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Ausgabe:

1980

Spalte:

364-365

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Didymus Caecus, Sur la genèse 1980

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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363

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 5

364

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien, hrsg., übers., mit
kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen von
H. Görgemanns und H. Karpp. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft 1976. X, 880 S. 8° = Texte zur Forschung
, 24. DM 147,—.

Ob des Origenes „Vier Bücher von den Prinzipien" (d. h.
etwa „vom Seinsgrund") wirklich die einflußreichste Schrift
aus der Väterzeit ist, wie der Rez. meint, läßt sich natürlich
bezweifeln. Denn die Wirkung, die ein Buch ausübt, ist
keine meßbare oder zählbare Größe und läßt sich weder an
der Höhe der Druckauflage, noch an der Breite der handschriftlichen
Uberlieferung, noch an sonst irgend etwas ablesen
. Daß dieses Buch aber zu den wichtigsten der Weltliteratur
gehört und daß sein mittelbarer Einfluß sich bis
auf die Lehrbücher der Dogmatik aus unserer Zeit erstreckt,
obwohl sein unmittelbarer Einfluß im Jahre 553 ein plötzliches
Ende fand, das ist nun wieder offensichtlich. Es war
jedenfalls erstaunlich, wenn auch nicht unerklärlich, daß es
von dieser Schrift seit anderthalb Jahrhunderten keine
deutsche Übersetzung gab, und daß Koetschaus trotz allem
Gelehrtengezänk gute kritische Ausgabe, die 1913 in den
GCS erschienen war, nicht mehr nachgedruckt wurde. Daher
schließt die vorliegende zweisprachige Ausgabe die
empfindlichste Lücke unter den Schriften der Väterzeit.

Vorweg sei gesagt, daß sie das auf vorbildliche Weise tut.
Der Text fußt auf Koetschaus Ausgabe, ist aber durch Einbeziehung
einer von ihm übersehenen Wolfenbütteler Handschrift
auf eine breitere Grundlage gestellt. In der Anordnung
des Textes ist dadurch ein deutlicher Fortschritt erzielt
, daß die von Koetschau in den Text aufgenommenen
Fragmente aus der Sekundärüberlieferung in den Testimo-
nienapparat verwiesen wurden. Diese Fragmente entstammen
ja durchweg einer dem Origenes feindlichen Auseinandersetzung
, die seine Heterodoxie nachweisen wollte. Sie
lassen sich darum nicht bruchlos in Rufins Übersetzung einfügen
, der seinerseits bestrebt war, die Orthodoxie oder zumindest
kirchliche Tragbarkeit des Origenes darzutun. Daher
war bei diesen Fragmenten häufig nicht nur der Platz
fraglich, an den Koetschau sie gestellt hatte, sondern auch
ihre Echtheit; man konnte zweifeln, ob sie von Origenes
herrührten, ob sie wirklich aus Peri archon stammten, und
ob sie inhaltlich unverändert seien. — Anders steht es natürlich
mit den Abschnitten, die aus der Philokalie stammen
. Die Herausgeber haben sie ihrem Wert entsprechend
im Textteil belassen und über Rufins Übersetzung angeordnet
.

Der Apparat ist in der üblichen Weise zweigeteilt. Der
Testimonienapparat ist strikt auf Origenes, auf seine Lehre
und auf den Inhalt des Werks bezogen, eine Beschränkung,
die man billigen muß. Der textkritische Apparat ist gegenüber
Koetschau etwas eingeschränkt und bemüht, vor allem
die Uberlieferung der Hauptfamilien (bei Rufin und in der
Philokalie) darzustellen. Das heißt, daß er alles enthält, was
der nicht speziell an der Textüberlieferung interessierte
Benutzer braucht oder brauchen könnte.

Besonders Lob verdienen die Herausgeber darum, daß sie
den Versuch, dem Origenes nah zu kommen, nicht mit dem
Text, sondern mit der Übersetzung gemacht haben. Überlieferung
und Rekonstruktion haben dadurch die klare
Trennung erlangt, deren Fehlen man gegen Koetschaus Ausgabe
eingewandt hat. — Der Übersetzung ist ein Anmerkungsapparat
beigegeben, der das bietet, was für Gestalt
und Verständnis des Textes gesagt werden kann, ohne dabei
auszuufern. Die Verfasser erklären zwar, sie hätten an
die Bedürfnisse des Studenten und theologisch interessierten
Lesers und nicht an die des Fachtheologen gedacht. Das
gilt sicher für die Verständlichkeit; was aber den Gehalt
anlangt, so kommt auch dieser nicht zu kurz.

