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Ausgabe:

1980

Spalte:

215-216

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Feld, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Anfaenge der modernen biblischen Hermeneutik in der spaetmittelalterlichen Theologie 1980

Rezensent:

Hoffmann, Fritz

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Nowak, Kurt: Reflexionen eines Liberalen über Nationalsozialismus
und Christentum. Anmerkungen zu einem unveröffentlichten
Manuskript Hermann Mulcrts (JK Bh zu Heft 4
„Gottes Wort ist nicht gebunden" 1978 S. 19-25).

Osten-Sacken, Peter von der: Rückzug ins Wesen und aus der
Geschichte. Antijudaismus bei Adolf von Harnack und Rudolf
Bultmann (WPKG 67, 1978 S. 106-122).

Rüsch, Ernst Gerhard: Dämonenaustreibung in der Gallus-Vita
und bei Blumhardt dem Älteren (ThZ 34, 1978 S. 86-94).

Schmeer, Reinhard: „Innere Linie" und Politik in den ersten
Nachkriegsjahren (JK Bh zu Heft 4 „Gottes Wort ist nicht
gebunden" 1978 S. 25-29).

Steck, Karl Gerhard: Der Einflufj Karl Barths in der Bekennenden
Kirche Deutschlands seit 1935 (EvTh 38, 1978 S. 252
bis 268).

Thierfelder, Jörg: Die Kirchlich-theologische Sozietät und das
Kirchliche Einigungswerk (JK Bh zu Heft 4 „Gottes Wort
ist nicht gebunden" 1978 S. 29-34).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Feld, Helmut: Die Anfänge der modernen biblischen Hermeneutik
in der spätmittelalterlichen Theologie. Wiesbaden:
Steiner 1977. 106 S. 8° = Institut für Europäische Geschichte
Mainz, Vorträge 66. Kart. DM 16,40.

Die rund hundert Seiten umfassende Schrift enthält einen
Vortrag, der am 20.11.1975 im Institut für Europäische Geschichte
in Mainz gehalten wurde. Er ist — wohl in erweiterter
Form? — in der von Josef Lortz herausgegebenen Reihe
der „Abteilung für Religionsgeschichte" dieses Institutes erschienen
. Allein wegen der Mannigfaltigkeit der Anregungen
und der Fülle des herangezogenen literarischen Materials verdiente
der Vortrag die Veröffentlichung.

Allerdings weckt die Überschrift andere Erwartungen. Das
Thema wird sehr im Rahmen einer theologischen Kritik an
der institutionalisierten Kirche, vor allem an ihrem Lehrami,
behandelt. Der Blick des Vf. richtet sich dabei nicht allein auf
die theologische Entwicklung, sondern umfa5t auch gleichzeitig
Vorgänge auf dem Gebiet der Kultur und der Kirchengeschichte
. Vf. setzt seine Analysen bereits im 13. Jh. an, das
auf dem Gebiet der Theologie (Thomas von Aquin), der säkularen
Politik (Kaiser Friedrich II), der Frömmigkeit (Franz
von Assisi) Phänomene zeigte, die einen neuen Impuls in das
Glaubens- und Weltverständnis brachten: eine geistige Öffnung
zum Welt-Sein und zum Mensch-Sein an sich. Mit diesem
emanzipatorischen Vorgang verknüpfte sich das Erwachen
eines Glaubensindividualismus, der von Franz von Assisi
kräftig angeregt wurde. „Seine Frömmigkeit und seine Predigt
sind bestimmt durch die Möglichkeit einer unmittelbaren
Beziehung zu Gott." (15). Dazu kommt bei Franziskus ein
neues Verhältnis zur Natur, die „ja im Christentum seit der
Spätantike teils diskriminiert, teils allegorisiert worden" war
(16). Die Konflikte innerhalb der franziskanischen Bewegung
führten nach Feld gegen Ende des 13. Jh. die theologische
Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Heiliger Schrift
herauf (21), unter der die weitere theologische Entwicklung
gesehen wird: vom franziskanischen Armutsstreit im 14. Jh.
über Marsilius von Padua, Wilhelm Ockham, Hus, Heinrich
Totting von Oyta, Gerson, Biel, Wendelin Steinbach bis John
Major. Während bei den ersten Theologen dieser Reihe das
Verhältnis von Kirche (Lehramt) und Schrift vorwiegend kritisch
dargestellt wird, zeigt sich bei den letzten, besonders bei
Steinbach und John Major eine gegenseitige Zuordnung und
Angewiesenheit.

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• Der Begriff des hermeneutischen Zirkels eröffnet uns heute
ein modernes Verständnis für ein inneres und sachliches Verhältnis
von Schrift und Kirche. Zwar taucht bei Feld nun dieser
Begriff auf (79), doch hätte man ihm gern eine ausführlichere
Behandlung gewünscht, zumal solches sich von den Quellen
her anbot. Aber hier hat wohl das reformatorische .Sola scriptum
' bremsend gewirkt.

