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Ausgabe:

1980

Spalte:

382-384

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Krusche, Peter

Titel/Untertitel:

u.a., Predigtstudien für das Kirchenjahr 1976 1980

Rezensent:

Voigt, Gottfried

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381

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 5

382

Vernünftigkeit muß jedoch durch den Glauben als Quelle
der Wirklichkeitserfahrung ergänzt werden, ebenso wie die
kulturelle Variabilität der Sacheinsicht ergänzt werden muß
durch die Konstanten, „die sich aus der — in Gottes gleichbleibendem
Wort beruhenden — Sicht des Glaubens zur Deutung
der Dinge ergeben. Dadurch wird die christliche Ethik
davor bewahrt, ihre Normvorstellungen so zu variieren, daß
sie den Charakter des .Beliebigen' bekommen." Für dieses
letzte Modell spricht außerdem, daß es nicht eine individualistische
Lösung der sittlichen Frage befördert, sondern
daran festhält, „daß die vom Glauben erleuchtete Vernunft
ihre Erkenntnisse nur im Raum der Kirche findet", m. a. W.:
• in der Kirche formulierte sittliche Erkenntnisse können als
Ausdruck des sensus ecclesiae gelten und werden damit zu
einer verbindlichen Erkenntnisquelle für die sittliche Wahrheitsfindung
des Einzelnen."

Zweifellos bietet das Buch eine leicht verständliche und
übersichtlich gegliederte Einführung in die Normendiskussion
der Moraltheologie. Man bedauert allerdings, daß durch
das bloße Nebeneinander der acht Modelle die Verbindungslinien
zwischen ihnen verschleiert werden. Gerade das vom
Autor bevorzugte Modell ist ja sowohl mit dem Naturrechtsmodell
als auch mit dem traditionalistischen Modell verbunden
. Mit vollem Recht kann gesagt werden: „Die Natur enthält
das Gesetz des sittlichen Handelns — dieser Satz zieht
sich wie ein roter Faden durch die abendländische christliche
Ethik" (152). Aber dieser Rahmen ist nicht verlassen, wenn
die christliche Ethik sich an der Vernunft orientiert und dabei
übersieht, wie leicht Vernunft korrumpiert und manipuliert
werden kann. An diesem Punkte behält der reformatorische
Einwand gegen diesen „roten Faden" seine Berechtigung
. Es kann von evangelischer Sicht her auch nicht
befriedigen, wenn der Rückbezug der christlichen Ethik auf
die biblischen Aussagen nur im „biblizistischen Modell"
vorgenommen wird; das geschichtliche Verständnis der biblischen
Weisungen als mögliche Quelle von Handlungsregeln
bleibt dadurch unberücksichtigt. Die ungenügende
Reflexion der Geschichtlichkeit wirkt sich auch darin aus,
daß der Autor Variable und Konstante auseinanderhält, wobei
die konstanten Elemente aus „Gottes gleichbleibendem
Worte" gewonnen werden, ohne die hermeneutische Problematik
anzusprechen.

Die Verbindung zum „traditionalistischen Modell" wird
durch die Betonung des Glaubenssinnes der Kirche hergestellt
. „Dieser ist nicht etwa mit den .kirchenamtlichen Verlautbarungen
' gleichzusetzen, sondern muß als die gelebte
Glaubensüberzeugung der Gemeinde des Herrn verstanden
werden." Es ist sozusagen die „aktuelle" Tradition der Kirche
, in die der Einzelne sich einfügen muß, wenn er die sittlichen
Normen finden will. Hier muß die Gefahr gesehen
werden, daß es zu einer „Normativität des Faktischen"
kommt, die der Autor sonst ablehnt, indem der Glaubenssinn
des Volkes Gottes den Einzelnen bei seiner Entscheidung
bevormundet statt ihn zu entlasten. Aber die hier möglichen
Gefahren moraltheologischer Beratung werden möglicherweise
durch den zweiten Band des „Grundkurs Moraltheologie
" aufgefangen, in welchem es um das subiectum morale,
den Fragenkreis „Entscheidung und Gewissen" gehen soll.

Der Verlag hat der Ausstattung des Buches große Sorgfalt
zugewandt, so daß der interessierte Leser schon beim Durchblättern
einen guten Überblick erhält und schnell die zentralen
Aussagen und Differenzen erkennt.

Leipzig Joachim Wiebering

Abrecht, Paul: The Churches and the Nuclear Energy De-

bate. A Brief Survey (ER 30, 1978 S. 220-230).
Austad, Torleiv: Biskopenes uttalelser om abortus provoca-

tus 1934—1978. En analyse av grunnsyn og argumentasjon

(TTK 49, 1978 S. 209-222).
Beinert, Wolfgang: Partnerschaftliche Ehe. Theologische

Überlegungen (StZ 104, 1979 S. 689-700).

