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Ausgabe:

1980

Spalte:

370-372

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Die reformierten Kirchen 1980

Rezensent:

Obst, Helmut

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 5

370

Luther her interpretiert, nämlich im Sinne der Beziehung
zu Gott, gerät er mit Strigel in Streit, obwohl die Gemeinsamkeit
des Bodens unverkennbar ist, auf dem der Streit
stattfindet. Damit entwickelt sich der Streit zu einem Streit
um die Terminologie. Ein Ausblick auf die nachreformato-
rische Lehre von der Sünde führt zu dem Wunsch nach einem
stärkeren Beitrag lutherischer Theologie zu einer polymorphen
Soteriologie, wobei auch bei Aufnahme altkirchlicher
Ansätze dem platten Moralismus pelagianischer Provenienz
keine großen Chancen gegeben werden. — Ralph W.Quere
folgt melanchthonischen Motiven in der Abendmahlslehre
der FC (wirksame —, gemeindegebundene —, rituelle —, ele-
mentgebundene —, personale Gegenwart Christi). Dabei ergeben
sich jedoch auch Spannungen zur Abendmahlslehre
der FC. - Robert D. P reu s untersucht den Einfluß der FC
auf die lutherische Orthodoxie und stellt einen starken Einfluß
der Art. 1 bis 3 und einen schwächeren der Art. 4 bis 10
fest, während Art. 11 von der Orthodoxie nicht aufgenommen
und Art. 12 am wenigsten zitiert worden sei. Der Einfluß
der FC auf die Form des Theologisierens sei gering gewesen
.

Historiographischen Charakter haben sämtliche Studien
im 2. Teil von E, der sich mit den Reaktionen auf die FC befaßt
: Manfred P. Fleischer untersucht die Rezeption der
FC in Schlesien (im polemischen Kontext mit dem schlesi-
schen Kryptokalvinismus), Tryggve R. Skarsten die Reaktion
in Skandinavien (Niels Hemmingsen und sein Einfluß
in Dänemark — Olaus Petri und sein lange nachwirkender
Biblizismus in Schweden bis hin zum gegenrefor-
matorischen Engagement der Jesuiten — Auswirkungen der
Idee der Volkssouveränität bis ins 19. Jh. hinein), W. Brown
Patterson die Reaktion auf die FC im anglikanischen
Bereich (der Einfluß Zürichs, die Aktivitäten Elisabeths I.),
W. Robert Godf rey die Wirkung der FC auf Holland
(Ansätze der späteren Irenik), Jill Rait die Antwort der
französischen Reformierten (das Kolloquium von Mömpel-
gard 1586 und Bezas De controversiis von 1593), James J.
M e g i v e r n die römisch-katholischen Reaktionen (jesuitische
Gegenschriften gegen die FC, Bellarmin).

Systematisch orientiert sind die folgenden Beiträge: Wenzel
L o h f f geht unter der Uberschrift „Konsensus und
Konflikt" der Methode der Lehrentscheidung in der FC
nach, übt Kritik an der Sicht des Charakters der FC in der
protestantischen Kirchengeschichtsschreibung und legt den
Ton auf die Unabgeschlossenheit der FC im Sinne eines
Systems. — Walter S p a r n schreibt über „Substanz oder
Subjekt? Die Kontroverse um die theologischen Allgemeinbegriffe
im Artikel von der Erbsünde (Art. I)", befaßt sich
mit der kontroversen Interpretation dieses Artikels durch
Christoph Irenäus einerseits und Nikolaus Seinecker andererseits
und deutet dabei die philosophisch-anthropologischen
Implikationen des jeweiligen Verständnisses von Erbsünde
an. Lutz M o h a u p t geht in historisch-systematischer
Interpretation Art. 5 der FC nach und nimmt dabei
fundamentaltheologische und theologiegeschichtliche Fragestellungen
auf. Hans Philipp Meyer behandelt den tertius
usus legis nach Art. 6 der FC, indem er neuere Interpretationsansätze
des Problems aufnimmt. Klaus Schwarzwäll
e r kritisiert die Prädestinationslehre von FC Art. 11
auf dem Hintergrund von Luthers Ansatz als „durch und
durch fragwürdig", weil sie Evangelium zu Lehre gemacht
habe. Horst Georg P ö h 1 m a n n geht dem Wahrheits- und
Einheitsverständnis der FC auf dem Hintergrund der Kontroverse
mit der römisch-katholischen Theologie nach, findet
, daß die FC keine sachgemäße Auseinandersetzung mit
der tridentinischen Erbsünden- und Rechtfertigungslehre
geführt habe und stellt in vier Thesen lutherisches Einheitsund
Wahrheitsverständnis heute vor. Jörg B a u r setzt sich
unter dem Thema „Kirchliches Bekenntnis und neuzeitliches
Bewußtsein" anregend mit der Spannung zwischen
Lehre und Subjektivitätsprinzip auseinander (Rousseau —
Semler — Hegel). Oliver K. O 1 s o n kann an bereits vorliegende
eigene Arbeiten anknüpfen mit dem auf Art. 10 der

