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Ausgabe:

1979

Spalte:

108-109

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Yerushalmi, Yosef Hayim

Titel/Untertitel:

The Lisbon massacre of 1506 and the Royal Image in the Shebet Yehudah 1979

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Judaica

Stone, Michael E.: The Armenian Version of the Testament of
Joseph. Introduction, Critical Edition, and Translation.
Missoula, Montana: Scholars Press for The Society of Biblical
Literature [1975]. V, 57 S. gr. 8° = Texts and Translations
Series, 6. Pseudepigrapha Series, 5.

Michael Stone ist wohl der einzige Apokryphenfachmann
unter den nicht eben zahlreichen Kennern der altarmenischen
Literatur diesseits des Ararat. Er hat sich in den letzten Jahren
durch viele, auf solide Handschriftenkenntnis gegründete Veröffentlichungen
einen Namen gemacht. Schon mehrfach hat er
sich um die armenischen Testamente der zwölf Patriarchen gekümmert
, die für die Rekonstruktion des griechischen Textes
wichtig, aber noch ziemlich unaufgearbeitet sind, am ausführlichsten
in seinem Buch The Testament of Levi. A First Study
of the Armenian Mss of the Testaments of the XII Patriarchs
in the Convenl of St. James, Jerusalem, Jerusalem 1969 (zum
Stand der Forschung insgesamt vgl. zuletzt M. de Jonge, The
Greek Testaments of the Twelve Patriarchs and the Armenian
Version, in: de Jonge ed., Studies on the Testaments of the
Twelve Patriarchs, Studia in Veteris Testamenti Pseudepigrapha
3, Leiden 1975, 120—139, der übrigens wahrscheinlich macht,
daß TPatr Arm nicht vor dem 9. Jh., vielleicht erst im 10.
oder Ii. Jh. entstanden ist). Stones neue Arbeit ist ein entscheidender
Fortschritt. Zum ersten Mal hat man wenigstens
ein Stück des armenischen Textes auf der Basis eines repräsentativen
Querschnitts durch die erhaltenen Textzeugen, nicht nur
einer zufälligen Auswahl oder einer einzigen Handschrift (dieses
gilt praktisch von S. Yovsep'eanc', T'angaran hin ew nor
naxneac' I. Ankanon girk' hin ktakaranac', Venedig 1896,
27—151, der bisher einzigen vollständigen Ausgabe, jenes von
der Benutzung des Armeniers durch R. H. Charles, The Greek
Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs, Oxford
1908 = 2. Aufl. Darmstadl 1960 = 1966). Stone hat 30 der 52
bekannten Handschriften an ausgewählten Stellen probekolla-
tionierl. Es ergaben sich vier „Familien", zwei größere (<x, ß)
mit einigen Untergruppen und zwei mit nur einem Glied (Z)
bzw. zweien (M V). Die vorliegende Ausgabe von TJos beruht
auf Eriwan, Matenadaran 1500, 1282—83 n.Chr. (Z), Jerusalem,
Armen. Patriarchat 1925, 1269 (M), Eriwan 353, 1317 (V) und
einer Auswahl aus den beiden anderen Familien. Für a
stehen Wien, Mechilaristenkongregation 128, 1388 n.Chr. (K),
Jerusalem 939, 1621 (S), Wien, Mech. 705, 1403 (W) und
Venedig, S. Lazzaro 679, 15. Jh. (B); die Familie hat drei
Untergruppen, hier vertreten durch K, B VV, S. ß ist repräsentiert
durch Wien, Nationalbibliothek, Arm. 11, vor 1608 (L),
Eriwan 346, 1390/1400 (X) und Venedig 280, 1418-22 (Bb);
die Familie umfaßt in zwei je sehr geschlossenen Untergruppen,
hier vertreten durch L und X Bb, die Hauptmasse der erhaltenen
Handschriften, besonders aus dem fruchtbaren 17. Jh.
a und ß mit Untergruppen hatte faktisch schon Charles identifiziert
. Bb ist Yovsep'eanc" Textgrundlage. Der Fortschritt
liegt in der Benutzung von Z und M V. Denn Z ist „the best
preserved text", M V „conlain n text occasionally superior to Z
and often superior to alpha and bela". Dagegen a „has definitely
undergone recensional activity, but it has as its base, a textual
form of very high value", und ß ist „the least important from the
point of view of resloration of the original text of the Version"
(S. 5f.). Zu entbehren sind sie freilich nicht. Bei der Textherstellung
(S. 14—57 auf den graden Seiten) folgt Stone Z, außer
wenn andere Zeugen eindeutig überlegen sind, d. h. praktisch,
wenn sie mit Gr gegen Z gehen. Das ist nach der Liste S. 7—9
nur etwa zweimal pro Textseitc so. Der ausgewählte Apparat
„presents all variants of possible significance for the study of
the Substantive readings preserved by the manuscripts" (S. 9).
Gr ist nicht herangezogen. Text und Apparat sind außerdem
übersetzt (auf den ungraden Seiten gegenüber dem Armenischen
), natürlich kein Ersatz fürs Original, aber eine Wohltat
füi einen, der nicht mehr armenische Vokabeln im Kopf hat
als der durchschnittliche Theologiestudcnl hebräische.