Das Druckbild ist höchst ansprechend. Fehler sind dem
Rez. nicht ins Auge gesprungen. Wenn man etwas bedauern

könnte, dann dies, daß es von so rundweg erfreulichen Ausgaben
nicht noch mehr gibt. Vielleicht sind die Zeiten zu
Ende, in denen bei uns derartige Bücher erscheinen konnten
, aber dann haben sie mit dieser Ausgabe dieser Schrift
einen würdigen Abschluß gefunden.
Kiel Heinrich Kraft

Didyme l'Aveugle: Sur la Genese, I et II. Texte inedit,
d'apres un papyrus de Toura. Introduction, edition, tra-
duction et notes par P. N a u t i n , avec la collaboration de
L. Doutreleau. Paris: Les Editions du Cerf 1976/78. 335 S.
et 349 S. 8° = Sources Chretiennes, 233/244.

In den 60er Jahren wurden die Texte der Kommentare
des Didymos zu Sacharja, den Psalmen, Hiob und Eccl. aus
den Turapapyri ediert1. Damit war der Zugang zur Interpretationsmethode
dieses fruchtbaren Schriftstellers und
tonangebenden Theologen der alexandrinischen Kirche des
4. Jh. anhand von griechischen Originaltexten möglich. Der
Papyrusfund von Tura (1941) machte ja zum erstenmal
mehrere Kommentare zu Bibelschriften des Didymos bekannt2
, da die Werke des Didymos seit seiner Verurteilung
wegen Origenismus auf dem V. ökumenischen Konzil zu
Konstantinopel (553) nicht mehr tradiert wurden3. Die bereits
vorliegenden Editionen bieten aber auch gute Vergleichsmöglichkeiten
der notwendigen modernen editorischen
Methode und Kommentierung solcher Texte und setzen
zum Teil Maßstäbe.

Der Grund dafür, daß der Genesiskommentar erst jetzt
veröffentlicht wird, liegt in den komplizierten Besitzverhältnissen
der Papyrusblätter dieses Textes. Wohl wird ein
großer Teil im Ägyptischen Museum zu Kairo aufbewahrt,
doch ist das übrige in Privatsammlungen zerstreut. Die
Blätter 77-80 und 199-208 konnten noch nicht entdeckt
werden, die Blätter 1—16 sind nur in Bruchstücken erhalten,
die Blätter 17/18 und der Schluß 247-252 sind stark beschädigt
. Der größere Teil des übrigen Materials enthält kleinere
Lücken und Textzerstörungen. Eine Reihe von Lücken gehen
zudem auf die Vorlage zurück, die dem Schreiber dieses Papyrus
zur Verfügung stand. Soweit Bibelzitate betroffen
sind, könnte der Grund in der Arbeitsmethode des Didymos
liegen. Einige Lücken könnten jedoch auch auf eine dogmatische
Zensur zurückzuführen sein. Sowohl die Schrift (Datierung
Ende 6. Jh. oder 7. Jh.) als auch das Fehlen jeglicher
Uberschrift deuten darauf, daß der Schreiber nach dem Jahr
553 arbeitete. Eine Zuordnung des Kommentars an Didymos
ist nur mit Hilfe einiger Katenenfragmente möglich.

Diese Bemerkungen haben schon deutlich werden lassen,
daß Edition und Übersetzung keine leichte Aufgabe waren.
Beides ist in einer vertrauenerweckenden Weise bewältigt.
Nur sehr behutsam werden Textergänzungen vorgenommen
(größere Ergänzungen nur bei Bibelzitaten oder bei
Parallelüberlieferung in Katenen). Entsprechend zurückhaltend
ging auch der Ubersetzer ans Werk. Bei sehr fragmentarischem
Text zum Beispiel (Bd. I, 41 ff. 54 ff.) werden
nur kommentierende Bemerkungen zum vermeintlichen Zusammenhang
geboten.

Edition und Apparate sind an Lage, Blatt und Zeile des
Papyrus orientiert, doch wird leider von Bd. I, S. 62 ab nicht
mehr zeilengetreu gesetzt. Der Beginn der Papyruszeilen ist
nun durch einen Schrägstrich markiert, ungerade Zeilenzahlen
sind in den Text, die anderen an den Textrand gedruckt
. Das wird vor allem diejenigen verwirren, die nur
einzelne Stellen nachschlagen und sich schnell orientieren
wollen. Hätte man nicht durch kleinere Drucktypen dieser
Belastung entgehen können?

Die Edition hat vier Apparate: 1. textkritischen Apparat;
2. vollständigen Bibelstellennachweis; 3. Hinweise auf Fragmente
bei Prokop und in den Katenen; 4. Quellenhinweise
und Sachbemerkungen, die sich um eine Interpretation vor
allem mit Hilfe der Werke des Origenes und des Philon bemühen
. Da auf den einzelnen Seiten der Edition meist nicht
alle Apparatarten vorkommen, die einzelnen Apparattypen