ödipalen Vater-Idols das Symbol des ohnmächtigen Gottes
am Kreuz getreten sei. Was hat das aber mit dem Narzißmusproblem
zu tun? Hören wir den Vf. wörtlich: „Indem
Gott am Kreuz auf alle Allmacht verzichtet, die Niedrigkeit
des ohnmächtig Leidenden übernimmt, befreit er den Glauben
vom Zwang, das schwache Selbst durch ein omnipotentes
Selbst-Ideal stabilisieren zu müssen. ... Die realistische
Annahme der eigenen Endlichkeit und der Verzicht auf
omnipotente Selbst-Ideale kann ... mit Kohut als ein entscheidendes
Merkmal des gestalteten Narzißmus angesehen
werden." (126).

Die Integration psychoanalytischer und theologischer
Deutungen ist hier weitgehend vollzogen und in den angeführten
Beispielen sicherlich plausibel. Ob es damit auch zu
einer Synthese in der Anthropologie kommt, wird aber
weiterhin zu bezweifeln sein. Der Vf. redet nur von „Strukturanalogien
" in der beiderseitigen Hermeneutik und will
darüber offenbar nicht hinausgehen (vgl. 131 f.). Für die
fruchtbare Problemstellung und das beachtliche Niveau dieser
Erstlingsarbeit hat er viel Dank und Respekt verdient.
Seinem Beitrag zu einer vertieften theologischen Auseinandersetzung
mit dem Erbe S. Freuds wäre allerdings noch
die Einbeziehung der Religionspsychologie C. G. Jungs zu
wünschen, die nur in den Anmerkungen beiläufig erwähnt
ist, und vor allem die Berücksichtigung der hier ganz fehlenden
religionssoziologischen Aspekte.

Rostock Ernst-Rüdiger Kiesow

Diakonie der Gemeinde. Caritas in einer erneuerten Pastoral
, österreichische Pastoraltagung 28.—30. Dezember 1977,
im Auftrag des österreichischen Pastoralinstituts hrsg.
v. J. Wiener u. H. Erharter. Freiburg — Basel — Wien:
Herder [1978]. 152 S. 8°. Kart. DM 18,50.

Der Band enthält die auf der österreichischen Pastoraltagung
1977 gehaltenen Vorträge und Kurzberichte über
die Arbeitsgruppen. Das Themenspektrum reicht von der
dogmatischen und biblischen Grundlegung der Diakonie
(Raphael Schulte — Rudolf Pesch — über Aspekte der politischen
Diakonie (Reinhold Lehmann), medizinisch-psychologische
Gesichtspunkte (Maria Bührer) bis hin zu speziellen
Aufgaben der Diakonie wie die Integration der Behinder-