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Ausgabe:

1980

Spalte:

278-280

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Herr, Theodor

Titel/Untertitel:

Naturrecht aus der kritischen Sicht des Neuen Testamentes 1980

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 4

278

2 E. Gräfier, Jesus in Nazarcth (Mk 6,l-6a). Bemerkungen zur Redaktion und
Theologie des Markus, in: BZNW 40. 1972,1 ff = E. G.. Text und Situation.
Ges. Aufsätze zum Neuen Testament. 1973,13ff.

3 Zuletzt R. Peseh. Das Markusevangelium I, 1976 (HerderKomm II/l), S. 321.

Egger, Wilhelm: Frohbotschaft und Lehre. Die Sammclberichle
des Wirkens Jesu im Markusevangelium. Frankfurt/M.:
Knecht 1976. VIII, 184 S. gr. 8° = Frankfurter theologische
Studien. 19. Kart. DM 37,-.

Diese bei I. de la Pottcrie am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom
geschriebene Dissertation schliefet insofern eine Lücke, als eine
neuere monographische Untersuchung zu den Summarien des
iiitesten Evangeliums bislang noch nicht vorlag. Dies ist um so
erstaunlicher, als die redaktionsgcschichtlichc Forschung die
Bedeutung der Sammelberichte als Quelle der Theologie der
Evangelisten und darüber hinaus als maßgeblich die Gattung
„Evangelium" prägende Strukturelemente seit langem erkannt
hat.

Egger setzt ein mit einem vorbildlich klaren Forschungsbericht
. Aus ihm ergibt sich hinsichtlich der Einstellung der
alten Litcrarkritik und der klassischen Formgeschichtc zu den
Sammelberichten ein höchst ambivalentes Bild. Einerseits sind
beiden Forschungsrichtungen wesentliche Impulse zu verdan
ken: So hat E. Wendling (Ur-Marcus, 1905; Die Entstehung
des Marcus-Evangeliums, 1908) bereits den redaktionellen Charakter
der Summarien und einige der sie prägenden literarischen
Charakteristika erkannt, und R. Bultmann hat grundsätzliche
Überlegungen über ihre Eigenart angestellt. Andererseits
war das Interesse an den Summarien vorwiegend negativ:
bei den Literarkritikern, weil sie für die Suche nach authentischen
Quellen nichts hergaben, und bei den Formgeschicht-
lern, weil sie keiner vorliterarischen Gattung zugeordnet werden
konnten. Eine positive Würdigung erfuhren sie erst durch
C. H. Dodd (The Framework of the Gospel Narrative, ExpT 43,
1931-32, 396-400). allerdings in Gestalt der unhaltbaren These,
daß hinter den Summarien ein vorliterarischer kurzer Abriß
der Tätigkeit Jesu gestanden habe. Für die redaktionsgcschichtlichc
Epoche nennt Vf. als weiterführend vor allem die Arbeiten
von E. Schweizer (Die theologische Leistung des Markus,
EvTh 24, 1964, 337-355) und I. de la Potterie (De compositionc
evangelii Marci, VD 44, 1966, 135-141), in denen die Summarien
als Strukturclemente, die das vielfältige im Evangelium
verwendete Material zur Einheit verklammern, untersucht werden
.

Vor der Untersuchung der einzelnen Sammelberichtc bringt
Egger einen Überblick, in dem er ihre durchgängig aufzuweisenden
Eigenheiten zusammenstellt. Dabei ergeben sich drei
feste Strukturelemente: „Angabc über das Kommen Jesu in
eine bestimmte Ortschaft, Schilderung des Zusammenströmens
der Volksmenge, Beschreibung des Wirkens Jesu" (37). Auch
Wortschatz, Satzkonstruktion und Tempusgebrauch erweisen
sich als weitgehend stereotyp. Kompositorisch herrscht die
..Mosaiksteintechnik" vor: „die einzelnen literarischen Motive
werden . .. wie Mosaiksteine nebeneinandergesetzt" (ebd.).

Bei seiner Einzelanalyse ordnet Egger die Sammelberichtc
je nach ihrer Funktion im Aufbau des Evangeliums in Gruppen
zusammen. Zur ersten Gruppe rechnet er die Sammelberichtc
in Mk 1 (V. 14f. 21f. 32-34. 39.45), deren Funktion es ist, das
Kommen und die Verkündigung Jesu zusammenfassend darzustellen
. Die zweite Gruppe umfaßt Mk 3,7-12 und 4,lf und
dient der Einführung der Gchcimnisthcoric des Evangelisten.
Eine dritte Gruppe mit dem Thema „Jesus als Lehrer und Arzt
bilden Mk 6,30-34 und 6,53-56. Drei weitere Sammelberichtc
(Mk 2,13; 6,6b; 10,1) faßt Vf. unter dem Oberbegriff „Lehr-
summarien" zusammen: In ihnen steht das Stichwort didaskein
an hervorgehobener Stelle, und sie schildern eine über längere
Zeit andauernde Lehrtätigkeit Jesu, „die vom Sprachlichen her
durch den Gebrauch des Imperfekts und des Partizips unterstrichen
ist" (143). Die Analyse der Texte erfolgt im wesentlichen
stets nach einem gleichbleibenden Schema: zunächst werden
Aufbau und literarische Eigenart untersucht, dann die zugrundeliegenden
Traditionen bzw. die zentralen Begriffe und
schließlich wird die Zielrichtung der redaktionellen Verwendung
ermittelt.

