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Ausgabe:

1980

Spalte:

297-300

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Baier, Klaus A.

Titel/Untertitel:

Unitas ex auditu 1980

Rezensent:

Fangmeier, Jürgen

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207

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 4

298

Dasein Gottes nicht festhalten und sich zugleich mit einem
Weltbild abfinden, das ohne Gott Bestand hat. Damit ist die
Aufgabe genannt, die uns noch heute mit der Fragestellung
der alten natürlichen Theologie verbindet . . . Die Theologie
kann den Satz, daß Gott erkennbar ist, nicht aufrechterhalten,
ohne zu erklären, daß und in welcher Weise sie mit ihm dem
methodischen Atheismus der neuzeitlichen Wissenschaft und
somit der wissenschaftlichen Welterfahrung selbst zu widersprechen
gedenkt" (71, vgl. auch 23, 259, 262, 338).

Ganz sicher bedeutet dies, daß man „erneut in den Dialog
mit der Philosophie eintreten" muß (340)! Aber die vom Vf.
vorgeschlagene Interpretation des Naturbegriffes von Joh 1, 14
her reicht dazu kaum aus. Nach Auffassung des Rez. wäre es
verhcifiungsvoll, daran anzuknüpfen, daß die moderne Erkenntnistheorie
in immer größerer Breite insofern deutlich über die
durch Kant geschaffene Situation hinausgeht, als sie unter
Rückgriff auf die biologische Entwicklung herausstellt, daß der
menschliche Erkenntnisapparat deshalb zur Erkenntnis der
Rcalwelt fähig ist, weil er sich - abgekürzt gesagt - im Verlaufe
einer langen schon vormcnschlichcn Entwicklung an die
objektive Realität mehr oder weniger (hier stecken im Detail
noch viele Probleme) angepaßt hat (vgl. z. B. u.a.: G. Vollmer:
Evolutionäre Erkenntnistheorie, 1975). Damit ist dann allcr-
ding, wie schon das Beispiel des kritischen Realisten Eduard
von Hartmann und der neueren Schule des kritischen Realismus
zeigte, die übertriebene Abgrenzung gegenüber der Metaphysik
im Gefolge des Neukantianismus und Positivismus
hinfällig geworden. Aber für Link ist das offenkundig inakzeptabel
, er orientiert sich philosophisch trotz alles Problematisierens
letztlich doch an Kant und dem Neopositivismus im
weitesten Sinne des Wortes.

Sicher könnte es durchaus weiterführend sein, theologisch
davon auszugehen, daß von der Vorgabe des Glaubens
her die Welt ein Gleichnis ist, das auf Gott verweist.
Aber im Anschluß an Karl Barth möchte Link nur davon sprechen
, daß sie u. U. zum Gleichnis werden kann, jede onto-
logische Festlegung soll vermieden werden (302ff) „Gott läßt
sich nur erkennen, indem er die Welt zu seinem Gleichnis
macht. Mehr als das kann eine .natürliche' Theologie nicht sagen
, ohne erneut zur Metaphysik zu werden. Darum ist der
theologische Ort, von dem her sie begründet sein will, die
Eschatologie. Denn der Name .Eschatologie' verweist, wie immer
man ihn deuten mag, auf Gottes Zukunft in der Welt und
deren Präsenz in der Gegenwart" (337).

Dem Rez. ist, um es abschließend noch einmal klar zu sagen,
mit Link und dem von ihm zitierten E. Schillebeckx, überaus
einleuchtend, daß nur dann, „wenn unsere menschliche Realität
selbst einen realen Hinweis auf Gott enthält, der dann auch erfahren
wird", christlicher Glaube kein „nutzloser Überbau über
der menschlichen Realität ist" (315), aber der Weg, den Link
aufweist, um eine solche Position zu erreichen, ist ihm leider
überhaupt nicht einleuchtend. Das mag durchaus daran liegen,
daß er aus einer gänzlich anderen theologischen und philosophischen
Ecke herkommt. Angesichts der Dringlichkeit des Anliegens
hofft er daher aufrichtig, daß anderen das Buch von
Link sehr viel mehr geben möge.

Berti« Hans Hinrich Jcnssen

Baier, Klaus Alois: Unitas ex auditu. Die Einheit der Kirche im
Rahmen der Theologie Karl Barths. Bern - Frankfurt/M. -
Las Vegas: Lang [1978). 284 S. 8° = Basler und Berncr Studien
zur historischen und systematischen Theologie, 35. Kart
sfr. 51,-.

