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Ausgabe:

1979

Spalte:

147-149

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Gamber, Klaus

Titel/Untertitel:

Liturgie und Kirchenbau 1979

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 2

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ein Zufall, daß bei solcher „Praxis" Katholiken die Hand mit
im Spiele haben!); die festlichen Mahlfeiern in der Hamburger
Katharinenkirche (123—126). Hilfreich sind auch die Hinweise
auf Abendmahlsfeiern am Tisch von Chr. Zippert (51—55,
106f) und A. Seifert (lOlf) sowie die Ordnung eines Abendmahlsgottesdienstes
(Brotwort zu Beginn, Kelchwort am Schluß!)
von M. Kühn (1051).

Chr. Zippert will sicher nicht den Anspruch erheben, die von
ihm vorgetragene Diagnose sei erschöpfend. Vielleicht sollte man
versuchen, sie wenigstens noch um einen Punkt zu ergänzen:
Das Abendmahl bereitet nicht zuletzt deshalb Pfarrern und Gemeinden
so viele Verlegenheiten, weil es offenbar nicht mehr
gelingt, das Geschehen um Bröl und Wein in eine unmittelbare
(nicht durch „Lehre" vermittelte!) Beziehung zum eigenen Tun
und Wirken, zum eigenen Hoffen und Leiden, zum eigenen
Leben und Sterben zu setzen. Ob das pausenlose Gerede über
„Gemeinschaft" hier weilerhilft, muß bezweifelt werden — man
muß befürchten, daß es eher noch zu einer weiteren Sinnent-
lcerung beiträgt. In den meisten hier vorliegenden Texten,
Predigten und Entwürfen fehlt (als Ergebnis einer theologischen
Sperre!) eine ganze Dimension: Abendmahl als „eucharistia" —
und das heißt eben nicht nur Danksagung und Lobpreis, sondern
in letzter Konsequenz Teilnahme (im Sinne von Nachfolge,
nicht im Sinne von Mitwirkung oder gar Mit-Bewirkung!) an
der Selbsthingabe Jesu an Gott und die Menschen — eine Teilnahme
, wie sie eben auch in der Feier des Abendmahls (als
Feier jener doppeltgerichteten Selbsthingabe Jesu) leibhaften
Ausdruck gewinnen darf. In dieser Kürze ist dies gewiß alles
mißverständlich; aber es findet sich im vorliegenden Band ein
Bericht, in dem gerade jene eigentlich eucharislische Dimension
in der Feier des Abendmahls auf sehr eindrückliche Weise zur
Darstellung kommt: wenn da während eines Gottesdienstes anläßlich
einer Kirchbau lagung (113—122) nicht nur Brot und
Wein, sondern auch sehr persönliche, für das Leben einzelner
Teilnehmer höchst bedeutsame Gegenstände (z. B. Eheringe)
zusammen mit den für die Eucharistie bestimmten Gaben auf
dem Altar niedergelegt, „dargebracht" werden und darüber
dann das Dankgebet gesprochen wird... Es wurde oben darauf
hingewiesen, daß Texte im Umfeld der Einsetzungsworle häutig
sich mehr als „Lehre" gebärden denn als Gebet; und es ist
sein- zu bedauern, daß sich in diesem dem Abendmahl gewidmeten
Band nur ganz wenige Beispiele für eucharistische Hochgebete
finden (z. B. 38f, 43, 55, 136f). Daß dies mit jenem Fehlen
der eigentlich eucharistischen Dimension in gemeinpro-
loslantischer Abendmahlspraxis zusammenhängt, darf man vermuten
; und man muß befürchten, daß alle Versuche zur Erneuerung
evangelischer Abendmahlspraxis und Abendmahls-
frömmigkeit ins Leere laufen, wenn sie sich nicht gleichzeitig
auch um eine Wiedergewinnung jener Dimension bemühen.

Leipzig Karl-Heinrich Rieritz

Gamber, Klaus: Liturgie und Kirchenbau. Studien zur Geschichte
der Meßfeier und des Gotteshauses in der Frühzeit.
Regensburg: Pustet i. Komm. [1976]. 158 S., 28 Abb. 8° —
Studia Palrislica et Liturgica quae edidit Institulum Liturgicum
Ratisbonense, 6.

Klaus Gamber, dessen anregende, weiterführende und dabei
immer auf praktische Anwendung heute abzielende Art der
liturgiewissenschafllichcn Forschung auch den Lesern dieser
Zeitschrift zur Kenntnis gebracht worden ist (vgl. Jg. 87, 1962
Sp. 860-862; Jg. 93, 1968 Sp. 225-228; Jg. 95, 1970 Sp.
852—853), hat in dein vorliegenden Band an verschiedenen
Stellen veröffentlichle und stark überarbeitete Aufsätze und
Studien vereinig!. Wenn ich richtig sehe, geht es Vf. dabei vor
allem darum, die gerneinsame altkirchliche Wurzel der Liturgien
in Ost und West aufzuzeigen und aus ihr zugleich die
unterschiedlichen Entwicklungen zu erklären. Diesem Generalthema
gelten folgende Kapitel: „Die Hinwendung nach Osten
bei der Meßfeier im 4. und 5. Jahrhundert" (S. 7-27), „Die
Meßliturgie in Nordafrika zur Zeit des hl. Augustinus" (S.
29—45), „Zur Liturgie in Dacien. Die Taufkatechesen des