Die Unterscheidung der Familien und ihre Bewertung ist

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m. E. grundsätzlich richtig, die Handschriftenauswahl und die
der Apparatlesarten wohl ausreichend für die Textrekonstruktion
(vielleicht nicht für die der Textgeschichte). Das wird übrigens
bestätigt durch die Untersuchungen von A Hultgärd, Croyances
messianiques des Test. XII Patr. Critique textuelle et commen-
taire des passages messianiques, Diss. theol. Uppsala 1971,
22—37. Nur meint Hultgärd, Arm allein aus Z und M V wiederherstellen
zu können; so weit geht Stone mit Recht nicht. Vielleicht
herrscht bei ihm Z etwas zu sehr vor. Gehört nicht z. B.
in 1,6 ei M L hinter i bandi entsprechend (en phylake) ömen
Gr in den Text? In 19,6 (Gr nicht erhalten, s. u.) setzt Stone
erkuc' „(zwischen den) zwei (Hörnern)" M X L K S W in den
Apparat, weil Z das Wort nicht hat. Das ist problematisch, weil
Z auf Kürze bedacht ist, wie auch Orthographie und Schrift
zeigen: kürzerer Umfang ist also u.U. ungünstiger zu beurteilen
als Varianten im positiven Text. Umgekehrt nimmt Stone
in 19,1 (ztesiln) im Z in den Text, obwohl kein anderer Zeuge,
auch kein griechischer, „meine (Vision)" liest (übrigens hat
Charles lesil entsprechend Gr mit enhypnion rückübersetzt, danach
J. Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, Jüdische
Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit III 1, Gütersloh 1974,
129: „Traum"; das ist als Rückschluß auf die Vorlage wohl
richtig, aber als Ubersetzung falsch). Aber insgesamt ist Z ein
Glücksfall von Textzeuge, und so ist Stones Text unvergleichlich
viel besser als Yovsep'eanc-', dessen Grundlage der schwächsten
Familie entstammt, aber auch als der von Charles vorausgesetzte
, zumal der nur zu erschließen ist und auch das nicht
kursorisch. Obwohl die beiden im Apparat leider nicht mit
ausgewiesen sind, kann man sich schnell einen Eindruck verschaffen
, indem man auf die X-Lesarten (praktisch gleich
Yovsep'eanc') und die Lesarten vom Typ Z(M): rel achtet. Ein
Einzelbeispiel: in 20,3 belegt Z mit ew merj i Balla ar'
jiarsawansn jetzt das in Arm bisher fehlende kai engys Bailas
para ton hippodromon Gr. Große Überraschungen hat es freilich
nicht gegeben (anders als bei Joseph und Aseneth, wo Z die
Kapitel 25—27 liefert, die sonst in der armenischen Uberlieferung
bis auf wenige Verse verschwunden sind). Das schwierige
Kapitel 19, stark christlich überformt, V. 3—7 nur armenisch
vorhanden, liest Z ungefähr so wie die anderen Zeugen auch,
und er schafft auch den von Charles 184 A. 30 entdeckten mutmaßlichen
Fehler i bands „in Gefängnissen" 1,7 statt * i bans
entsprechend en logois Gr nicht weg. Aber es steht jetzt wenigstens
für TJos ein kritischer Text zur Verfügung, der zeigt, wie
Ann ursprünglich ausgesehen haben mag. Damit wird auch die
Benutzung für die Rekonstruktion des griechischen Textes auf
eine sichere Grundlage gestellt. Ob gegenüber dem, was mit
Hilfe von Charles' Angaben möglich war, viel Neues herauskommt
, bleibt abzuwarten. Immerhin, daß para ton hippodromon
20,3 Glosse aus Gen 48,7 LXX sei (Charles 213 A. 21;
Becker 130), läßt sich nicht mehr textkritisch begründen, seit
die W örter in Arm belegt sind. Und es ist jetzt ganz deutlich,
daß es Unsinn war, 20,3 in zwei Parallelspalten zu drucken
(Charles: c A und ß S1): A(rm) gehört auf die ß-Seite, c steht
allein und ist sicher sekundär, übrigens schreibt Becker ebd.,
Arm habe am Anfang des Verses wie c (vgl. d) Aseneth statt
Zilpa: das hat auch nach Stones Ausgabe keine Handschriften-
grundlage, sondern ist eine (unberechtigte) Konjektur von
Charles (weiteres Vorläufige, besonders zu TJos 19, bei de Jonge
124—135 nach Hultgärd und früheren Aufsätzen von Stone).

So weit, so gut also. Jetzt wollen wir bitte auch die anderen
Testamente auf armenisch haben. Soweit ich weiß, sind sie schon
in Arbeit.

Heidelberg Christoph Burchard

Yerushalmi, Yosef Hayim: The Lisbon Massacre of 1506 and
the Royal Image in the Shebet Ychudah. Cincinnati: Hebrew
Union College — Jewish Institute of Religion 1976. XIII,
91 S., 1 Taf. 8° = Hebrew Union College Annual Supplements, 1.
Die wechselvolle Geschichte der Juden im Mittelalter, wie sie
sich in der jüdischen Historiographie spiegelt1, früher bevorzugtes
Arbeitsgebiet deutsch-jüdischer Forscher, wird jetzt vor

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 2