Eine Erlanger evangelisch-theologische Dissertation, die aufzuzeigen
unternimmt, warum die Theologie K. Barths das ökumenische
Gespräch nachhaltig beeinflußt hat und in welcher
Weise sie für dasselbe weiterhin hilfreich sein kann. Der dem
Luthertum entstammende Autor zeigt für Barths Gedanken so
viel Sinn, daß die Lektüre Freude macht; immer wieder gelingen
ihm treffliche Formulierungen. Er spricht mit seiner Studie

in eine ökumenische Situation, in der konfessionelles, religiösindividualistisches
und säkularökumenisches Denken auscin-
;mdcrstrcben (22ff), in der, nicht ohne Barths Einfluß, im evan
gclischen Bereich in Gestalt der „Leuenberger Konkordic" ein
hoffnungsvoller (wenn auch nicht ganz optimaler) Schritt voran
geschehen ist (25ff, vgl. 187) und in der katholischerseits nach
erstaunlichen Aufbrüchen die Fenster wieder zugezogen werden
(191ff). Barths Votum zur Einheit der Kirche stellt Vf. im Kontext
der Barthschen Ekklesiologie und sie, sachgemäß, in demjenigen
seiner ganzen und zentralen Theologie vor. Denn:
„Spricht Barth über die Kirche, so beginnt er nicht bei der
Kirche, sondern bei Gott" (58). Methodisch teilt Baier Barths
Wirken in die drei Abschnitte der Römcrbricf-Zeit, des Übergangs
(1925-1931) und der Zeit der Kirchlichen Dogmalik (bis
1968).

In der Darstellung der Römerbrief-Zeit fällt zunächst auf,
wie ausgeprägt Elemente, die später bei Barth zum Tragen
kommen, bereits vorhanden sind - christologischc Konzentration
(38f), typisch Barthsche Erwählungslehrc (43) -, wie denn
in Barths Lebenswerk die Kontinuität „stärker als die Diskontinuität
" sei (32). Für den Römer-Kommentar ist jede
Kirche (nicht-crwähltc, nur-rcligiösc) Esau-Kirchc, kann indes
in Christo jede Kirche Jakob-Kirche werden (45). Darin
steckt etliches für die Erkenntnis der Kirche als einer. Baier
kritisiert aber, daß Barths aktualistisch-transzendentalistische
Denkform jener Zeit die Kirche keine Kontinuität in der Geschichte
gewinnen lasse (42. 62ff): Das Sündersein erscheint als
stärker als Gottes Gnade, die im einen Wort Gottes angelegte
Einheit der Kirche „wird im Glauben zwar erkannt, kann
aber n i e sichtbare Gestalt annehmen" (72). - Einerseits ist
zu erwägen, ob nicht Baier durch seine konkrete Fragestellung
der Grenze des damaligen Barthschen Denkens besonders deutlich
und kompetent ansichtig wird? Gleichwohl sollte stärker
bedacht werden, daß Barth seine damaligen theologischen Akzente
nur „als Korrektiv, als das .bißchen Zimt' zur Speise"
(Vorträge I, 100) versteht, so daß auch von den Barthschen
Denkformen jener Epoche gilt, was Baier für später konzediert,
daß sie nämlich „im Sinne der Thcologie(l) Barths zur Anwendung
" kommen (111). Daß die Sichtbarkeit der Kirche für Barth
„in diesen Jahren keine besondere Rolle" spiele (74), kann man
doch nicht mehr sagen, wenn man Barths Pfarramt oder literarisch
seinen Briefwechsel mit Thurneysen mitbedenkt. Barth
wird auch nicht um so kompetenter, je weiter er sich von der
Theologie des Römerkommentars entfernt, wenn anders keine
biblische und keine reformatorische Theologie undialektisch
ist. Baier selbst wird später das aktualistisch-kritische Element
in Barths gesamter Theologie anerkennen (z. B. 116. 129. 189).

In der .Übergangszeit' findet Vf. bei Barth die Kirche stark
thematisiert und zusammen mit der Christologie die Ekklesiologie
konkretisiert (76). Aus .Offenbarung und Geschichte' wird
.Offenbarung und Kirche' (79), die nun positiven Sinn
gewinnt (80). Wie für Barth aber das Dogma ein eschatologi-
schcr Begriff bleibt (85), so auch die Einheit der Kirche. Kirchenspaltung
ist Sünde, aber unser glaubendes Hören, Reden,
Gestalten unterliegt in der Zeit zwischen Fall und Erlösung
der Sünde. Nur in der eigenen konfessionellen Schule
haben wir die Chance, Gott neu zu hören und uns so der Herr
schaft der Sünde bewußt zu werden. Darin liegt immerhin die
Chance, „daß wir unsere eigene theologische Wirklichkeit nicht
mit der Wahrheit verwechseln und darum auch nicht die vielfach
sehr fatale theologische Wirklichkeit Anderer mit der Unwahrheit
" (Vorträge 111,89). - Es verwundert nicht mehr, daß
Baier solcher Rede von kirchlicher Einheit noch nicht froh wird
und daß er sie mit Barths noch nicht gewandelten Denkformen
in Beziehung setzt (94ff). Oder hatten, fragen wir, neue
Akzente einfach noch nicht ihre Zeit?

Der Zeitabschnitt der Kirchlichen Dogmatik ist derjenige, in
dem Barth mit der Frage der Einheit der Kirche am meisten
befaßt ist - im Kirchenkampf; mit seinem ökumenischen Engagement
von Amsterdam bis Evanston; als leidenschaftlicher
Beobachter des II. Vatikanischen Konzils -, in dem er zugleich
auch theologisch am besten für sie gerüstet ist, u. zw. durch