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Ausgabe:

1980

Spalte:

191-193

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Was haltet Ihr von Jesus? 1980

Rezensent:

Haufe, Günter

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Das umfängliche 8. Kap. (Contracts, 184—233) ist dem diffizilen
Bereich der Verträge gewidmet, vor allem solchen über
Besitzwechsel und Nutzung fremden Besitzes und die damit
verbundenen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen. Um
Zuerkennung und Aneignung von Besitz, wobei auch das Verhältnis
von Familienbesitz und Privateigentum berührt wird,
sowie um die Rechtsstellung und den Grad der Rechtsfähigkeit
der verschiedenen Personengruppen geht es in den beiden
folgenden Kapiteln (Property, 234—247; Persons, 248 bis
275). Im elften, dem umfänglichsten Kapitel des gesamten
Werkes (The Family, 276—331), wird der Bereich des Familienrechts
, insbesondere des Eherechts, behandelt. Ihm schließt
sich sachgemäß als letztes Kapitel die Behandlung der erb-
rechtlichen Bestimmungen an (Succession, 332—349). Ein Register
der biblischen und außerbiblischen Belegstellen für das gesamte
Werk (350-369) bildet den Abschluß.

Zusammenfassend muß gesagt werden, daß der Vf. auch im
zweiten Teil seines Werkes ein sehr umfängliches und vielschichtiges
Material gesichtet und aufgearbeitet hat und daß
er ein durchaus lebendiges Bild der innerjüdischen Auseinandersetzung
um Geltung und Aktualisierung rechtlicher Bestimmungen
zu zeichnen vermag. So sind seine Darlegungen auch
hier aufschlußreich und anregend. Freilich bleiben die bei der
Besprechung des ersten Teils erhobenen Bedenken gleichermaßen
bestehen. Vf. orientiert sich zu einseitig an Belegen
aus dem späteren rabbinischen Schrifttum und geht auf deren
überlieferungsgeschichtliche Problematik zu wenig ein. Auch
müßte, etwa bei der Kapitalgerichtsbarkeit, eingehender darüber
reflektiert werden, ob es sich jeweils um tatsächlich praktiziertes
bzw. praktizierbares Recht handelt oder um theoretische
Überlegungen. Das Thema des Werkes bedarf also noch
weitergehender Diskussion und kritischer Hinterfragung. Doch
hat der Vf. mit seiner Darstellung einen beachtlichen Vorstoß
unternommen. Dafür gebührt ihm Anerkennung und Dank.

Leipzig Joachim Conrad

Amir, Yehoshua: Die Begegnung des biblischen und des philosophischen
Monotheismus als Grundthema des jüdischen
Hellenismus (EvTh 38, 1978 S. 2-19).

Ehrlich, Ernst Ludwig": Tora im Judentum (EvTh 37, 1977
S. 536-549).

Lemche, Niels Peter: „Hebrew" as a National Name for Israel
(StTh 33, 1979 S. 1-23).

Schreiner, Stefan: Mordechai Martin Buber zum 100. Geburtstag
(ZdZ 32, 1978 S. 401-407).

Schwartz, Daniel R.: The Priests in Ep. Arist. 310 (JBL 97, 1978
S. 567-571).

Stemberger, Günter: Heilsvorstellungen im nachbiblischen
Judentum (BiKi 33, 1978 S. 115-121).

Neues Testament

Trilling, Wolfgang, u. Inge Berndt [Hrsg.]: Was haltet ihr von
Jesus? Beiträge zum Gespräch über Jesus von Nazaret. Leipzig
: St. Benno [1975]. 332 S. 8". DM 12.60.

Seit über zwei Jahrzehnten ist ein neu aufgebrochenes Fragen
nach Jesus zu beobachten, bei Theologen, bei interessierten
Gemeindegliedern, bei NichtChristen. Wer sich an diesem
Gespräch beteiligen will, braucht Informationen und vor allem
die Bereitschaft, sich neuen Einsichten und Anfragen zu öffnen
. Beidem will der vorliegende Sammelband dienen, indem
er absichtlich sehr unterschiedliche Beiträge zusammenstellt.
Freilich ist kaum zu übersehen, daß nicht von allen Beiträgen

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die gleiche fördernde Wirkung ausgeht. Manches erscheint
recht zufällig zusammengestellt und könnte durch sinnvollere
Beiträge, etwa über das Jesusbild in der modernen Literatur
oder in der Frömmigkeit der dritten Welt, ersetzt werden.

