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Ausgabe:

1980

Spalte:

200-201

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Speck, Paul

Titel/Untertitel:

Kaiser Konstantin VI. 1980

Rezensent:

Haendler, Gert

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199

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Orlandi, Tito: Koptische Papyri theologischen Inhalts, hrsg.
und in das Italienische übers. Wien: Hollinek i. Komm.
1974. V, 219 S., 33 Falttaf. gr. 8° = Mitt. aus der Papyrussammlung
der österr. Nationalbibliothek (Papyrus Erzherzog
Rainer) Neue Serie, IX. Folge.

T. Orlandi, ein Gelehrter, der in unseren Tagen mit großem
Engagement die Koptologie betreibt und sich dabei besonders
der Erschließung und Verbreitung der koptisch-kirchlichen Literatur
widmet, hat sich dankenswerterweise auch der mühevollen
Aufgabe unterzogen, die noch unveröffentlichten Bestände
der Papyrussammlung der österreichischen Nationalbibliothek
auf literarische Papyri hin zu sichten und aufzuarbeiten.
Als Ergebnis dieser Arbeit legt er nun eine Ausgabe der Fragmente
von 21 Papyruskodizes biblischen, patristischen und ha-
giographischen Inhalts vor (alles in Erstveröffentlichung mit
Ausnahme von je einem Stück der Fragmente aus Regn IV
(S. 21. 25] und aus Mk (S. 21. 44]). Das ganze Unternehmen
steht in einer gewissen formalen wie sachlichen Entsprechung
zu W. Tills älterer Edition ähnlicher Texte, nur daß diese nicht
Papyrus, sondern Pergament als Schriftträger hatten (Koptische
Pergamente theologischen Inhalts, I, Mitt. aus der Papyrussammlung
der Nationalbibliothek in Wien [Papyrus Erzherzog
Rainer], Neue Serie, II. Folge, Wien 1934). Alle Texte
sind im sahidischen Dialekt geschrieben. Die große Menge
stammt aus dem 9. Jh., einzelne jedoch schon aus dem 6. Jh.,
während etliche auch jünger sind (10., 11., 12. Jh.). Diese
Datierungen sind nur auf der Basis der Paläographie möglich;
und der Hrsg. hat sich auf diesem schwierigen Felde des Expertenurteils
von Guglielmo Cavallo versichert (14). Besonderes
Interesse hat Orlandi an der Frage nach der Herkunft der
Fragmente (15—20); er kommt zu dem Ergebnis, daß wahrscheinlich
auch diese Wiener Texte (wie so viele andere koptische
Handschriften) aus der Bibliothek des berühmten Weißen
Klosters bei Sohag stammen (18).

Von 14 der 21 Kodexreste war der Inhalt der Textfragmente
identifizierbar. Es handelt sich um folgende: I. Regn IV 1,6
bis 17,5; II. Psalmen und Markusevangelium; III. Mt 3; IV.
Hebr 3—5; V. Cyrill von Jerusalem: Katechesen; VI. Johannes
Chrysostomus: Über die Reue; VII. Johannes (Jejunator?):
Über die Buße und Enthaltsamkeit; VIII. Johannes Rufus von
Maiuma: Plerophorien; IX. Synaxarium (mit 1. Acten des
Petrus und Paulus; 2. Vita des Athanasius; 3. Brief des Pschoi?;
4. Homilie); X. Martyrium des Heiligen Mercurius; XI. Martyrium
des Gobidlaha und der Caxo; XII. Martyrium des Ter
und der Erai; XIII. Synaxarium (mit 1. Vita des Paulus von
Tamma; 2. Papnute von Scetis: Mönchsgeschichte [Vita Ono-
phrii)); XIV. Vita des Schenute. Von den übrigen 7 Texten
ist zwar die Identität nicht bestimmbar, wohl aber ihr literarisches
Genus: Die Nummern XV, XVI, XVII und XIX sind
Homilien; Nr. XVIII die Vita eines Mönchs; Nr. XX behandelt
die Heilige Geschichte (des Volkes Israel); und Nr. XXI schließlich
ist ein Martyrium von „Unbekannt". Drei dieser 21 Texte
sind nach dem Urteil von Orlandi für die Patrologie besonders
wichtig, nämlich die Nummern V, VI und VIII, u. zw. insofern,
als ihre Existenz in koptischer Übersetzung bisher noch völlig
unbekannt war (13f).

Auf eine eingehende Würdigung des Werkes muß im Rahmen
dieser Zeitschrift leider verzichtet werden.

Berlin Hans-Martin Schenke

[Irenaeus of Lyons:] Irenaeus of Lyons Versus Contemporary
Gnosticism. A Selection from Books I and II of Advcrsus
Haereses, compiled by J.T.Nielsen. Leiden: Brill 1977. X,
109 S. 8° = Textus Minores, XLVIII. hfl. 28,-.

