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Ausgabe:

1980

Spalte:

187-188

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Smelik, Klaas A. D.

Titel/Untertitel:

Saul 1980

Rezensent:

Gunneweg, Antonius H. J.

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trinken" haben nichts damit zu tun, sondern dienen nur dazu,
die Schande der Getöteten auszumalen. Das Verbot, Tierblut
zu trinken bzw. mit dem übrigen Fleisch zu essen, hat seine
Wurzel am ehesten in der Abscheu vor einem Element, das
den Tod in seiner widerlichsten Form vergegenwärtigt. Doch
in der spätdeuteronomischen Begründung des Schächtgebots
(Dtn 12,23) sowie im Heiligkeitsgesetz (Lev 17,11.14) wird das
Verbot des Blutgenusses damit motiviert, daß das Blut des
Tieres das Leben bzw. daß das Leben eines Leibes im Blute
sei. Explizit auf den Menschen wird diese Theorie erst (und
im Alten Testament nur) in Gen 9,4f übertragen. Beherrschend
wird sie allerdings im Judentum der nachalttestamentlichen
Zeit. Erst dann „bezeichnet das Blut, als das Leben im Menschen
, zusammen mit ,Fleisch' die menschliche Kreatürlich-
keit, sowie auch den Stoff, den leiblich Verwandte gemeinsam
haben. Neben der Theorie vom Opfertierblut war es vor allem
die Thematik des vom Tode gefährdeten Lebens, die diesen
Bedeutungswandel förderte" (150).

H. Christ hat mit seiner Dissertation eine solide Arbeit geleistet
. Nicht nur für den Problemkreis des gewaltsamen Todes
bringt sie Klärung in strittigen Fragen, sondern auch für die
Exegese so mancher der behandelten Stellen. Wenn an einem
Punkt eine kritische Bemerkung anzubringen wäre, so ist es
die mangelnde Kongruenz der mit „Zusammenfassung" über-
schriebenen Abschnitte mit dem zuvor Gebrachten. Die Zusammenfassung
geht manchmal erheblich über die gewonnenen
Einzelergebnisse hinaus. — Es gibt kaum Textfehler. Auf S. 10
muß bist üb für „Vaterhaus" stehen und nicht bet äh.

Berlin Ludwig Wächter

Smelik, Klaas Antonius Donato: Saul, de voorstelling van
Israels eerste koning in de Masoretische tekst van het Oude
Testament. Academisch Proefschrift. Amsterdam: P. E. T.
(1977). X, 294 S. 8°.

Schon der Titel dieser von M. A. Beek betreuten Doktorarbeit
will die programmatische Intention der Studie, welcher
noch weitere Teile folgen sollen, andeuten: Es geht um die
Geschichtsdarstellung in der masoretischen Gestalt des hebräischen
Textes im 1. Samuelisbuch. Das bedeutet einerseits,
dafj die Versiones Antiquae als spätere Interpretationen der
Vorlage und darum als spätere Phasen der Überlieferungsgeschichte
außer Betracht bzw. einer folgenden Arbeit vorbehalten
bleiben. Andererseits — und das prägt die ganze
Studie — impliziert dieser Ansatz, wie er vom Vf. verstanden
und gehandhabt wird, dafj auch die Vorgeschichte der masoretischen
Endgestalt ausgeklammert werden muß. Eben dies ist
auch das eigentliche, „die Erkenntnis leitende Interesse" (das
übrigens der gegenwärtigen Tendenz, sich von den Vorstufen
weg und dem Endstadium zuzuwenden, entspricht); und hier
zeigt sich auch, dafj solche Interessen ebenso als heuristisches
Prinzip wie als Zerrspiegel wirksam werden können. So gelingt
es Vf. in dem umfangreichsten Kap. VII mit seiner Analyse
von lSam 9—31, zu zeigen, daß der vorliegende Text, wie
er ist, weitgehend als sinnvolle, in sich zusammenhängende
Erzähleinheit, die sich aus durchaus absichtsvoll und wohl
durchdacht komponierten Teilen zusammensetzt, verstanden
werden kann und soll. Saul als Prototyp des königlichen
Scheiterns im Gegensatz zu David, dem König nach Jahwes
Herzen — das ist das Thema der im Exil anzusetzenden Erzählung
, die auf einen David redivivus Hoffnung wecken
will. Das Sinnvolle dieser Erzählkomposition mit Nachdruck
herausgestellt zu haben, auch wenn man deren Sinn anders
formulieren möchte, als es Vf. tut, ist das Verdienst dieser
Arbeit.