Die Ergebnisse werden in einem abschließenden Kapitel über
„Entstehung, Zweck und theologische Aussage der Sammelberichtc
" zusammengefaßt. Demnach hat Mk nur zwei Sammcl-
berichte aus der Tradition übernommen und nach entsprechender
Überarbeitung in sein Evangelium eingebaut: Mk 1,32-34
und 6,53-56. Die übrigen erweisen sich durchweg als sein Werk.
Dabei bestätigt sich die Vermutung der klassischen Formgeschichte
, wonach Mk die Motive für die Gestaltung der Summarien
aus den weithin von ihm verarbeiteten Einzelperikopen
gewonnen hat. Von ihm selbst eingebracht wurden jedoch die
theologischen Themen und die Fachausdrücke der Missionssprache
(wie euaggelion und keryssein in Mk l,14f. 39. 45). Des
weiteren bestätigt sich, daß Mk ein konservativer Redaktor ist.
Die literarischen Mittel, mit denen er die Summarien gestaltet,
sind äußerst kunstlos,- „vielfach handelt es sich nur um eine
Zusammenstellung von Motiven und Themen" (158). Neu und
theologisch weiterführend ist einmal das Bezugssystem der
einzelnen Motive, innerhalb dessen sie sich gegenseitig interpretieren
. Neu ist ferner die Akzentuierung, die der Evangelist
durch Wiederholung und Verstärkung von Motiven schafft,
etwa wenn er immer wieder die Jesus umgebende Volksmenge
erwähnt, wenn er wiederholt auf Jesu Lehrtätigkeit verweist,
oder - und dies ist wohl der kräftigste von Mk gesetzte Akzent
- wenn er die in der Tradition vorgegebene Verborgenheit
Jesu (Mk 1,35; 6,45) im Sinne seiner Geheimnistheorie
ausdeutet. Nicht zuletzt ist die theologische Absicht des Mk in
der Auswahl der in den Summarien zum Tragen kommenden
Motive spürbar: Egger weist mit Recht darauf hin, daß sie
„kein besonderes Interesse an der Hciltätigkeit Jesu" verraten
(159). Ein eigentliches markinisches Wundcrsummarium gibt
es nicht, denn Mk 1,32-34 und 6,53-56 gehen im wesentlichen
auf Tradition zurück; Mk 3,7-12 ist zwar markinisch, aber
hier geht es nicht zentral um die Wunder, sondern um die Wahrung
des Geheimnisses durch Jesus. -

Eine weitere Leistung der Redaktion ist die Herstellung
eines durchlaufenden Erzählzusammenhanges. Durch die Summarien
wird die „innere Handlung" des Evangeliums strukturiert
(161). Und zwar will Mk einerseits bewußt historisieren,
d. h. er will einen vergangenen Geschehensablauf darstellen.
Andererseits gilt sein Interesse nicht dem äußeren Ablauf des
Lebens Jesu, sondern „dem in diesem Leben sich vollziehenden
Offenbarungsgeschehen" (161), d. h., er will deutlich machen,
wie sich in dem berichteten Geschehen die allmähliche Enthüllung
des Wesens Jesu vollzieht. So bestimmen die drei Summarien
Mk l,14f; 3,7-12 und 6,6b.30-34 die Gestalt des Evangeliums
, indem sie wichtige Stufen der Enthüllung des Geheimnisses
markieren, wie denn Vf. überhaupt in der Gchcimnisthcoric
das „Formprinzip des Mk-Evangcliums sehen" möchte
(163).

Das Buch von Eggers fügt den heute die Diskussion um das
Mk-Ev beherrschenden Hypothesen keine weitere hinzu. Es ist
im Gegenteil gekennzeichnet durch eine große Vorsicht und
Zurückhaltung des Urteilens. Aber deshalb ist es keineswegs
überflüssig. In solider, methodisch sauberer Weise wird hier
ein Stück exegetischer Kleinarbeit aufs ganze gesehen eindrucksvoll
bewältigt. Nur auf dem Weg über solche Kleinarbeit
wird m. E. das große Ziel einer Erfassung der Theologie
des Mk erreicht werden können, ein Ziel, von dem wir allerdings
noch weit entfernt zu sein scheinen.

Erlangen Jürgen Roloff

Herr, Theodor: Naturrecht aus der kritischen Sicht des Neuen
Testaments. Münchcn-Pnderborn-Wicn i Schöningh 1976. 298 S.
gr. 8° = Abhandlgn zur Sozialethik, 11. Kart. DM 42,-.

Die Fragestellung, unter der die vorliegende Untersuchung,
eine dem Fachbereich Katholische Theologie der Universität