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Ausgabe:

1980

Spalte:

204-208

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Maurer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Historischer Kommentar zur Confessio Augustana 1980

Rezensent:

Grane, Leif

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Ein Ausgangspunkt und eine Stütze für die weitere Arbeit
wurde dann der sog. Theologische Arbeitskreis für reformationsgeschichtliche
Forschung in der DDR, bei dessen jährlicher
Fachtagung die Editionsarbeit fortlaufend besprochen und diskutiert
werden konnte.

Ein Mitarbeiterkreis — von ursprünglich 14 Personen — mit
Hans-Ulrich Delius als Herausgeber und Redaktor des Werkes
teilt sich in die Editionsarbeit.

Zwei Fragen stehen im Vordergrund bei der Betrachtung
einer Ausgabe dieser Art: die Auswahl der Texte und die
Editionsprinzipien. Die hier gewählten Schriften sind mit wenigen
Ausnahmen chronologisch geordnet und werden meistens
vollständig herausgegeben. Auf die umfangreichen Bibelkommentare
und Postillen muß dann natürlich verzichtet werden.
Vor allem solche Schriften werden ausgewählt, die historisch
bedeutsam sind und die für die Gestaltung der reformatorischen
Theologie entscheidend und repräsentativ sind.

Die Auswahl der Schriften im Band 1 wird unten behandelt.
Band 2 soll u. a. die klassischen Reformationsschriften von
1520 enthalten: Von den guten Werken, An den christlichen
Adel, De captivitate Babylonica, Von der Freiheit eines Christenmenschen
. Dazu kommen in diesem Band die theologisch
bedeutsame Schrift gegen den Löwener Theologen Jacob La-
tomus 1521 und die sog. Invocavit-Predigten 1522. Für den
dritten Band werden u. a. einige Schriften anläßlich des Bauernkrieges
1524—1525 wie auch De servo arbitrio 1525 geplant.
Im vierten Band werden u. a. Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis
1528 und Von den Schlüsseln 1530, im Band 5 schließlich
u. a. folgende Schriften ediert: Von der Winkelmesse und
Pfaffenweihe 1533, Die erste Disputation gegen die Antinomer
1537 und Von den Konziliis und Kirchen 1539. Für Band 6
wird eine deutsche Übersetzung der lateinischen Stücke von
Band 1—5, weiter ein frühneuhochdeutsches Glossar und ein
Sachregister geplant.

Nach diesem kleinen und gar nicht vollständigen Überblick
über die Gesamtplanung des Werkes kehren wir zum schon
vorliegenden ersten Band zurück. Da die Edition dem Prinzip
der diplomatischen Genauigkeit folgt, wird für die Leser,
die mit Luthers Sprache nicht vertraut sind, dem Abdruck der
Texte ein von dem Sprachforscher Joachim Schildt verfaßter
Aufsatz „Zum Verständnis der Luthersprache" vorangestellt.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen der Sprache Luthers und
dem gegenwärtigen Deutsch werden hier aufgezeigt, sowohl
bezüglich grammatischer Einzelheiten, wie auch in Fragen der
Wortbildung und der Orthographie.

Aus den vorreformatorischen Bibelkommentaren zum Psalter
und zum Römerbrief hat der Herausgeber selbst, Hans-Ulrich
Delius, eine repräsentative Auswahl getroffen, nicht nur
Textproben, sondern ausführliche Stücke, die theologisch wichtig
sind. U. a. sind solche Texte gewählt, die die hermeneuti-
schen Regeln behandeln, wie auch Texte, worin theologische
Hauptbegriffe wie „iustitia", „peccatum originale", „fides" definiert
und kommentiert werden. Als Vorlage für die Dictata
super Psalterium, wie dieser frühe Psalmenkommentar genannt
wird, dient die teilweise vor einigen Jahren revidierte
Edition in der WA, aber auch die in Dresden aufbewahrte
Handschrift wurde benutzt. Der umfangreiche Kommentar in
WA 55 wird natürlich hier verwendet, aber auf die wichtigsten
Erläuterungen und Texthinweise beschränkt.

Der Römerbriefvorlesung, zu der Helmar Junghans die
Auswahl traf, liegt der Text in WA 56 — als Erstdruck betrachtet
— zugrunde. Hier wie sonst wird nach folgendem Edi-
tionsprdnzip verfahren: „Um die ursprüngliche Form der
Drucke bzw. Handschriften sichtbar zu machen, wird der Text
anhand des Erstdruckes (A) neu kollationiert und in Schreibweise
, Lautstand und Interpunktion original wiedergegeben"
(Vorwort, S. 7f). Das bedeutet, daß der Text hier noch genauer
als in früheren Ausgaben dem Original folgt. Während in der
WA z. B. die Verkürzungen stillschweigend aufgelöst sind,
werden hier die ergänzten Buchstaben in ( ) angegeben.