Ihre Stärke ist aber zugleich auch ihre Schwäche, die freilich
leider noch mehr ins Gewicht fällt. Die Vorgeschichte des
Sam-Textes bleibt nicht nur außer Betracht, sondern wird geleugnet
. Von kleinen Rudimenten abgesehen, werden aus-

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schließlich lSam 14,47-52; 31; 2Sam 1,19-27 als ältere Über
lieferungen anerkannt; ansonsten wird jede Quellenscheidung
— worunter Vf. offensichtlich auch die überlieferungskritische
Analyse von Texten versteht — als methodisch unzulässig und
überflüssig abgelehnt. In welches Gestrüpp von Unwahrschein-
lichkeiten solche Ablehnung führt, zeigt sich fast auf jeder
Seite, aber besonders deutlich bei der Behandlung des Komplexes
lSam 8—12 mit seinem Widerstreit von königsfeind
liehen und königsfreundlichen Elementen: solche Widersprüche
führt Vf. auf die „ambivalente Einstellung" der Institution des
Königtums gegenüber zurück. Er hält „die Verfasser" von 1
Sam durchaus für fähig, sich je nach Bedarf einen Stil zu
wählen (23.102), womit auch ganz offenkundige Stilunter
schiede als Kriterium für „Quellenscheidung" angeblich un
brauchbar werden.

Dieser an vor-kritische und „vor-historische" Textbehandlung
erinnernde Konservatismus mitsamt seinen Harmonisierungen
steht in einem eigentümlichen Kontrast zu der These, die Geschichte
der Staatenbildung in Israel müsse aufgrund solcher
„neuen" Ergebnisse gänzlich neu geschrieben werden. Hierzu
ist zu bemerken, daß die Frühansetzung einzelner Bausteine
bei der jetzigen Saul-David-Überlieferung ja keineswegs impliziert
, daß die älteren Elemente Augenzeugenberichte oder
sonst unmittelbar historisch zuverlässig sein müssen. Die vom
Vf. vielfach aufgestellte Alternative: Augenzeugenbericht oder
aber religiöse Erbauungsliteratur späterer Zeit ist künstlich
und wurde für die historisch-kritische Geschichtsdarstcllung
auch niemals maßgeblich.

Diese Kritik an der unhaltbaren Einseitigkeit der Arbeit
will ihr Verdienst um das Verständnis der gegenwärtigen
Textgestalt nicht schmälern. Daß die ausschließliche Auswertung
dieser — und anderer — Texte als historische Quellen
ein ebenso problematischer hermeneutischer Ansatz ist wie die
allzu vordergründige Kombination mit archäologischen „Ergeb
nissen", hat Vf. deutlich gemacht.

Bonn A. H. J. Gunneweg

Westermann, Claus: Lob und Klage in den Psalmen. 5., erw.
Aufl. von „Das Loben Gottes in den Psalmen". Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht [1977]. 212 S. 8°. DM 22,-.

Das Buch ist als 5. erw. Aufl. von „Das Loben Gottes in den
Psalmen" ('1954) deklariert und enthält außerdem die Aufsätze
„Struktur und Geschichte der Klage im Alten Testament"
(ZAW 66, 1954, 44—80), „Vergegenwärtigung der Geschichte in
den Psalmen" (Zwischenstation. FS Kupisch 1963, 253-280)
und „Zur Sammlung der Psalmen" (Theol. Viat. VIII, 1962,
278—284). Das „Loben Gottes in den Psalmen" steht nach Umfang
und Auflagenhöhe an der Spitze der Sammlung, aber
auch die Aufsätze sind in ThB 24, 1964 nochmals zu finden.
Man könnte daher fragen, welches Ziel diese neue Zusammenstellung
mit verändertem Titel verfolgt. Im Vorwort gibt der
Vf. selbst die Begründung: „In den Jahren meiner Arbeit am
Alten Testament... ist mir allmählich immer deutlicher geworden
, daß die Gattungen des Klage- und des Lobpsalms
nicht nur zwei Gattungen neben anderen sind, sondern daß sie
die den Psalter als ganzen bestimmenden Gattungen sind und
als solche in einer polaren Entsprechung zueinander stehen.
In dieser Entsprechung zueinander meinen sie das Menschsein
als ganzes in seinem Herkommen von der Geburt und
in seinem Zugehen auf den Tod: Das Gotteslob ist zu Wort
kommende Daseinsfreude. . ., die Klage ist zu Wort kommendes
Leid." So bietet sich eine Verbindung der Veröffentlichungen
zu Lob und Klage in den Psalmen an. Man wird dem Vf.
diesen Hinweis auf den existentiellen Aspekt von Freude und
Leid als Mitte der Psalmcndichtung und „eines sehr viel
reicheren Textbestandes" dankbar abnehmen und forschend
seinen Impulsen folgen wollen. Es bleibt nur zu fragen, ob
dafür die mehr auf Analyse der Gattungen und Erhellung

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 3