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Ausgabe:

1980

Spalte:

231-234

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Barth, Karl

Titel/Untertitel:

Ethik 1980

Rezensent:

Schellong, Dieter

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Theologische Litcraturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3

232

Goldschmidt, Dietrich: Verständnis von Religion bei Karl Barth

(ThPr 13. 1978 S. 88-90).
Herms, Ellert: Gotteslehre und Ideologiebegriff (EvTh 38, 1978

S. 61-78).

Joest, Wilfried: Karl Barth und das lutherische Verständnis
von Gesetz und Evangelium. Gedanken und Fragen zur
Wiederaufnahme einer stehengebliebenen Diskussion (KuD
24, 1978 S. 86-103).

Kim, Kyuun-Tschin: Gottes Sein in der Geschichte. G. W. F.
Hegels Gottesverständnis nach seiner „Vernunft in der Geschichte
" und K. Barths Kritik an Hegel (EvTh 38, 1978
S. 19-37).

Krusche, Werner: Gemeinschaft. Thesen (KuD 24, 1978 S. 78
bis 85).

Leuze, Reinhard: Zum Religionsbegriff (ThPr. 13, 1978 S. 100
bis 103).

Morel, Bernard: Ist der Glaube religiös? (ThPr 13, 1978
S. 104-107).

Mostcrt, Walter: „Fides creatrix". Dogmatische Erwägungen
über Kreativität und Konkretion des Glaubens (ZThK 75,
1978 S. 233-250).

Pannenberg, Wolf hart: Die Auferstehung Jesu und die Zukunft
des Menschen (KuD 24, 1978 S. 104-117).

Rendtorff, Trutz: Die Kirche als dogmatische Form der Freiheit
. Ein Kapitel aus der Geschichte des christlichen Freiheitsbewußtseins
(EvTh 38, 1978 S. 183-197).

Sauter, Gerhard: Fragestellungen der Christologie (II) (Bh
EvTh 23, 1978 Heft 1 S. 21-41).

— : Kirche als Gestalt des Geistes. Das theologische und soziologische
Problem der Institutionalität christlicher Gemeindebildung
(EvTh 38, 1978 S. 358-369).

Schlctte, Heinz Robert: Von Religion B zu Religion A: ein
Rettungsversuch (ThPr 13, 1978 S. 108-110).

Seim, Jürgen: Wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir „Gott"
sagen? (EvTh 38, 1978 S. 269-279).

Slenczka, Reinhard: Schöpfung und Wunder. Ein dogmatischpraktisches
Exerzitium zur Frage nach Wirklichkeit und
Wahrheit des Heils (KuD 24, 1978 S. 118-130).

Welker, Michael: „Rechtfertigung im neuzeitlichen Lebenszusammenhang
" (EvTh 38, 1978 S. 164-179).

Systematische Theologie: Ethik

Barth, Karl: Ethik I. Vorlesung Münster, Sommersemester

1928, wiederholt in Bonn, Sommersemester 1930. Hrsg. v.

D. Braun. XIII, 435 S.
— : Ethik II. Vorlesung Münster, Wintersemester 1928/29,

wiederholt in Bonn, Wintersemester 1930/31. Hrsg. v. D.

Braun XI, 504 S. Zürich: Theologischer Verlag 1973 u. 1978.

8° = Karl Barth-Gesamtausgabe. II. Akademische Werke

1928.

Angesichts des umfangreichen literarischen Werkes, das Karl
Barth in seinem langen Leben der Öffentlichkeit übergeben
hat, überkommt einen zunächst Beklemmung, wenn man hört,
daß nun noch ein großer Nachlaß gedruckt werden soll und
schon im Erscheinen begriffen ist. Vertieft man sich aber in
die bisher erschienenen Nachlaßbände, wird man den Herausgebern
und Veranstaltern dankbar werden dafür, daß sie das
Unternehmen in Gang gesetzt und schon in dem ersten Dezennium
nach Barths Tod auf 11 Bände vorangebracht haben. Ich
sehe die Bedeutung dieses Nachlasses darin, daß er uns Barth
als Suchenden bei der Arbeit zeigt, daß man also in die Werkstatt
hineinschaut und daß dadurch die stilistisch immer recht
fertig und endgültig wirkenden öffentlichen Verlautbarungen
Barths in Bewegung geraten und vom Leser besser als Teile
eines geistigen Bewegungsprozesses mitvollzogen werden können
. In erster Linie tragen dazu natürlich die Briefe bei, aber
ich war überrascht, in welch hohem Maße die frühen Predigten
Einblick gewähren in die Entwicklung und die Intensität von

Barths theologischem Denken und in die Verflochtenheit seiner
theologischen Aussagen mit den Erfahrungen der Zeitgeschichte
und mit seinem seelsorgerlichen Wollen. Barths schriftstellerisches
Werk gewinnt durch das neuzugängliche Material
aus dem Nachlaß enorm an Lebendigkeit, und dadurch bedeutet
dessen Veröffentlichung keine zusätzliche Belastung, sondern
eine Erleichterung im Verstehen der theologischen Lebensarbeit
Karl Barths. Wird man der Kirchlichen Dogmatik
gegenüber leicht zum reinen Rezipienten oder zum pauschal
Ablehnenden, so fördern die Nachlaßbände das selbständige
Mit- und Weiterdenken.