Das vorliegende Heft mit Irenäus-Texten (so weit wie möglich
in der griechischen Ursprache, sonst in der alten lateini-

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sehen Übersetzung) ist als ein hochschulpädagogisches Arbeitsmittel
konzipiert und gestaltet worden, bei dem die editorischc
Arbeit auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben sollte. Es dürfte
sich im akademischen Unterricht durchaus als verwendbar erweisen
. Die Ausgabe ist recht handlich und bietet auch manche
wichtigen Texte, um derentwillen man sonst gleich zu den
großen wissenschaftlichen Editionen greifen müßte. Erklärtermaßen
handelt es sich um eine Auswahl von Texten. Allerdings
ist der Prozentsatz der gebotenen gegenüber den ausgelassenen
Stücken für Buch I und Buch II ganz verschieden:
Während vom ersten Buch, das ja weithin die gnostischen
Lehren nur darstellt, relativ selten etwas ausgelassen ist. wird
vom Inhalt des zweiten Buches wirklich nur ein Teil geboten.
Dabei ist das Auswahlprinzip wohl, daß die konkrete und
direkte Auseinandersetzung des Irenäus mit den gnostischen
Lehren, was ja besonders die valentinianischen sind, (und
nicht so sehr seine bloße Gegenposition bzw. seine Theologie)
so deutlich wie möglich werden sollte.

Der Text ist nach der Ausgabe von Stieren gegeben. Die Anmerkungen
, die sich am Schluß des Heftes finden (96—109) und
auf die Sternchen im Text hinweisen, dienen in erster Linie
dazu, die Abweichungen des Textes der Edition von Harvey
zu verzeichnen. Hin und wieder werden aber auch ergänzende
Materialien aus den beiden großen Ausgaben geboten. Der Editor
selbst gibt keine linguistischen oder exegetischen Hilfen.
Die Kennzeichnung der Auslassungen im Text ist nicht optimal.
Die Anzahl der mir aufgefallenen Wiedergabe- bzw. Druckfehler
ist gering.

Berlin Hans-Martin Schenke

Kirchengeschichte: Mittelalter

Speck, Paul: Kaiser Konstantin VI. Die Legitimation einer
fremden und der Versuch einer eigenen Herrschaft. Quellenkritische
Darstellung von 25 Jahren byzantinischer Geschichte
nach dem ersten Ikonoklasmus. I: Untersuchung. II:
Anmerkungen und Register. München: Fink [1978]. zsm.
857 S. 8° Kart. DM je 48,-.

Die Arbeit lag 1970 in München als Habilitationsschrift
vor. Kaiser Konstantin VI., der 776 gekrönt und 797 entmachtet
wurde, steht über weite Partien nicht im Zentrum. Teil I
„Die Minderjährigkeit" betrifft vorwiegend seinen Vater Leo
IV (53-103) und seine Mutter Eirene (105-179). Im Teil II
„Die Großjährigkeit" (181—321) geht es um Konstantin VI.,
Teil III „Die Folgen" (323—88) nennen ihn nur beiläufig. Die
Arbeit bietet gründliche Quellenstudien, die freilich ständig
mehr von den Quellen erfragen wollen, als diese hergeben
können. Solche Fragen sind mitunter nützlich, bei dauernder
Wiederholung frustrieren sie den Leser. Als Beispiel sei eine
Stelle erörtert, an der Speck offenbar viel liegt; jedenfalls hat
er fünf Worte aus jenem Text dem Buch als Motto vorangestellt
. Es geht darum, daß Kaiserin Eirene ihrem Sohn und
Mitkaiser Konstantin eine Frau aussucht; jene Ehe wird unglücklich
. Dazu sagt Sp. u.a.: „Es ist sicher müßig, bei der
Tendenz der Quelle zu psychologisieren; trotzdem wäre es
schön zu wissen, ob sie — die doch im Sinne Konstantins geschrieben
zu sein scheint — seine wahre Stimmung wiedergibt,
nämlich daß er traurig war, daß also sein erstes Auftreten
mit einer Resignation verbunden ist. Tatsächlich heiratet er
Maria, doch es wird eine schlechte Ehe, und man kann schon
absehen, daß sein späteres Aufbegehren gegen seine Mutter
letztlich dazu führen wird, daß er sich auch von dieser Frau
löst. Ebenso bleibt wegen der Tendenz der Stelle offen, ob
Eirene Konstantin wirklich gezwungen hat, d. h. ob der Konflikt
des folgenden Jahres sich hier schon klar zeigt, ob also

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3