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Ausgabe:

1980

Spalte:

202

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Wehr, Gerhard

Titel/Untertitel:

Jan Hus 1980

Rezensent:

Haendler, Gert

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Seite 1

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Eirene in der Familie den Ausgleich nicht schaffen kann, der
ihr in der Politik immer gelungen war. Schließlich ist auch
nicht auszumachen, was Eirene bewog, nun ausgerechnet Maria
als Frau für Konstantin zu bestimmen. So bleibt die ganze
Frage im Unklaren . .." (204). Wozu so viele Worte, wenn zum
Schluß nichts herauskommt? An Hypothesen ist die Arbeit
reich. So soll Kaiserin Eirene einen ersten Anstoß zur Kaiserkrönung
Karls d. Gr. gegeben haben. Sp. tritt der üblichen
Ansicht entgegen, daß griechische kunstfreundliche Traditionen
der Bilderstürmerei ein Ende gemacht und zum Bilderdogma
geführt hätten. Bei der Chronik des Theophancs werden
dessen vermutbare Quellen geschickt verdeutlicht. Doch
aller Scharfsinn wird immer wieder beeinträchtigt durch eine
zu große Freude an phantasiereichen Hypothesen.

Die theologisch wichtigste Erscheinung jener Jahre ist der
Bilderstreit. Nach dem Bildersturm kam es unter Eirene und
Konstantin 787 zum Dogma von der Bilderverehrung. Die Vorordnung
der Kaiserin Eirene vor ihren Sohn wird in diesem
Zusammenhang deutlich herausgestellt. Die allgemeine Zustimmung
zum Konzil 787 „dürfen wir ... als Höhepunkt der
Machtentfaltung Eirenes verstehen. Sie steht unangefochten
als Herrscherin da. Zwar ist sie nur Regentin für Konstantin,
kann aber auch dieses Verhältnis gerade auf dem Konzil
durchlöchern und zeigen, daß sie die eigentliche Herrscherin
ist ..." (178). Es ist das gute Recht des Autors, das Bilderdogma
als politischen Erfolg der Kaiserin zu sehen. Leider
versucht er aber durch das ganze Buch hindurch, die Bedeutung
der Bilderfrage herabzusetzen. Die Bilderstürmer sollen
am Ende des 8. Jh. kaum noch Bedeutung gehabt haben, die
Bilderverehrer wußten auch nicht so recht, wozu sie ein Dogma
von der Bilderverehrung beschlossen. Sp. spricht von einer
„Mittelgruppe, die ja sowieso niemals leidenschaftlich ikono-
klastisch war.. . Sie wollten ihre Ruhe, und die hatten sie
jetzt gefunden" (191). Ebenso werden die Differenzen zwischen
dem byzantinischen Bilderdogma 787 und Karl d. Gr. heruntergespielt
. Für Karl ging es damals primär um das Fürstentum
Benevent (166), an dem er später „sonderbarerweise" sein
Interesse verlor (185). Für Sp. ist die Frage der Heiligenbilder
wohl so unwichtig, daß er sein Desinteresse in die Vergangenheit
zurückprojiziert. Ein Argument lautet: „Daß im übrigen
die religiöse Einstellung von Byzanz für Karl zumindest kein
primärer Gesichtspunkt war, zeigt sich darin, daß er früher
mit Ikonoklasten verhandelt hat und später mit Ikonodulen
verhandeln wird, ohne daß dabei religiöse Fragen, soweit wir
wissen, zur Sprache kommen" (164). Als ob es nicht zu allen
Zeiten rein machtpolitische Verhandlungen bei unterschiedlicher
Ideologie gegeben hätte — ohne daß deshalb die Ideologie
unwichtig geworden wäre! Für die Libri Carolini meint
Sp., „daß vermutlich die Frage des Glaubens, wenn überhaupt,
dann nur sekundär als Begründung post festum herangezogen
wurde" (164). Eine solche Behauptung widerspricht aber
eindeutig dem klaren Selbstzeugnis der Libri Carolini. Eine
derartige Unterschätzung der Bilderfrage gerade für den hier
erörterten Zeitraum muß aber zu einem verzerrten Bild führen
, trotz mancher anregender Einzeluntersuchung.

