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1979

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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letztlich um die Ankunft des dreieinigen Gottes ginge, will dem
Rez. z. B. doch nicht recht einleuchten. Freilich spricht man
davon bisweilen in einer Verhallenheil, die bei Lesern das
Mißverständnis des Verschweigens hervorrufen könnte. Wenn
das so ist, mußte «las wohl die Anfragen dieses Buches provozieren
. Darum wäre es gut, wenn von den angesprochenen
Positionen aus nun vertieft darauf geantwortet würde, was unter
dem Kommen des Reiches Gottes zu verstehen sei.

Güstrow Jens Tanger

Frey, Christofer: Zur theologischen Anthropologie Karl Barths

(NZSTh 19, 1977 S. 199-224).
Gräßer, Erich: Die falsche Authropozentrik. Plädoyer für eine

Theologie der Schöpfung (DtPfrBl 78, 1978 S. 263-266).
Jensen, Ole: Schöpfungstheologischer Materialismus. Zum Na-

turverständnis angesichts der ökologischen Krise. Regin Pren-

ter zum 70. Geb. (NZSTh 19, 1977, S. 247-260).
Kiesow, Ernst-Rüdiger: Die anthropozentrische Verengung in der

Verkündigung der Schöpfung (ZdZ 1977, S. 448-451).
Krötke, Wolf: Der christliche Glaube an den Schöpfer. Werner

Krusche zum 00. Geb. (ZdZ 1977 S. 437-447).
Offenbarung und Erfahrung (Themenheft Concilium 14, 1978
Heft 3)

Schillebceckx, Edward, Iersel, Bas van: Autorität von Offenbarung
und von neuen Erfahrungen (S. 139f)

Eicher, Peter: Die verwaltete Offenbarung. Zum Verhältnis
von Anilskirche und Erfahrung (S. 141—148)

Schneiders, Werner: Erfahrung im Zeitalter der Vernunft
(S. 149-153)

Hulshof, Jan: Die modernistische Krise: Alfred Loisy und
George Tyrrell (S. 153-159)

Mieth, Dietmar: Nach einer Bestimmung des Begriffs „Erfahrung
"': Was ist Erfahrung? (S. 159—167)

Schreiter, Robert: Die Spezifizierung der Erfahrung und die
Sprache der Offenbarung (S. 167—172)

Plongeron, Bernard: Sprachmodelle der Tradition: Ein Ausdruck
für Gesellschaftsmodelle (S. 172-179)

Lamb, Matthew: Dogma, Erfahrung und politische Theologie
(S. 180-187)

Molari, Carlo: Die kirchliche Gemeinschaft als hermeneutisches
Subjekt der aus der jüdisch-christlichen Erfahrung erwachsenen
Tradition (S. 187—194)

Tracy, David: Offenbarung und Erfahrung. Der partikuläre
und universale Charakter christlicher Offenbarung (S.
194-200)

Sti rnimann. Heinrich: Sprache, Erfahrung und Offenbarungs-
widerfahrnis (S. 201-208).
Völker, Alexander: Gemeinsames Glaubensbekenntnis. Gemeinsamer
Wortlaut des Apostolischen und des Nizäno-Konstan-
tinopolitanischen Glaubensbekenntnisses für die Kirchen des
deutschen Sprachgebietes. Hrsg. im Auftrag der evang. Mitglieder
der Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte im deutschen
Sprachbereich. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1974J. 58 S. 8°. DM 3,80.

Systematische Theologie: Ethik

Molin, Lennart: Hearts and Structures. About man and Society
out of an American theological material. Stockholm: Oum-
messon [1976]. 212 S. 8°.

L Molin, ein in einem Vorort Stockholms als Pfarrer täliger
Schüler Gustaf Wingrens, ist umgetrieben von der Frage nach
dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft und befragt
vier prominente nordamerikanische Theologen unseres Jahrhunderts
nach den von ihnen angebotenen Lösungen: Reinhold
Niebuhr (1892-1971), seinen Bruder H. Richard Niebuhr
(1894-1962), Paul Lehmann (geb. 1906) und James Guslafson
(geb. 1925). Sachlich und verständnisvoll referiert er ihre Standpunkte
, wobei Wandlungen in ihrem Werk ihn nur sekundär
interessieren. Molin kann bei offensichtlichen Unterschieden
«uch auf vielfache Gemeinsamkeiten in der Position dieser
protestantischen Denker hinweisen, die sich aus ihrer Antithese
zum Social Gospel und zur liberalen Theologie wie auch
zur lutherischen Zwei-Beichc-Lehre, im Gefolge der calvinisti-

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sehen Tradition einerseits und aus ihrem Standort innerhalb
der modernen bürgerlichen Gesellschaft ergeben. Seine Fragen
sind echt, und nicht nur vorgegeben, was sein Buch sympathisch
und erhellend macht. Molin weiß sich selbst noch auf
dem Wege und beschließt seine Veröffentlichung denn auch,
ohne seine Grundfrage einer endgültigen Lösung zugeführt zu
haben. Er äußcrl aber konstruktive Kritik, wo ihm diese angebracht
scheint, und dürfte mit dieser weithin im Recht sein.

