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Ausgabe:

1980

Spalte:

337-341

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Campenhausen, Hans von

Titel/Untertitel:

Urchristliches und Altkirchliches 1980

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 5

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an Niebergalls Konzept unter Rückgriff auf Mt 5, 45 ff. herausgestellt
, daß es durchaus positiv zu werten ist, daß Gott
das Geschehen der Natur nicht vordergründig mit dem ethischen
Verhalten der Menschen verknüpft. Sonst wäre ja alle
Frömmigkeit und Gottesliebe schutzlos der Frage Satans
aus dem Hiobbuch ausgesetzt: „Ist Hiob etwa umsonst so
gottesfürchtig?"

„Wenn das Gute und das Wahre immer in einem vordergründigen
Sinne auch das Nützliche wären, wäre das
menschliche Leben ethisch gesehen sehr viel ärmer und unfreier
. Gerade die menschliche Freiheit verleiht dem
menschlichen Leben Würde und Größe und ist damit u. a.
auch Ausdruck der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.

Wenn der heutige Mensch dank seiner geistigen und materiellen
Fähigkeiten auch in bezug auf das Wetter größere
Freiheit besitzt als vergangene Generationen, so sollte das
nicht Anlaß zu undankbarer Distanzierung vom Schöpfer
sein, sondern vielmehr umgekehrt Anlaß zu verstärktem
Lobpreis des Schöpfers.

Wie eine moderne Feldberegnungsanlage auf uns wirkt,
welche Gedanken und Gefühle sie in uns wachruft, das ist
letztlich eine Einstellungsfrage. Sicher wird sie zunächst einmal
das menschliche Selbstgefühl stärken und erheben; aber
während dann der eine denkt: Wer so klug und mächtig ist
wie ich, wie wir, der braucht doch Gott nicht mehr, wird der
andere denken: Gott, ich danke Dir, daß Du uns Menschen
soviel Freiheit geschenkt hast, Freiheit gegenüber der Natur
, aber auch Freiheit selbst Dir gegenüber, ich danke Dir
für diesen Reichtum menschlichen Lebens."

Dann aber versucht die Predigt in ihrer ganzen zweiten
Hälfte argumentativ Assoziationen zwischen Gottesglauben
und Wetter zu setzen: „Und auch die Einsichten, die uns die
auf Physik, Geologie und Geographie basierende moderne,
neuzeitliche Wetterkunde vermittelt, sind — recht besehen

— durchaus geeignet, uns zum Lobpreis des Schöpfers zu veranlassen
. Denn jedes tiefere Eindringen in die gesetzmäßigen
Zusammenhänge des Wetters zeigt uns, wie vieler faktischer
Vorgegebenheiten des Erdaufbaues und wie vieler
sinnreicher Naturgesetze es bedarf, um jene Witterungsverhältnisse
auf Erden hervorzubringen, derer wir uns nun einmal
erfreuen und die sich ja auch letztlich — trotz aller Widerstände
, die sie dem Menschen und seiner Kultur auch
entgegensetzen — doch als menschliche Kultur ermöglichend
und fördernd herausgestellt haben. Die Bewohnbarkeit der
Erde, ihre Kulturfähigkeit ist alles andere als selbstverständlich
, je tiefer wir in die mannigfachen Zusammenhänge
, die Klima und Wetter bestimmen, eindringen. Es
könnte vieles sehr leicht viel ungünstiger sein, ja so ungünstig
, daß menschliche Kultur unmöglich wäre.

Sicher, vielleicht könnte auch dies und das günstiger, im
Hinblick auf den Menschen zweckmäßiger und leichter sein.
Freilich, paradiesische Verhältnisse sind der Entwicklung
menschlicher Kultur, wie die Erfahrung gelehrt hat, nicht
günstig, lassen menschlichen Willen und menschliche Fähigkeiten
sich nicht entfalten, sondern erschlaffen. Wenn dem
Menschen nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt
sind, wenn er kämpfen muß gegen Überschwemmungen und
Dürre, gegen Kälte und Hitze, gegen Krankheiten und Erdbeben
, gegen dies und jenes, so spricht das — recht besehen

— nicht gegen Schöpfer und Schöpfung. Auch dafür könnten

und müßten wir paradoxerweise in bestimmter Hinsicht
Gott danken.

Aber vieles ist nun doch auch vom menschlichen Gesichtspunkt
aus — und gerade von dem durch die Wissenschaft erweiterten
menschlichen Gesichtspunkt aus — ausgesprochen
nützlich und förderlich, ja menschliche Kultur überhaupt
erst ermöglichend."