Rostock Gert Haendler

Lexikon des Mittelalters, 1. Band, Lieferungen 2—4, Sp. 225 bis
800. München und Zürich: Artemisvcrlag 1978

Die Lieferungen 2—4 bestätigen die erfreulichen Eindrücke,
die sich bei der Besprechung der 1. Lieferung ergeben hatten
(ThLZ 105, 1980 Sp 47 f). Einzelpersonen sind in größtmöglicher
Fülle registriert worden: Andreas 21, Albrecht 28, Alfons 29
und Alexander 35 mal! Geographische Artikel betreffen Amerika
ebenso wie auch kleinere Ortschaften. So bekommt u. a.
Allstedt einen Artikel, der die Zeit von Karl d. Gr. bis zu Friedrich
d. Weisen umfaßt, jedoch den Namen Thomas Müntzer
verschweigt. Naturwissenschaftliche Informationen sind u. a.

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in den Artikeln Alchemie, Anatomie, Antidotarium Nicolai und
Apotheker zu finden. Die Teamarbeit klappt offenbar weiterhin
: So sind am Artikel „Allegorie" zehn Mitarbeiter beteiligt,
die für die Antike, das Mittellatein, die Patristik, die Scholastik
sowie für verschiedene Volkssprachen zuständig sind (420
bis 27). Unter dem Stichwort Angelsachsen finden sich Informationen
über die Terminologie, die archäologische Forschung,
Mission, Recht sowie Verweisworte auf Baukunst, Chronik,
Handschriften, Literatur, Minuskel und Sprache. Der Artikel
Apokryphen unterrichtet nicht nur über biblische Stoffe sondern
auch über volkssprachliche Überlieferungen, wozu neun
Mitarbeiter beitrugen. Bei der Lektüre des Artikels „Amt"
wird der Theologe zunächst enttäuscht, denn es geht lange
nur um weltliche Ämter in der Spätantike, in Byzanz, Altrußland
, im fränkischen Reich und Frankreich, Deutschland, England
, Italien und der iberischen Halbinsel (546—59 mit 10 Mitarbeitern
). Danach erst folgt ein Stichwort „Amt, kirchliches",
dem sich die Stichworte „Ämter Christi" sowie „Ämterkäuflichkeit
" anschließen. Der Theologe sei speziell hingewiesen auf
die ausgezeichneten Artikel über Albertus magnus, Ambrosius
und Anselm von Canterbury (unter 11 Trägern des Namens
Anselm auf Sp. 680—87). Die durchgängig zu beobachtende
Weite des Lexikons mag noch durch den Artikel „Antichrist"
belegt werden: Er ist untergliedert in die Teile A Theologie
und Politik, B Literatur sowie C Ikonographie. Man kann dem
Lexikon nur wünschen, daß diese Spannweite ihm ebenso erhalten
bleibt wie die derzeit zügige Erscheinungsweise.

Rostock Gert Haendler

Wehr, Gerhard: Jan Hus. Ketzer und Reformator. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1979]. 100 S. m. 25
Abb. 8° = GTB Siebenstern, 461. Kart. DM 8,80

Der Band schildert die spannungsvollen Vorgänge sehr lebendig
. Die Verhältnisse in Böhmen werden anfangs breit
dargestellt. Das einleitend abgebildete Lutherdenkmal in
Worms, das Hus unter Luther stellte, wird verbal in Frage
gestellt (8). Zum Schluß zieht aber auch Wehr die übliche Linie
von Hus zu Luther und Müntzer. Als Einführung und Hin-
führung zu eigener Arbeit könnte das Buch auch für Theologiestudenten
nützlich sein.

G. H.

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Luther, Martin: Studienausgabe. In Zusammenarb. m. H.
Junghans, R. Pietz f, J. Rogge u. G. Wartenberg hrsg. v.
H.-U. Delius. Bd. 1. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1979).
416 S. gr. 8°. Lw. M 35,-; Ausland: M 48,-.

Diese neue Luther-Ausgabe, deren erster Band im vergangenen
Sommer erschien, ist die reife Frucht einer vieljährigen Zusammenarbeit
einiger in der DDR tätiger Lutherforscher. Seit
langem wurde eine solche Studienausgabe sowohl für die Forschung
wie auch für den theologischen Unterricht als ein De-
sideratum empfunden, da nur wenige den direkten Zugang
zu den hundert Bänden der Weimarer Ausgabe haben. Die
bekannte Clemensche Ausgabe in acht Bänden ist nicht mehr
im Buchhandel erhältlich.

Es ist geplant, daß diese neue Studienausgabe zum 500jähri-
gen Jubiläum des Geburtstags Luthers im wesentlichen vorliegen
soll. Die ersten Vorarbeiten gehen zurück zum Reformations
-Jubiläum 1967, bei dem der Leipziger Kirchenhistoriker
Franz Lau die ersten Pläne skizzierte.

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3