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Dieser erste Band bietet weiter die drei bekannten, für die
Reformation entscheidenden Disputationen Contra scholasticam
theologiam 1517, die 95 Thesen 1517 und die Heidelberger
Disputation 1518 und aus derselben Periode zwei theologisch
wichtige Traktate: Quaestio de viribus et voluntate hominis
sine gratia 1516 und Sermo de duplici justitia 1519.

Fünf wichtige Sermone — Sermon bedeutet in diesem Sprachgebrauch
ungefähr dasselbe wie Traktat — aus den Jahren 1519
bis 1520 werden von Hans-Ulrich Delius herausgegeben. Die
literarisch wie auch theologisch bedeutsame Magnificat-Ausle-
gung von 1521 wird von Martin Seils ediert und die Formula
missae et communionis (fehlerhaft „communis" im Inhaltsverzeichnis
) von Sieghard Mühlmann. Der 1976 gestorbene Mitarbeiter
Reinhold Pietz, Präsident der Kirchenkanzlei der EKU,
Bereich DDR, der auch organisatorisch die Arbeit an dieser
Studienausgabe förderte, hat für diesen Band eine Auswahl von
Luthers Bibelvorreden ediert.

Viele von den hier edierten Texten stehen seit langem im
Zentrum des Interesses der Lutherforschung. Diese neue Forschung
wird im kritischen Apparat mit dem darin enthaltenen
Textkommentar berücksichtigt. Überhaupt ist der wissenschaftliche
Apparat dieser Ausgabe in den meisten Fällen ausführlicher
als in den älteren Editionen. Auch die Arbeit mit der
grundlegenden Textwiedergabe ist in gewissen Fällen hier
weitergeführt. Dies gilt z. B. in hohem Grade von Helmar
Junghans' Neuausgabe der Heidelberger Disputation, S. 186
bis 218, wo der textkritische Apparat durch erneute Arbeit
an den Handschriften stark erweitert ist. Der Herausgeber
kann auch auf einige ganz neue, im Lutherjahrbuch 1979 zum
erstenmal gedruckte Textstücke hinweisen, nämlich den von
ihm selbst dechiffrierten Beweisen (probationes) zu den letzten
philosophischen Thesen der Heidelberger Disputation. Da
diese „Beweise" früher als nicht lesbar oder verstehbar gegolten
haben, sind sie in früheren Editionen nicht aufgenommen
worden. Dieser von Helmar Junghans aus einer Handschrift
in Kamenz edierte Text findet sich aber nicht in der Studienausgabe
. Vielleicht kann man ihn in den Nachträgen im sechsten
Band erwarten?

Eine besondere Erwähnung verdienen die Einleitungen zu
den verschiedenen Schriften. Sie geben in konzentrierter Form
alle wichtigen Informationen sowohl über die Entstehung der
einzelnen Schriftstücke wie auch über den Textbestand.

Die neue Studienausgabe bedeutet einen großen Gewinn für
die Forschung wie auch für den Unterricht und für das auch
unter Nicht-Theologen verbreitete Lutherstudium. Die Texte
sind besonders von theologischen Gesichtspunkten aus repräsentativ
, die wissenschaftliche Akribie ist vorbildlich. Die Lesbarkeit
des Textes ist im Vergleich mit der Clemenschen Ausgabe
sehr verbessert. Der kommentierende Apparat ist
pädagogisch klar und, wie schon gesagt, in gewissen Fällen
viel ausführlicher als in früheren Editionen. Daß im sechsten
Band auch eine deutsche Übersetzung sämtlicher lateinischer
Texte geplant wird, ist sehr zu begrüßen.

Man kann vermuten, daß diese Ausgabe nicht nur in der
DDR, sondern auch in anderen Ländern auf großes Interesse
stoßen und viel verbreitet wird — ein wertvolles Geschenk aus
dem Heimatband der Reformation an die heutzutage so stark
international verzweigte Lutherforschung.

Lund * Bengt Hägglund

Maurer, Wilhelm: Historischer Kommentar zur Confessio
Augustana. I: Einleitung und Ordnungsfragen. II: Theologische
Probleme. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1976/1978]. 256 S./228 S. gr. 8° Lw. je DM 58,-

Ein ausführlicher historischer Kommentar zur CA hat uns
lange gefehlt. Es läßt sich schwerlich jemand nennen heute,
der besser dafür gerüstet wäre als der verehrte Vf. dieses
neuen Werkes. Durch seine Lutherstudien, sein großes Me-

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3