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Ausgabe:

1979

Spalte:

100-101

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Beauchamp, Paul

Titel/Untertitel:

L' un et l'autre Testament 1979

Rezensent:

Ploeg, Johannes P. M.

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99

lichkeiten der Ubersetzungssprache ab. Bedeutsamere Beispiele
für das Sichlösen vom griechischen Text wurden in ThLZ 100,
1975, Sp. 354 ebenso angeführt wie solche für das Bleiben an
biblischen Wörtern und Wendungen. Gerade weil W. gegebenenfalls
den griechischen Text sachgemäß umspricht, kann er es
sich leisten, in der biblischen Sprache fixierte Wörter oder etwa
bildhaft anschauliche Ausdrücke beizubehalten (nicht zuletzt
begegnen in alttestamentlichen Partien — die bemerkenswerterweise
sämtlich in Kapitälchen gesetzt sind — Wendungen mit
besonderem Klang2). So etwa „mit erhobenem Arm" Apg 13,17,
„seinen Lauf vollenden" Apg 13,25; in RT 19753 heißt es hier
„am Ende seines Wirkens"'.

Der Vergleich mit RT 1975 ist auch sonst nicht uninteressant.
Beachllicherweise bleibt W. in Joh 1,14 bei der Fassung „das
Wort ward Fleisch", während RT 1975 sagt: „ . . . wurde Mensch".
Insgesamt hatte man bei RT 1975 nicht nur auf die Nähe zum
Urtext und zur Gemeinde zu achten, sondern außerdem auf die
zu der überkommenen Fassung nach Luther. Um so bemerkenswerter
sind gewisse Gemeinsamkeiten mit W., etwa Apg
10,19 „nachsann", 13,22 „erhob. . . David zu ihrem König";
Lieb 1,1—3: (1) „vielfach und auf verschiedene Weise... durch
die Propheten zu den Vätern geredet4 ... (2) Ihn hat. . . zum
Erben des Weltalls eingesetzt.. . durch ihn .. . die Welten erschaffen
... (3) . . . trügt das Wellall durch sein .. . Wort". Der
Wortlaut von Rom 8,1 ist abgesehen von zwei Wörtern gleich:
„. .. gibt es nun kein Verdammungsurteil (...) für die, die in
Christus Jesus sind", weitgehend gleich in 5,1-5. 8—11 (z. T.
weicht nur die Worstellung ab), s. z.B. auch Lk 1,48 (worl-
gleich). 53. Diese Befunde5 sollen keineswegs die Eigenständigkeit
der Fassungen (und gegebenenfalls der Auffassungen) in
den beiden Ubersetzungen verdecken, ihre mannigfache (nicht
nur durch die Nähe von RT 1975 zum Luthertext bedingte)
Verschiedenheit (andererseits waren in manchen, etwa in erzählenden
Partien angesichts der verwendeten Grundsätze keine
auffallenden Abweichungen zu erwarten). Die Hinweise6 deuten
indessen auf die Möglichkeit, wieder zu einem festen Text zu
kommen, ohne den der gemeindliche und der private Gebrauch
des Neuen Testaments nicht auskommen kann.

Ein vielleicht nicht uninteressantes Vergleichsmaterial bietet
sich in der Wiedergabe des Wortes „Fleisch", das für die
Problematik der Ubersetzung neu testamentlicher Vokabeln von
spezifischer (und zugleich verschiedener) Bedeutung paradigmatisch
geworden ist. In Rom 8,4—13a setzt W. einheitlich „Selbstsucht
", während RT 1975 wechselt zwischen „menschliches"
bzw. „eigenes Begehren" (V. 4.5a), „ (menschlicher) Eigenwille"
(V. 6f) bzw. „eigener Wille" (V. 8), „Selbstsucht" (V. 9.12) bzw.
„selbstsüchtige Art" (V. 5b. 13a). In V. 13b hat W. „selbstsüchtiges
Tun", RT 1975 „selbstsüchtiges Handeln".

Mit den zusammenhängenden Erläuterungen und den Anmerkungen
— nur die Einleitungen zu den einzelnen Schriften sind
aufgenommen — fallen in der Taschenausgabe auch die Angaben
der wörtlichen Ubersetzung freier wiedergegebener Stellen
fort; man könnte fragen, ob diese nicht wenigstens teilweise
am Fuß der Seiten anzubringen gewesen wären. Auch
dann konnte der Satz zeilengleich aus der kommentierten Ausgabe
übernommen werden.

Angesichts der Methode der Übersetzung und deren Durchführung
durch W. ist auch die Ausgabe ohne Kommentar —
die zu einer fortlaufenden Lektüre einlädt — als eine wesentliche
Hilfe für das Verständnis der lirchristlichen Botschaft
durch die Gemeinde anzusehen.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Immerhin lag 1976 bereit« die i. Auflage der erstmals 1970 erschienenen
Edition mit Kommentar vor.
J Etwa in Predigten der Apg oder Röm 3,10—18.

* Da« Neue Testament nach der Übersetzung Martin Luthers. Revidierter
Text 1975, Stuttgart [1976].

• In RT 1975 umgestellt. Man vergleiche zum Ganzen den revidierten
Text 1956.