Auch die Ethikvorlesung, die hier anzuzeigen ist, ist ein Stück
auf dem Weg von Barths Denkentwicklung. Die bekannte
Vorordnung des Evangeliums vor das Gesetz bahnt sich wohl
an, ist aber noch nicht durchgeführt. Und der christologische
Analogiegedanke fehlt noch gänzlich. Gerade dieses Fehlen
zwingt den Leser, von neuem darüber Gedanken anzustellen,
ob und in welcher Weise ihm der Weg zur christologischen
Analogie als notwendig und sinnvoll einleuchtet oder ob und
wie er als vermeidbar vorzustellen wäre. Auf der anderen
Seite zeigt der unvollendete Ethiknachlaß aus Barths Spätzeit,
der den letzten Teil der Vcrsöhnungslehre in der KD bilden
sollte (IV/4) und den H. A. Drewes und E. Jüngel 1976 unter
dem Titel „Das christliche Leben" herausgegeben haben, daß
es so schematisch, wie mancher meint, mit dem Analogiegedanken
auch wieder nicht geht und daß Barth bis zuletzt in
der theologisch-ethischen Argumentationsweise ein Suchender
war.

Der systematische Aufbau steht für Barth schon 1928 fest.
Angesichts dessen, daß die Einteilung nach den drei Glaubensartikeln
konstant geblieben ist, wird der Leser an den beiden
Nachlaßbänden von 1928/29 unterschiedliches Interesse nehmen
. Der erste Band (vom Sommer 1928), der die Grundlegung
und die Ethik nach dem ersten Glaubensartikel enthält,
ist sachlich in der KD (U/2 und HI/4) in späterer Ausprägung
enthalten. Das wird dazu verlocken, den Vergleich des früheren
mit dem späteren Denkstadium durchzuführen. Vielleicht
wird mancher auch die Kürze schützen, in der sich Barth hier
im Vergleich zur KD äußert. Generell gibt es noch keine biblischen
Exkurse. Der zweite Ethikband (vom Wintersemester
1928/29) dagegen, der die Ethik nach dem zweiten und dritten
Glaubensartikel entfaltet, hat in der KD keine Parallelen
mehr. Und der schon genannte Nachlaßband mit den ethischen
Vorarbeiten zu KD IV/4 ist zu rudimentär, um einen Vergleich
zu erlauben — so bewegend es ist, daß Barth noch im hohen
Alter seinen Ansatz immer neuen Korrekturen unterwarf. Am
auffälligsten ist, daß die Ethik des 2. Artikels 1928/29 zentral
von den Begriffen Gesetz und Sünde ausgegangen ist, also noch
nicht das Thema des für das Evangelium dankbaren Menschen
kennt. Die Dankbarkeit kommt in dieser frühen Fassung
erst in der Ethik des 3. Artikels vor, unter dem Gesichtspunkt
der eschatologischen Verheißung. Man wird fragen müssen
, ob sich Barths eschatologisches Denken in späteren Jahren
nicht zu einer Theologie der schon realisierten Eschatolo-
gie verschoben hat. Aber tendierte nicht der junge Barth des
2. Römerbriefes sogar zur Eschatologie des zeitlosen Augenblicks
? Und bedeutet der Ethiknachlaß aus KD IV/4 nicht eine
erneute Wende im eschatologischen Denken durch die exklusive
Abstellung der Ethik auf das Gebet? Auch hier finden wir
Barth in ständiger Bewegung, in Prozessen des Umdenkens
und Neudenkens begriffen, ohne daß eine Gestalt seiner Theologie
als die endgültige dastehen könnte. Mir scheint die Art
der eschatologischen Ausrichtung der Theologie in Barths mittlerer
Zeit von der früherer und späterer Jahre unterschieden
und besonderer Beachtung wert zu sein. In ganzer Deutlichkeit
ist sie m. W. nur in diesen Ethikbänden von 1928/29 zu
greifen.

Darüber hinaus zähle ich die Ethik unter dem Gesichtspunkt
des 3. Artikels zum Schönsten, das uns aus Barths Nachlaß bisher
zu lesen gegeben wurde. Vielleicht am wichtigsten dabei
ist der Paragraph über das Gewissen, das von Barth sehr be-