Childress, James F.: Ethical Issues in Death and Dying (RSR

4, 1978 S. 180-188).

Dumas, Andre: A Society Which Creates Justice. Three

Themes But One Development (ER 30, 1978 S. 211-219).
Etienne, J.: Affirmation absolue et vie morale selon Jean

Nabert (RTL 9, 1978 S. 166-175).
Fritz, Paul Gerhard: Die Familie in der Sicht der jungen

Generation (Kirche im Dorf 29, 1978 S. 113-121).
Gourgues, Michel: Jesus et la violence (ScEs 31, 1979 S. 125

bis 146).

Hengsbach, Friedhelm: Neuer Lebensstil — Veränderung

durch Verzicht (GuL 51, 1978 S. 213-225).
Hessel, Dieter T.: Solidarity ethics: a public focus for the

church (RRelRes 20, 1979 S. 251-263).
Huber, Wolfgang: Militarism. Some theological perspectives

(ER 30, 1978 S. 155-165).
Koch, Traugott: Das Böse als theologisches Problem (KuD

24, 1978 S. 285-320).
Martinez, Sergio Arce: Development, Peoples Partizipation

and Theology (ER 30, 1978 S. 266-277).
Meilaender, Gilbert: The place of ethics in the theological

task (CThMi 6, 1979 S. 196-203).
Sauter, Gerhard: „Exodus" und „Befreiung" als theologische
Metaphern. Ein Beispiel zur Kritik von Allegorese

und mißverstandenen Analogien in der Ethik (EvTh 38,

1978 S. 538-559).
Scott, David A.: Ethics on a Trinitarian Basis: Moltmann's

The Crucified God (AThR 60, 1978 S. 166-179).
Sobaiiski, R.: Der Mensch — Subjekt der Rechte und der

Pflichten in der kirchlichen Communio (CoTh 48, 1978,

Fase. spec. S. 151-173).
Suter, Keith D.: The Christian and Militarism (ER 30, 1978

5. 127-138).

White, Lynn: The Future of Compassion (ER 30, 1978 S. 99
bis 109).

Praktische Theologie: Homiletik

Krusche, Peter, Lange, Ernst t, Rössler, Dietrich, u. Roman
Roessler [Hrsgg.]: Predigtstudien für das Kirchenjahr
1976. Perikopenreihe IV, 2. Halbband. 281 S.

—: Predigtstudien für das Kirchenjahr 1976 77. Perikopenreihe
V, 1. u. 2. Halbband. 198 S. u. 270 S. Stuttgart - Berlin
: Kreuz Verlag [1976/77]. 8°.

Seit meiner Anzeige der Reihen VI/2 (erster Durchgang),
I und II in ThLZ 101, 1976 Sp. 147 ff. ist unsere Zeitschrift
auf dieses wichtige homiletische Werk nicht zurückgekommen
. Da mir nur die genannten Bände vorliegen, ergibt sich
eine Lücke (III, IV/1). Der so entstandene Schade dürfte
aber deshalb nicht allzu groß sein, weil die Predigtstudien
(PrSt) nach Absicht und Arbeitsweise dem Programm von
1968 (Beiheft 1 der PrSt zu diesem Jahrgang) treu geblieben
sind und die in der angeführten Anzeige von 1976 gegebene
Charakterisierung auch für die weiteren Jahrgänge —
wie ich hoffe — zutrifft. Daß der Name Ernst Langes nach
seinem frühen Tode in der Herausgebergruppe noch immer
erscheint, dürfte nicht nur Erinnerung an den Inaugurator
des in den PrSt realisierten Programms sein, sondern auch
Bekenntnis zu der Kontinuität mit dem diesem Programm
zugrunde liegenden hermeneutischen und methodischen
Ansatz. Er liegt darin, daß hier nicht der in der klassischen
Homiletik übliche Weg „vom Text zur Predigt" gegangen
wird, sondern das Predigtgeschehen als ein immer wieder
zu durchlaufender Verstehenszirkel verstanden ist zwischen
Hörersituation und Tradition. Der Text wird nicht um des
Textes willen gepredigt, sondern um des Hörers bzw. der
Hörer willen, deren Situation als Herausforderung zu erforschen
und zu verstehen ist. Es gilt, herauszubekommen,
inwiefern der Text für die vorgefundene Situation relevant
ist.

Das (häufig durchbrochene bzw. sehr frei angewandte)
Verfahrensschema verteilt die Aufgaben grundsätzlich auf