Alle behandelten US-Theologen sind zutiefst von der geistigen
Pluialität ihrer Gesellschaft alTiziert. Die Absage an simple Be-
hauplungen im Wissen um die Komplexität der Probleme, die
Verbindung der Ethik mit der Anthropologie sowie das Streben
, das gesamte Leben in seiner Breite und Tiefe in Beziehung
zum Glauben zu setzen, verleiht ihrer Ethik realistische Züge
und läßt sie zugleich der biblisdien Schau des Menschen weithin
geredit werden, bewahrt sie vor Schematismus und Formalismus
wie vor falscher Isolierung von der Welt, zumal alle um
die Weltverantwortung des Christen wissen und hierfür audi
den tertius usus legis frudithar machen.

Heinhold Niebuhr sieht sich im Zweifrontenkrieg gegen einen
platonischen Idealismus wie gegen einen Naturalismus zugunsten
eines ganzheitlichen biblischen Realismus. Er ist sich dessen
bewußt, daß allein das Individuum die Fähigkeit besitzt,
sich selbst zu trans/.endieren und in konkreter Liebe alles moralisch
Einklagten zu übertreffen, während es sinnlos und gefährlich
ist, derartige Ansinnen an eine beliebige Gesellschaft
zu stellen. Das verführt ihn aber nicht zu einem solipsistischen
Individualismus, da der Einzelne erst in der Gemeinschaft seine
Erfüllung finden kann. Zwischen beiden Tatbeständen muß
nach seiner Meinung immer neu eine sinnvolle Balance hergestellt
werden, die weder des realistischen nodi des idealen
Aspektes entbehrt. Nur im Glauben linde der Mensch die Einheit
von Essenz und Existenz, da die Gnade dem Menschen
Kreativität verleiht. Einerseits bleibt zwar das Liebesgebot unerreichbares
ethisches Ideal, andererseits aber ist es Anleitung
zu gemeinschaftsförderlichem Handeln.

Dieser Dialektik des Idealen und Aktuellen entspricht bei
H. Richard Niebuhr die des Absoluten und Relativen. Er bekennt
sidi zum Pluralismus und bezieht diesen bewußt audi
auf christliches Glauben und Handeln. Für ihn ist die Plurali-
tät die Quelle der Freiheit und damit der personalen Integrität
des Menschen, was — jedenfalls wenn man es so generell und
betont behauptet — der kritischen Hinterfragung bedarf. Dodi
weiß er seihst, daß Pluralität stets audi das Risiko des Sclbst-
verlustes in sich trägt. Da er in der Welt nichts wahrzunehmen
vermag, was der Wertrelativität entnommen wäre, ist für ihn
allein Gott als das Wertzentrum die Quelle der Beständigkeit
menschlicher Werte. Weil aber die göttliche Wahrheit innerhalb
der Geschichte nie zu eindeutiger Wirkung gelangt, kommt es
nach H. R. Niebuhr auch für den Christen nur zu einer Ein-
grenzuug des allgemeinen Wertrelativismus. Die Relativität des
menschlichen Lebens werde von der Absolutheit Gottes nie
absorbiert, so daß die menschliche Entscheidung immer Wahl
zwischen unterschiedlichen Möglidikeiten bleibe. Hier zeigt sidi
II. M. Niebuhr bleibend von Troellsch beeinflußt. Doch sieht
audi er, daß der Mensch stets in sozialen Beziehungen steht und
nur in ihnen sein Selbst finden kann. Die Kraft zu soldien
Bindungen will er bewahren, indem er gegen den seiner Meinung
nach der Zwei-Reiche-Lehre Luthers inhärenten Dualismus
(handelt es sidi nicht aber in der originalen Lehre viel eher
um eine spannungsgeladene Polarität, die der Mensch im Glauben
fruchtbar macht?) den christliehen Monotheismus ausspielt
und alles Bestehende für gut erklärt. Dieser Meinung scheint
auch Molin zu sein, wie seine Kritik an einem relativen Dualismus
noch bei Logstrup zeigt; mir aber scheint sie ebenso
unbiblisch wie unrealistisch zu sein. II. R. Niebuhrs Anliegen
jedoch, Staat und Gesetz als positive Handlungsträger zu verstehen
, mittels derer mau den Mitmenschen dient, und einer
falsdien Annäherung von Schöpfung und Fall zu wehren, verdient
unsere Zustimmung.

Ähnlich H. R. Niebuhr begreift Gustafsori die Dialektik von
persönlicher Integrität und sozialer Verantwortlichkeit. Er ist
beunruhigt durch die Wahrnehmung, daß Wertungen nie ein-

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 2