Anstelle einer Einführung berichtet I. Berndt im ersten
Beitrag von einer Umfrage nach dem Wissen um Jesus und
nach seiner persönlichen und gesellschaftlichen Bedeutung
(9—17). Das Ergebnis ist lehrreich: die ältere Generation zeigt
noch eine größere Nähe zu traditionellen Formulierungen, orientiert
sich noch am Titel „Sohn Gottes", während für die jüngere
Generation die Vorbild-Aussage, oft schon wieder formelhaft
, im Mittelpunkt steht. Daneben fällt auf: viele, die
glauben, sind kaum oder gar nicht fähig, ihren Christus-Glauben
in Worte zu fassen. Schade, daß der Leser über den soziologischen
Hintergrund der Umfrage nichts Näheres erfährt!
— Der zweite Beitrag, der umfänglichste des ganzen Bandes
(18—95), bringt unter der Überschrift: „Wer war Jesus von
Nazaret?" ein fundiertes Gespräch zwischen den beiden Neu-
testamentlern R. Schnackenburg und F. J. S c h i e r s e.
Schnackenburg stellt sich in exegetischer und pastoraler Verantwortung
den kritischen, oft bewußt provozierenden Fragen
seines Gesprächspartners, die das ganze Spannungsfeld chri-
stologischer Problematik umfassen. Es ist reizvoll und gewinnreich
zugleich, zu verfolgen, wie hier zwei durchaus unterschiedlich
akzentuierende Positionen freimütig und doch
verständnisvoll miteinander ringen. — W. Trilling bemüht
sich in einem gediegenen Beitrag um eine verstehende Interpretation
der „Botschaft Jesu" (96—127). Ausgehend von der
Entsprechung zwischen Jesu Reden und Tun fragt er nach
der alle Daten der authentischen Jesus-Überlieferung erklärenden
„Mitte" dieser Botschaft und findet sie in einer bisher unbekannten
„Nähe Gottes in Jesu Gegenwart, ja in Jesus selbst"
(101). Eine bloß apokalyptische wie eine bloß ethische Jesus-
Deutung sind damit abgewehrt. Vielmehr wird von dieser
Mitte her verständlich, daß Jesu Zeit als „Zeit der Freude" und
sein Wort als „Wort von der Befreiung" (Befreiung vom Vergeltungsrecht
und -zwang, von der Sorge, von der eigenen
Ohnmacht) erscheinen. Noch mehr: Jesu Gottesverkündigung,
wie sie unter den genannten Aspekten sichtbar wird, formiert
und trägt auch seine Botschaft von der Gottesherrschaft, die
sich mit ihrem dynamischen, ihrem Gabe- und Kampfcharakter
von allen verwandten zeitgenössischen Anschauungen bemerkenswert
abhebt. — E. Kirsch hinterfragt die „Rückfrage
nach Jesus" ideologiekritisch nach den sie leitenden „Interessen
" (128—180). An ausgewählten Positionen neuzeitlicher Jesusforschung
zeigt er, wie die jeweilige Wirklichkeitserfahrung
unterschiedliche Interessen hervorruft, die ihrerseits die Rückfrage
nach Jesus in unterschiedliche Fragehorizonte stellen.
Immer aber ist es ein so oder so geartetes Interesse an Freiheit,
das diese Rückfrage bestimmt und das zugleich für Jesus selbst
eigentümlich ist. — Ein weiterer Beitrag von W. Trilling
stellt an typischen Beispielen übersichtlich und mit treffenden
Akzenten „Geschichte und Ergebnisse der historisch-kritischen
Jesusforschung" dar (181—205). Abschließend insistiert T. auf
die Einzigartigkeit Jesu in ihrer konkreten Geschichtlichkeit,
die sowohl eine radikale Kerygma-Theologie wie ein nur humanitär
-gesellschaftlich relevantes Jesusbild als einseitige, auf
eine neue Gnosis tendierende Lösungen erscheinen lassen. —
F. J. Schierse gibt nach einigen Vorüberlegungen zum- Verhältnis
von Dogma und Schrift einen gedrängten Abriß der
wichtigsten Modelle neutestamentlicher Christologie (206 bis
226). Wichtig ist ihm, daß jedes Modell im Grunde den Menschen
Jesus qualifizieren will, dem wir heute „durch die enge
Pforte kritischer Exegese" wieder zu begegnen vermögen. —
E. Schillebeeckx denkt der Dialektik nach, in der der
„Gott Jesu" und der „Jesus Gottes" zusammengehören (227 bis
242). Diese Dialektik übersteigt die rein historische Betrachtung
, für die Jesus mit seinem Lebensentwurf gescheitert ist.
Sie erfaßt auf dem Hintergrund der Auferstehung die Jesuserzählung
als „Parabel von Gott" und als „Paradigma der
Menschlichkeit". — Einen informativen Überlick über die ver-

Theologische Literaturzeirung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3