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Ausgabe:

1980

Kategorie:

Judaistik

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Neuerscheinungen

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353

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 5

354

Psalmenschrift ein, die als „geschichtstheologische Schrift
psalmenartigen Gepräges" (150) bestimmt wird. Eine präzis
und klar das Ergebnis herausarbeitende Zusammenfassung
(154—158) und ein Literaturverzeichnis (159—163) schließen
die methodisch vorbildliche, auf das Wesentliche konzentrierte
Untersuchung ab.

Die durch Wellhausen erfolgte Bestimmung der Herkunft
der PsSal aus pharisäischen Kreisen im Zeitraum zwischen
80 und 40 v. Chr. ist in neuerer Zeit vielfach aufgeweicht
worden, indem man den Frömmigkeitstypus der Psalmen
als nicht typisch bzw. nicht genuin pharisäisch ansah (Lind-
blom, Eißfeldt, Braun u. a.). Sch. festigt die Wellhausensche
Position wieder, und es gelingt ihm, hierbei zu präzisieren,
u. zw. dadurch, daß er die Psalmenschrift sowohl nach ihrem
theologischen Aussagegehalt als auch nach ihren zeitgeschichtlichen
Bedingtheiten in dem ihr eigenen Zusammenhang
zu erfassen sucht.

Sch. schält aus den Psalmen zwei Uberlieferungsschichten
heraus: eine ältere, aus ursprünglich selbständigen
Psalmen bestehende Reihe, die mit dem Grundbestand der
Pss 1/2; 8; 17 sowie 5, 5-7; 7; 9; 11; 12 identisch ist, und eine
jüngere Überlieferungsstufe, auf welcher die bereits vorliegenden
Psalmen redaktionell ergänzt und zusätzliche
Psalmen - 3; 5,1-4.8-19; 6; 10; 13; 14; 15; 16; 18 - eingefügt
worden sind.

Die ältere Reihe mit dem Themenkreis „Gottes Hilfe in
Feindesnot" widerspiegelt den äußeren Ablauf der Ereignisse
der Jahre 63—61, den Ansturm der Römer unter Pom-
peius auf Jerusalem, die Einnahme der Stadt und die dadurch
entstandene Notlage, um deren Abwendung Gott angefleht
wird. Die Gemeinde sieht die Preisgabe an die feindlichen
Heiden als verdiente Strafe für verborgene Sünden
an. Aber sie hofft auf Gottes Hilfe auf Grund ihrer Erwählung
und auf Grund von Gottes Treue und Erbarmen.

Die jüngere Überlieferungsschicht, die das Thema des
jetzigen Gesamtzusammenhangs prägt, ist von dem Gedanken
der Gerechtigkeit Gottes bestimmt. In unterweisender
und paränetischer Form wird die Gemeinde der Frommen
aufgerufen, die in der jüngsten Vergangenheit offenbar gewordene
und sich in Zukunft endgültig durchsetzende Gerechtigkeit
Gottes richtig einzuschätzen und ihr Verhalten
und Tun dadurch bestimmen zu lassen. Herzuleiten ist der
jüngere Themenkreis aus den Jahren 48—44/42, einer für
Jerusalem relativ ruhigen Zeit, die aber im Inneren auf
Grund der prorömischen Einstellung und Politik der führenden
Jerusalemer Kreise von Spannungen und Auseinandersetzungen
erfüllt

Beide Themenkreise bzw. Überlieferungsschichten haben
trotz unterschiedlich ausgeprägter und akzentuierter ge-
schichtstheologischer Konzeption, Anthropologie und Escha-
tologie doch eine gleichartige theologische Grundrichtung,
so daß es sich um zeitlich aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen
der gleichen Gruppe handeln wird. Diese
Gruppe bestimmt Sch. als die Pharisäer.

„So muß die pseudepigraphe Psalmenschrift als Zeugnis
pharisäischer Theologie und Frömmigkeit gelten, und zwar
als ein Zeugnis des Pharisäismus aus der Zeit der Mitte des
1. vorchristlichen Jahrhunderts, das selbst schon eine theologische
Entwicklung pharisäischer Theologie erkennen läßt
und bereits die weitere Entwicklung vorzeichnet. Die PsSal
sind damit als ein Dokument aus der Frühzeit der pharisäischen
Bewegung zu verstehen, als ein Dokument eines
im wesentlichen geschichtstheologisch fundierten und noch
nicht überwiegend gesetzlich ausgerichteten Pharisäismus"
(137).

Dieses Ergebnis wird so gut begründet und hat so viel für
sich, daß man hinter es nicht wieder wird zurückgehen dürfen
.

Berlin Ludwig Wächter

Branson, Roy: Sabbath-hearts of Jewish unity (JES 15, 1978
S. 716-736).

