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Ausgabe:

1980

Spalte:

274-275

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Trilling, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die Botschaft Jesu 1980

Rezensent:

Haufe, Günter

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273

Theologische Litcraturzcitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 4

274

Breilenstein, Urs i Beobachtungen zu Sprache, Stil und Gedankengut
des Vierten Makkabäerbuchs. Basel-Stuttgart i Schwabe
[1976]. 212 S. 8° sfr. 30,-.

Die griechisch abgefafjte Literatur des Judentums der hellenistisch
-römischen Epoche erfreut sich seit einiger Zeit erneut
des Interesses auch der Altphilologen1. In I befaßt sich U. Breitenstein
mit dem Wortschatz des 4Makk, in I 1 mit dem „biblischen
", d. h. dem auch in den kanonischen Schriften der LXX,
den Apokryphen, dem Neuen Testament und der (sonstigen)
urchristlichen Literatur begegnenden (13-24). Vergleichende
Statistiken und Wortlisten (etwa für spezifische Gemeinsamkeiten
des 4Makk mit 2Makk oder Sap) spielen hier ebenso
eine Rolle wie in I 2, wo „Der nichtbiblische Wortschatz des
4Makk" behandelt wird; dabei unterscheidet B. zwischen dem
klassischen, nachklassischen, vorchristlichen und nachchristlichen
Wortschatz'-'. Zu der Liste der 26 Hapaxlegomena des
Ps-Ios (wie B. gern sagt) wäre übrigens zu bemerken, daß
einige der Neubildungen mit eigentümlich jüdischen Vorstel-
lungs- bzw. Ausdrucksweisen (ggf. solchen der LXX) in Zusammenhang
stehen'1. Weitere 15 Wörter sind immerhin seit
dem 2. Jh. n. Chr. belegt (zur Datierung von 4Makk durch
B. s. u.). Von diesen ist etwa phötagögeö bereits Anfang des
2. Jh. auch par Jer 5,34 gebraucht'', in einer Schrift, die nicht
unter dem Verdacht einer Vorliebe für besondere und gar eigene
Wortbildungen steht, wie für B. (gewifj nicht ohne Grund)
Ps-Ios. Zu I gehört auch Exkurs I (181-188), in dem die „va-
riatio im Wortschatz" exemplifiziert wird an den Ausdrücken
für Folter, Tod, Vorführen der Märtyrer, an den Ableitungen
von psyche, an den agonistischen Vokabeln usw/'

In II, „Syntaktisches", sammelt B. das Material zum Gebrauch
der Modi (32-70) und der Genera (70-75) des Verbs sowie der
Präpositionen (76-83) und der Partikel (84-90) und ordnet
ihn in die sprachgeschichtliche Entwicklung ein. Dazu stellt er
ein Einwirken des Attizismus besonders im Oplativgebrauch
heraus, während mannigfache Beobachtungen nur die Signatur
nachklassisch oder hellenistisch erhalten; manche lassen sich
nach B. lediglich mit der Vorliebe des Ps-Ios für Abwechslung
erklären.

Für die Kennzeichnung des 4Makk als literarisches Erzeugnis
des Diasporajudentums am wichtigsten ist wohl III, „Rhetorisches
", mit der abschließenden Feststellung: „Man muß
Ps-Ios als Rhetor . . . einen Asiancr nennen . . . Sprachlicher
Attizismus ist durchaus vereinbar mit der Haltung des Asia-
nismus" (130). B. zeigt die Handhabung der zahlreichen Stil-
mittel zeitgenössischer Rhetorik zuerst eingehend an den 33
Redestücken des 4Makk auf (91-113); „Rhetorisches außerhalb
der Reden" führt er 114-129 vor. Das Einzelne muß man bei B.
selbst nachlesen. Auch in III spielt die Tendenz des 4Makk zur
variatio eine Rolle.

In IV schließlich äußert sich B. zu der Philosophie des Ps-Ios
(131-179), der Affcktcnlchrc, den philosophischen .Einschübcn'
(6,31-35 usw.), dem Verhältnis zwischen philosophischer Einleitung
und Märtyrerbericht'', den Einflüssen der Philosophie
der Zeit usw. Diese kommen von den verschiedensten Seiten
(Einzclhinweise besonders 158-167). Indessen hatte Ps-Ios etwa
„von zeitgenössischer Ethik oder auch nur von stoisicrenden
Schriften keine Ahnung" (150); die Ergebnisse in IV lassen den
Autor „nicht nur als unselbständigen, sondern auch als recht
verständnislosen Kopf erscheinen" (179). In IV geht B. auch
kurz „auf die für uns schwer nachzuvollziehende Glcichsetzung
von Vernunft und Frömmigkeit bei Ps-Ios" (168) ein; er erkennt
jedenfalls den sachlichen Zusammenhang mit der Theologie
der Tora. Der gewiß zunächst überraschende Gebrauch
von logismos in 4Makk wird freilich erst innerhalb der Gedankenwelt
des sog. hellenistischen Judentums überhaupt verständlich
.