FC bezogenen Thema „Politics, Liturgics, and Integritas
Sacramenti. Die Sätze mit denen er seinen Beitrag beginnt,
klingen wie ein Programm: „lt is possible to write a serious
history of political science as a subdivision of liturgiology.
The reciprocal influences between the form of the Holy
Communion and the secular Constitution - forms of the two
earthly regiments — justify a synoptic treatment." Olson
sieht sehr enge Beziehungen zwischen Luthers liturgischem
Denken und seiner Widerstandslehre und spricht sich dafür
aus, in der lutherischen Theologie der Gegenwart das Element
der prophetischen Kritik stärker zur Geltung zu bringen
. Der Beitrag von Robert P. Sc harlemann : „Con-
fessio and Scientia. Life and Truth in Theology" befaßt sich
mit dem Verständnis von Theologie als Wissenschaft und
der Rolle, die das Bekennen für die Wahrheitsfindung spielen
kann.

Wenn nicht alles täuscht, sind die beiden vorliegenden
Bände die ersten selbständig erscheinenden Veröffentlichungen
zur FC seit dem vierbändigen Werk von Fr. H. R.
Frank: Die Theologie der Concordienformel, Erlangen 1858
bis 1865. Versucht man, den Gehalt der beiden Bände zu
überschauen, so fallen thematische Lücken ins Auge. Es
fehlt völlig eine eigene Studie über die Christologie der FC,
und auch die Sakramentslehre ist auffällig untergewichtig
vertreten, wenn man ihre Bedeutung im zeitgenössischen
Kontext der FC ins Auge faßt. Sind diese Ausfälle Zufall
oder spiegelt sich in ihnen gegenwärtige Verlegenheit wider
? Die einzelnen Beiträge enthalten wertvolle und weiterführende
Erkenntnisse, auch wenn man sich manchmal die
Sicht nicht zu eigen machen kann, der ihre Verfasser folgen.
Für die historische Erschließung der Theologiegeschichte der
2. Hälfte des 16. Jh. bleibt weiterhin viel zu tun übrig.

Corrlgenda (außer sich von selbst verstehenden Verbesserungen)
D: S. 45 Z. 9 v. u.: Frankfurter Rezesses. S. 82 Z. 12 v. u.: R. Prenter.
S. 97 Abs. 3 Z. 12: Christus und. S. 100 Z. 5 v. u.: Gnesiolutheraner.
S. 107 ist der Untertitel des Beitrags von W. Sparn falsch angegeben.
S. 150 Z. 4 v. u. muß wohl heißen: Der befristete Kompromiß, s. 152
Z. 5 v. u.: quidem. S. 161 Anm. 35 u. 37 sowie S. 167 zu 3e und S. 169:
Rehtmeyer [!] III. S. 161 Anm. 38 und 44: Hospinian. (In F. Hübners
Beitrag treten redaktionelle Schwächen gehäuft auf.) - E: S. 47 Abs.
3 z. 1: Victorin Strigel. S. 176 Abs. 2 Z. 1: 1579. S. 179 Anm. 2: Hollweg
.

Leipzig _ Ernst Koch

Doignon, Jean: Chromatiana. A propos de l'edition de
l'ceuvre de Chromace d'Aquilee (RSPhTh 63, 1979 S. 241
bis 250).

Eggers, Hans: „Ich lobe die Abgeschiedenheit." Über deutsche
Mystik im Mittelalter (ZW 50, 1979 S. 172-185).

Groh, Dennis E.: Changing Points of View in Patristic
Scholarship (AThR 60, 1978 S. 447-465).

Houssiau, A.: L'engagement baptismal (RTL 9, 1978 S. 138
bis 165).

Kürzinger, Josef: Papias von Hierapolis: Zu Titel und Art

seines Werkes (BZ 23, 1979 S. 172-186).
Merode, Marie de: Une theologie de la femme? (RTL 9, 1978

S. 176-189).

Modalsli, Ole: Luthersk syn pä kirken (TTK 49, 1978 S. 125
bis 134).

Kirchen- und Konfessionskunde

Halaski, Karl [Hrsg.]: Die reformierten Kirchen. Stuttgart.
Evang. Verlagswerk [1977]. 400 S. 8° = Die Kirchen der
Welt, XVII. Lw. DM 45,-.

Die vorliegende Sammlung von Selbstdarstellungen reformierter
Kirchen aus vielen Teilen der Welt kann für die
reformierten Kirchen in aller Welt nicht unbedingt repräsentativ
sein, auch wenn der Hrsg. betont, die regional-kir-
chenkundliche Ausrichtung werde „gerade dem theologisch-
ekklesiologischen Selbstverständnis reformierter Kirchen
gerecht" (13). Der Buchtitel „Die reformierten Kirchen"
bleibt zu anspruchsvoll, das „Die" wäre unbedingt zu streichen
.