Geller, Markham J.: New Sources for the Origins of the
Rabbinic Ketubah (HUCA XLIX, 1978 S. 227-245).

Goldman, Edward A.: A Critical Edition of Palestinian Talmud
Tractate Rosh Hashana, Chapter Four (HUCA XLIX,

1978 S. 205-226).

Mackowski, Richard M.: „Scholars' Qanah". A Re-examina-
tion of the Evidence in Favor of Khirbet' Qanah (BZ 23,

1979 S. 278-284).

Neusner, Jacob: From Scripture to Mishnah: The Origins of
Mishnah's Fifth Division (JBL 98, 1979 S. 269-283).

Schwartz, Matthew B.: Appeals in the Jewish Courts of Pa-
lestine in the Third Century, C. E. (HUCA XLIX, 1978
S. 187-203).

Neues Testament

Schürmann, Heinz: Orientierung am Neuen Testament. Exegetische
Gesprächsbeiträge. Düsseldorf: Patmos [1978].
156 S. 8° = Kommentare und Beiträge zum Alten und
Neuen Testament. Lw. DM 48,—.

Die in Bd. III seiner gesammelten Aufsätze1 zusammengefaßten
Arbeiten des Erfurter Neutestamentiers sind im
Rahmen seiner vielfältigen und bedeutsamen theologischen
Mitarbeit im gesamtkirchlichen (Nr. 1 f.)2 und im ökumenischen
(Nr. 3—5)3 Bereich entstanden. Als Referate oder Arbeitspapiere
antworten sie auf Fragen, die von beiden Bezirken
her an das Neue Testament bzw. an den Neutesta-
mentler gerichtet wurden.1 In 1, „Die Freiheitsbotschaft des
Paulus — Mitte des Evangeliums?"5, stellt sich Sch. der
Frage, in welchem Sinn die Botschaft von der Freiheit des
Christen als Mitte der Heilsbotschaft zu begreifen ist. Er
antwortet in einer in sich geschlossenen, umfassenden
Skizze der entscheidenden Aussagen der Paulinischen Verkündigung
, die Sch. von dem Stichwort Freiheit — als Befreiung
von Tod (Geschiedensein von Gott), Sünde, Gesetz,
Befreiung zur Sohnschaft verstanden (als eschatologische
Gabe Gottes), zum Leben für Gott und für Christus — her
entworfen hat. In ihr bleibt die Rückbindung an die Rechtfertigung
des Sünders aus Glauben grundlegend (46 f.). — 2,
„Die neubundliche6 Begründung von Ordnung und Recht in
der Kirche" (50—63), knüpft an 1 an: „Wie die Freiheit so
muß die Ordnung in der ,Gemeinde des Neuen Bundes' vom
Ursprung her als Gegebenheit der neuen Diatheke, das heißt
als endzeitliche An-Ordnung Gottes, gedacht werden" (54).1

In 3 und 4 geht es um einander zugeordnete grundsätzliche
Fragen zur Ethik. Die These von 3: „Die Gemeinde des
Neuen Bundes als der Quellort des sittlichen Erkennens
nach Paulus" (64—88) versteht die Kirche — nach Paulus —
„als den ,Raum' ..., an [in] dem sittliches Erkennen pneumatisch
ermöglicht, geprüft und erläutert, aber auch als
Weisung vorgelegt wird" (67), geformt als Typos der Lehre
(Rom 6,17b [79-86]). - Die Frage von 4: „Haben die pau-
linischen Wertungen und Weisungen Modellcharakter?" •
(89—115) vermag Sch. nicht zu bejahen. Ist doch das Handeln
des Christen bei Paulus entscheidend motiviert durch
„die Anamnese an das Heilswerk Christi und die Rück-
erinnerung an den Taufstand" (94). „Eine christliche Ethik
ist in ihrer Mitte vom Tod Jesu her bestimmt" (95), durch
das „im Mitsterben der Taufe gewirkte neue Sein" (ebd.).
„Als Begnadeter und Getaufter" beantwortet der Christ „die
totale Gnade Gottes mit totaler Hingabe an Gott (Christus)
und den Nächsten ..., vertikal und horizontal in einem"
(ebd.); von der Liebe zu Christus her wird in der Nächstenliebe
der „Nachvollzug der sich erniedrigenden Selbstaufgabe
des Sohnes Gottes verlangt" (108). Von diesen „transzendental
" genannten Weisungen, die bei Paulus besonders
akzentuiert sind (109), unterscheidet Sch. „kategoriale"», innerhalb
deren die geistlichen Weisungen „besonders verbindlich
gemeint" sind (99). Aber auch z. B. die Warnungen
vor Götzendienst oder Unzucht „treten ... mit großem Verbindlichkeitsanspruch
auf" (103). Erst im Rahmen der trans-