Der Vf. hat durch die Vorführung und Gruppierung des Lexikons
und der Grammatik und besonders der rhetorischen Bau
teile des 4Makk unter den gegebenen methodischen Gesichtspunkten
, durch das Beibringen von entsprechendem Material
aus anderen Texten und das Aufzeigen daher sich ergebender

Möglichkeiten der Einordnung der Schrift die Erforschung
eines bestimmten Typs der jüdisch-hellenistischen Literatur gefördert
und für ihre Weiterführung mannigfache Anregungen
gegeben.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Als Pendant zu der hier zu besprechenden Baseler Dissertation von 1974
vgl. Wolfgang Richnow, Untersuchungen zu Sprache und Stil des zweiten
Makkabäerbuches, Diss. phil. Görtingen 1966 (hektogr.).

2 Welche der zahlreichen Indices zu antiken Autoren für die Aufstellungen
neben den Lexiken benutzt wurden, erfährt man nicht.

3 Das Hapaxlegomenon miaiophagia begegnet immerhin in 4Makk 4mal.
das zugehörige Verb (kirchlich belegt) hier 9mal; miaros ersetzt das dem
Judentum im rituellen Sinn geläufige koinos. Es ist durchaus möglich, dafj Ps-
Ios beide Komposita bereits als jüdische Bildungen vorfand.

'• B. führt Celsus und Clem Alex an (29 A. 2); s. weiter test Abr A 7
(p. 84, lf James).

r' Exk. II (189-196) kritisiert Einzelheiten der Übersetzung des 4Makk durch
A. Deissmann in E. Kautsch, Die Apokryphen und Pscudepigraphen des Alten
Testaments II, Tübingen 1900.

,: Inhaltliche und formale Spannungen innerhalb des 4Makk erklärt B. mehrfach
daher, dafj die Schrift .nicht fertig ausgearbeitet" (143) vorliegt.

Neues Testament

Trilling, Wolfgang i Die Botschaft Jesu. Exegetische Orientierungen
. Frciburg-Bascl-Wicn i Herder 1978.122 S. 8°. DM 16,80.

Der schmale, aber gehaltvolle Band vereinigt drei Abhandlungen
, die der Autor bereits anderwärts fast gleichlautend
publiziert bzw. vorgetragen hat. Sie wollen eine Position markieren
und als Orientierungshilfe anbieten, die T. in die ihm
wichtig gewordene thesenhafte Formulierung faßt: „Jesu Gottesverkündigung
formiert und trägt seine Botschaft von der
Gottesherrschaft" (10 u. ö.).

An erster Stelle steht die für Nichttheologcn bestimmte Skizze
: „Die Botschaft Jesu" (19-56), die bereits in dem Sammelband
„Was haltet ihr von Jesus?" (Leipzig 1976) erschienen ist
(vgl. meine Rez. ThLZ 105, 1980 Sp. 191-193). Indem T. zunächst
Texte zur Gottesverkündigung Jesu interpretiert, schafft er sich
die Möglichkeit, aus der Art des Redens Jesu von Gott Jesu
Art des Redens von der Gottesherrschaft zu erklären, so daß
sich die oben zitierte These ergibt. Ein theologisch wie hermc-
neutisch ansprechender Versuch, die Botschaft Jesu als Einheit
zu fassen und dem Vorwurf des „Irrtums" Jesu zu begegnen!
Hinzugekommen ist ein Nachtrag zum Thema „Naherwartung",
in dem T. die bekannten „Terminworte" (Mk 9,1; 13,30; Mt
10,23) der nachösterlichen Gemeinde zuweist und zugleich sich
dagegen wendet, die unbestreitbare „Naherwartung Jesu" von
dem Kontext der übrigen Botschaft zu isolieren.

An zweiter Stelle folgt ein Beitrag zum Thema „Jesus und
die Kirche" unter dem Stichwort „implizite Ekklesiologie' (57
bis 72), der für die Festschrift zum 25jährigen Bestehen des
Philosophisch-Theologischen Studiums in Erfurt (Leipzig 1977)
verfaßt wurde. In naheliegender Anlehnung an die verbreitete
Rede von der „impliziten Christologie" Jesu schlägt T. vor,
gleichzeitig und in notwendiger Ergänzung von einer „impliziten
Ekklesiologie" Jesu zu sprechen, die mit dem geschichtlichen
Anfang der soteriologisch verstandenen Basileia-Scndung
Jesu gegeben ist, den Gott nach Ostern einer an diesen Anfang
gebundenen Kirche anvertraut. Freilich bleibt zu fragen, ob
von den Texten her die Rede von der „impliziten Ekklesiologie"
die gleiche Überzeugungskraft gewinnen kann wie die von der
„impliziten Christologie".

An dritter Stelle steht der von T. auf dem 3. Europäischen
Theologenkongreß 1976 in Wien gehaltene und schon dort stark
beachtete Hauptvortrag „Die Wahrheit von Jesusworten in der
Interpretation neutestamentlicher Autoren" (73-95). T. fragt,
angeregt von neueren sprachphilosophischen Erwägungen,
nach der „Rezeptions-" bzw. „Wirkungsgeschichte" des Wortes
Jesu im Sinne seiner „Sprache" bzw. seiner „Sprachhandlun-