Der Vortrag von Feld stellt einen Gesamtentwurf dar, den
man nicht kritisch auseinandernehmen sollte. Er gibt manche
Anregungen zum Überdenken alteingefahrener Positionen. Er
fordert aber auch unumgänglich Fragen heraus.

1. Vf. scheint sein Verständnis von biblischer Hermeneutik mit dem Gegensatz
einer von der Schrift ausgehenden Theologie zum kirchlichen Lehramt
gleichzusetzen. Wird hier die Entwicklung des Spatmittelalters nicht auf einen
verengenden Nenner gebracht, in ein Konzept, um dessen Grund-Sätze immer
noch gerungen wird (etwa das Verständnis biblischer Hermeneutik im Konzept
verschiedener theologischer Entwürfe; die Rolle des hermeneutischen Zirkels
für das Verständnis der Relation zwischen Schrift und Kirchcnglauben) ? Die
Kritik der Armutsbewegung wurde doch auch noch von anderen Motiven bestimmt
als von einem reinen Schriftprinzip.

2. Ist der Kirchenbegriff als „Gesamtheit der Gläubigen" bei Ockham nicht
wesentlich durch dessen Seins-Verständnis bedingt, jene .Metaphysik des
Singulären"? Dadurch würde doch der augustinische Ausspruch (.Ich würde dem
Evangelium nicht glauben, wenn nicht die Autorität der katholischen Kirche
mich bewegen würde' - CSEL 25, 197. 22 - Feld S. 22) bei Ockham ein anderes
Kolorit erhalten. Der aus Ockhams Dialogus zitierte Text (Feld S. 37
Anm. 67) legt solches Bedenken nahe.

3. Spricht sich nicht in der Naturbejahung des hl. Franziskus vielmehr ein
tief christliches Weltverständnis aus und weniger ein Vorlauf der Renaissance?
(Für den Begriff des „Christlichen Weltverständnisses" verweise ich auf Hans
Urs von Balthasar: Das Ganze im Fragment, Einsiedeln 1963, S. 74-95).

Mit diesen Fragen soll nicht angezweifelt werden, dafj die
vom Vf. so lebendig dargestellton Faktoren die Entwicklung
der spätscholastischen Theologie mitbestimmt haben.

Erfurt Fritz Hoffmann

Schwab, Wolf gang: Entwicklung und Gestalt der Sakramententheologie
bei Martin Luther. Frankfurt/M.: P. Lang;
Bern: H. Lang 1977. 418 S. 8° = Europäische Hochschulschriften
, Reihe XXIII: Theologie, Bd. 79. Kart. sfr. 64,-.

Diese materialreichc Studie, welche 1976 als Dissertation vom
Fachbereich Katholische Theologie der Universität München
angenommen wurde, geht in einer sorgfältig belegten und
umsichtig begründeten Interpretation vor allem den frühen
Aussagen Luthers zu Buße, Abendmahl und Taufe nach. Ihr
Ziel ist es, einerseits die Kernthese der durch A. Ritsehl und
W. Herrmann geprägten neuprotestantischen Lutherdeutung
von einer Auflösung des Sakramentes in das Wort zurückzuweisen
und hierdurch andererseits die katholische Gegenthese
von einem ockhamistisch bestimmten Sakramentsminimalismus
(J. Lortz 1956) aus den Angeln zu heben. Schwab kann
hierzu an die noch von Joseph Lortz, dem Altmeister der
neueren katholischen Lutherforschung, inaugurierte Sicht anknüpfen
, daß sich bei Luther vielmehr „eine gereinigte und
vertiefte katholische Sakramentsauffassung" andeute, die „in
der katholischen Kirche zu deren Nutzen dauernd ihren legitimen
Platz hätte haben können" (LuJ 36, 1969, 11). So rückt
der Akzent auf Luthers Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen
Tradition, wie sie in der Kampfschrift zur Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche aufgipfelt, deren freilich fideistisch
mißdeuteten Spitzensätze im Tridentinum inkriminiert wurden
. In dieser Konzentration auf Luthers Entwicklung bis
1520 liegt die Stärke und zugleich die Grenze des Werkes.
Luthers Neuansatz bei der Zuordnung von Verheißung und
Glaube wird in die Konfrontation zur mittelalterlichen Sakraments
- und Gnadenlehre gerückt; sein Einsetzen bei den In-
stitutiones, Ordinationes, Mandata der Heilsherrschaft Christi,
das sich schon 1520 andeutet aber erst seit 1530 voll ausgestaltet
, bleibt verdeckt. Vor allem seit dem Augsburgischen Reichstag
rückt der Reformator die vier Kernstiftungen des Gekreuzigten
und Auferweckten ins Zentrum: Evangeliumsverkündigung
, Taufe, Abendmahl und Schlüsselamt, ordnet ihnen das
Ministerium ecclesiasticum dienend zu und weitet diese Mitte

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3