Bischofs Niceta" (S. 46—54), „Die Liturgie in Norikum zur
Zeit des hl. Severin" (S. 55—71), „Die Liturgie der Goten vor
allem im Reich des Theoderich in Italien" (S. 72—96), „Die
gallikanische Meßfeicr, ihre Beziehung zur ostkirchlichen Liturgie
und zum jüdischen Tempelkult" (S. 97—119), „Die Meßliturgie
von Ravenna nach dem Ordo Romanus IV" (S. 20—139)
und „Altar und Altarraum in der Ost- und Westkirclie in ihrer
geschichtlichen Entwicklung. Ein Überblick" (S. 140-151). Ein
„Verzeichnis der Orte, Personen und Sachen" (S. 152—158)
schließt das Buch ab. Die Kapitelüberschriften lassen allerdings
nicht erkennen, daß sie stets auch den Kirchenbau der jeweiligen
Kirchenprovinz beinhallen. Das dabei ausgebreitete Material
möchte lt. Vf. helfen, „zu einem neuen, aus dem Geist der
christlichen Frühzeit geschaffenen Kirchenbau zu gelangen"
(S. 5). Ob es sich um Kirchen in Syrien, Nordafrika, Kleinasien
, auf der Krim, in Rom und Italien handelt, ob in Noricum
oder gar Dacien, immer geht es G. um eine aus dem gemeinsamen
Geist liturgischer Anbetung zu verstehende Synopse der
verschiedensten Elemente und Bnutypen. Das beste Beispiel
hierfür ist vielleicht das Kap. über die Liturgie der Goten.
Dabei geht es nicht ganz ohne überraschende Problemdurchblicke
ab. So, wenn zwischen dem Bildprogramm von S. Apol-
linare Nuovo und dem der späteren Bilderwand eine „auffällige
Parallele" (S. 81) festgestellt wird. Oder, wenn solche
zwischen den gotischen Kreuzkirchen in Spanien, auf der Krim
(die dort erwähnten Skythen haben nichts mehr mit dem alten
iranischen Steppenvolk zu tun, sondern bezeichnen in der
byzantinischen Literatur alle in Südrußland bekannten slavi-
schen und turkotatarischen Völkerschaften), in Kleinasien und
im Kaukasus mit den skandinavischen Stabkirchen gesucht
werden (S. 83ff). Ich glaube, daß, nachdem schon 1944 K. J.
Conant ähnliche Vorstellungen an der aus Eichenholz erbauten
Sophienkalhedrale in Novgorod demonstrieren wollte, aber
auf keine Gegenliebe in der Kunstwissenschaft stieß, man ohne
das neueste archäologische Material (für die Krim auch die
Arbeilen sowjetischer Forscher) kaum jemanden zur Diskussion
wird locken können. Sehr wichtig und entschieden überzeugender
erscheinen mir die Ausführungen G.s über Liturgie und
Kirchenbau in Noricum und in Dacien. Sie arbeiten in dankenswerter
Weise ein Gebiet auf, das in. E. für bestimmte Kirchen
unbekannter Genese schon s. Z. von Cibulka als eines der
Typen im Zusammenhang mit der cyrillo-methodianischen Epoche
namhaft gemacht wurde (Kirchen mit der Apsis parallellaufenden
Klerikcrbänken, vgl. Gamber S. 22f, 66f). (Man
müßte Gambers Domus ecclesiae, Regensburg 1968 nachlesen,
das mir leider nicht zur Hand ist). Das besondere Interesse
G.S liegt überhaupt in dieser Zone des frühchristlichen Hamv
und Kirchenbaus, wie das letzte Kap. zeigt. Wenn Vf. S. 140,
Anm. 2 sagt, er hoffe, „in einigen Jahren die Frage neu aufgreifen
zu können", so kann man dem nur zustimmen. Inzwischen
liegt u. a. der umfangreiche Art. „Ikonostas" von M.
Chatzidakis (RBK III, Sp. 326—353) mit der von G. gewünschten
Denkmäleraufführung vor. Dort auch einige wichtige von
G. nicht erwähnte LJntersurhungen zur Bilderwand. Audi sonst
ist die bibliographische Basis dieses Kap.s zu schmal geraten
oder überaltert. Trotzdem sind die Uberblicke und Zusammenhänge
, wenn auch manchmal etwas ..provokativ", interessant
und anregend. So, wenn Vf. uns von dem byzantinischen
Tempion über den Ikonostas zum westlichen Lettner, dem Re-
tabel und schließlich zum Barnckallar führt, dessen Erscheinung
er als Degeneration ursprünglich echter liturgischer Vorstellungen
ansieht. „Es sollte überflüssig sein darauf hinzuweisen, daß
es nicht die orientalischen Kirchen waren, die in diesem Punkte
die frühchristliche Tradition verlassen haben — sie haben sie
nur etwas weiterentwickelt —, sondern das Abendland, das
spätestens seit der Zeit der Gotik eine eigene, von der gemeiu-
samen kirchlichen Tradition sich entfernende Entwicklung des
Altars und des gesamten Altarbezirks mitgemacht hat" (S. 151).
Dem kann ich nur mit Zurückhaltung zustimmen. Was den
Ausführungen G.s fehlt, ist eine kritische Dialektik des Altarraumes
mit seiner Entwicklung von den Cancelli zu Templon
und Bilderwand. Sie müßte einsetzen mit der s.Z. von Quasten
und Kretschmar aufgezeigten Emotionalisierung der eucharistischen
Sarx Christi (vielleicht schon in Joh 6?) zum „phrikton