Die Predigt schildert im weiteren Verlauf eine ganze Reihe
solcher staunenswerten meteorologischen Befunde sehr
konkret und anschaulich: Kondensationsvorgang, Wüsten
und Vulkane als Staublieferanten dafür, System der Monsune
und Passate, Energiebedarf für die tägliche durchschnittliche
Verdunstung, Einzelheiten der normalen Regenbildung
im Gegensatz zum Hagelschlag, Bedeutung geologischer
Verwerfungen für den Wasserhaushalt der Erde
usw. „Sinnt man all diesen und manch anderen sinnvollen
Gesetzen und Gegebenheiten nach, die mit dem menschliches
Leben und menschliche Kultur ermöglichenden und
letztlich weitaus mehr förderlichem als hinderlichem Regenhaushalt
der Erde zusammenhängen, dann wird man durchaus
ebenso wie unsere Vorfahren im Glauben im Regen eine
gute, keineswegs selbstverständliche Gabe des Schöpfergottes
sehen, des Schöpfergottes, dem der Kosmos sein Dasein
und sein So-und-nicht-Anderssein verdankt.

Die Vorstellungen über den Wetterablauf und seine einzelnen
Ursachen haben sich gewandelt, aber der Fortschritt
der wissenschaftlichen Erkenntnis wirkt nicht mindernd,
sondern höchstens verstärkend auf die Ehrfurcht und Dankbarkeit
, mit denen wir die Wohltat des Regens betrachten:
.Stimmt für den Herrn ein Danklied an, spielt unserem Gott
auf der Zither! Ihm, der den Himmel mit Wolken bedeckt
und Regen schafft für die Erde ...!"'

Die Predigt versuchte also nicht, die Gemeinde für Wetterbittgottesdienste
zu erwärmen — was übrigens von einigen
Gemeindegliedern nach der Predigt sehr energisch kritisiert
wurde —, wohl aber, sie staunen zu lassen angesichts
unserer wissenschaftlichen Einsichten in die vielfältigen
und keineswegs immer selbstverständlichen Zusammenhänge
und Voraussetzungen des komplizierten Wettergeschehens
und mit diesem Staunen dann den Schöpferglauben
zu assoziieren, um die meteorologischen Kenntnisse
nicht länger einem rein säkularen Assoziationsfeld zu überlassen
. Diesem Anliegen stimmten die Gemeindeglieder
wieder ausdrücklich zu.

Trotzdem, das Unbehagen angesichts solcher Wetterpredigten
ist groß. Studenten, denen die vier Predigten vorgelegt
wurden, wollten sich für keine der vier Strukturen entscheiden
, weder für die Absetzung der Thematik durch
R. Schulz, noch für eines der drei anderen Lösungsmodelle.
Das ist zu verstehen, bzw. besser nachzuempfinden, macht
aber vielleicht zugleich deutlich, daß gerade dieses konkrete
Thema durchaus dazu geeignet ist, um modellhaft über die
schwierige Situation des Predigers im Spannungsfeld zwischen
Evangeliumstreue und Zeitgenossenschaft nachzudenken
; denn eine spontane Identifizierung könnte ja glatte
Lösungen dort vortäuschen, wo unsere ganz persönliche, in
ständiger Auseinandersetzung gewachsene Entscheidung
notwendig ist. In dieser Intention der bleibenden Provokation
im hoffentlich guten Sinne des Wortes wurden die vier
Modelle hier vorgelegt.

Allgemeines, Festschriften

Campenhausen, Hans Frhr. v.: Urchristliches und AHkirch-
Uches. Vorträge und Aufsätze. Tübingen: Mohr 1979. VII,
360 S. gr. 8». Lw. DM 98,-.

Der von G. Ruhbach besorgte Band enthält 13 Beiträge,
10 seit 1970, 5 aus der ZNW seit 1972. Der Vortrag Einheit
und Einigkeit in der Alten Kirche sieht auf „die erstaunliche
Tatsache der weiten und bleibenden Einheit der frühen
Kirche" (2). Sie wurde als Geschenk bewahrt, trotz des

Gegensatzes zwischen Judenchristen und Heidenchristen, sie
wurde in Auseinandersetzungen mit der Gnosis bewährt.
Innerhalb der Kirche wurden verschiedene Meinungen ertragen
(Ostertermin, Ketzertaufe). Nach der konstantinischen
Wende war „die geistliche Freiheit von ehedem ...
nicht mehr vorhanden" (16). Augustin bot in seinem Gottesstaat
eine neue Konzeption. — Das Thema Die Entstehung
der Heilsgeschichte (20—62) setzt ein beim Alten Testament,
das man auf Christus hin auslegte. Johannes d. T. gewann
„als letzter der Propheten" bald „seinen unverrückbaren
Platz, — der erste feste Punkt im Bilde der neuen, auf Chri-