5 Zu denen die Wiedergabe in der durch die deutschsprachigen Bibelgesellschaften
verantworteten Übertragung Die Gute Nachricht zu vergleichen
ist.

8 Die Übereinstimmungen gehen an den betr. Stellen weiter als die mit
der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift [mir zugängliche Ausgabe
Leipzig 1974].

100

Ryrie, Charles Caldwell: The Ryrie Study Bible. New Testament.

New American Standard Version. XIV, 498 S., 8 Farbktn.
King James Version. XI, 496 S., 8 Farbktn. With intro-
duetions, annotations, outlines, marginal rcfeiences, subjeet
index, harmony of the Gospels, maps and timeline charts.
Chicago, III.: Moody Press [1976]. 4°.

Die besondere Bedeutung dieser Bibelausgabe liegl darin, daß
eine führende fundamental-evangelikale Gruppe, das Moody
Bible Inslilute in Chicago, versucht, einen innerkirchlichen
Kompromiß zwischen der veralteten, jedoch immer noch vielgebrauchten
King James Version aus der Mille des 17. Jh. und
der gemäßigten New American Standard Version aus den 60er
Jahren unseres Jahrhunderts dadurch herzuslellen, daß sie beide
Ausgaben mit den knappen und zu 99 % übereinstimmenden
Erläuterungen eines ihrer Theologen herausgibt, des Vorstandes
der Abteilung für systematische Theologie am Dallas
Seminar.

Dadurch wird konkret unter Beweis gestellt, daß eine persönliche
Bekehrung zum rettenden Evangelium sowohl auf der
Basis der einen wie der anderen Ubersetzung möglich sei. Der
ganze Streit, der bei uns bis zur Anklage „Verrat an Luther?"
eskalierte, wird als unnötig erwiesen, und zwar von pietistisch-
konservativer Seite aus.

Versucht man freilich die Doppelausgabe dieser Studienbibel
losgelöst von dein innerkirchlichen historischen Konflikt zu
würdigen, kommt man oft aus dem Staunen nicht heraus, was
z. B. die angeblich frühen Entstehungszeiten der einzelnen
Schriften des NT betrifft oder auch die Behauptung, daß die
Unterschiede der vier Evangelien einander „ohne Widerspruch
ergänzen". Von der dogmatisch unnachgiebig aufrecht zu erhallen
gesuchten perfectio scu sufficientia der Heiligen Schrift
aus wird beispielsweise die vom Apostel Paulus IKor ll,2ff geforderte
Verschleierung der Frau beim Gottesdienst dahingehend
erläutert, daß dafür „keine zeitgenössische Sitten" maßgeblich
gewesen seien, sondern theologische Gründe wie die Scliöp-
fungsordnung und die Gegenwart von (sexuell verführbaren?)
Engeln beim Gottesdienst. Das Mulier taceat in ecclesia IKor
14,34 wird über die grundsätzlichen Bedenken des Apostels zur
Glossolalie zu relativieren gesucht. Die schmalen theologischen
Ansätze zu einer möglichen Gleichberechtigung der Frau etwa
in IKor 7,4.14 und vor allem Mt 22,30 verbleiben unkommentiert
zugunsten ihrer „gotlverordnelen Rolle, ihrem Gatten zu
helfen, Kinder zu bekommen und einen gläubigen, keuschen
Lebenswandel zu führen" zu lTim 2,15.

Zusammenfassendes Urteil: Ein anerkennendes Ja zum versuchten
Brückenschlag zwischen konservativen und liberalen
Bibeliesern und -Übersetzungen, ein höchslbedenkliches Nein
hingegen zur dogmatischen Manipulation slalt eines Beitrages
zur Mündigkeil als Christ und Bibelleser.

Münster/Westf. Heinz Hunger

Bcauchamp, Paul: L un et T autre Testament. Essai de lecture.
Paris: Editions du Seuil [1976]. 320 S. m. 7 Tabellen 8" =
Parole de Dieu.

Der Aulor dieses für einen Alttestamentler schwer verständlichen
Buches will auf seine \ eise zeigen, daß das Neue Testa-
menl schon im Alten gegenwärtig ist (vgl. das mittelalterliche:
Novum [Testamentum] in velere latet), nur soll man dies nicht,
wie er sagt, diachronisch, sondern synchronisch verstehen. Im
AT fmdel man Gesetz, Prophetie und Weisheitsliteralur (alle
k^lübim des hebräischen Kanons.); dazu kommt die Apokalyp-
tik, worin Gesetz, Prophelic und Weisheit zusammenfließen.
Bcauchamp erklärt seine Methode (cf. S. 36) im 4. Kapitel seines
Buches „Le Li vre"), Abschnitt 4: Le «telos», S. 170—187.
Hier (S. 170) verweist er auf seinen 1971 auf dem Alttesta-
mentlerkongreß in Uppsala gehaltenen Vortrag „L analysc
structuralc et f exegese biblique", publiziert in Suppl. Vet. Test.
XXII, 1972, S. 113-128. Dieser Vortrag war ein Beispiel ganz
abstrakter Linguistik und als solcher nur für Eingeweihte verstündlich
. Auch das hier zur Rezension vorliegende Buch „Livre,

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 2