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Ausgabe:

1979

Spalte:

96-98

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Homenaje a Juan Prado 1979

Rezensent:

Bertram, Georg

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zu entfalten, ohne theologische Substanz preiszugeben. — Die
Wiedergabe von Vorlesungen, Seminaren und Notizen aus Bon-
hoeffers Tätigkeit als akademischer und kirchlicher Lehrer (S.
181—415) stellt nicht nur den Umfang, sondern wohl auch dem
sachlichen Gewicht nach das Kernstück des Bandes dar, und
es wäre zu wünschen, daß sich die Bonhoeffer-Forschung eingehend
mit diesen, meistens aus Nachschriften rekonstruierten
Texten auseinandersetzt; aber es finden sich immer wieder auch
Worte, die ganz unmittelbar berühren; etwa die drängende
Frage am Ende der Vorlesung über die systematische Theologie
des 20. Jahrhunderts: „Wer zeigt uns Luther?" (S. 227), die,
vor fast einem halben Jahrhundert gestellt, zur Rechenschaft
über den Ertrag der inzwischen geleisteten Arbeit auf diesem
Gebiet auffordert. Freilich könnte eine allzu unvermittelte und
auch unkritische Rezeption von Gedanken des jungen Bon-
hoeffer auch zu Kurzschlüssen führen. E. Bcthges vorsichtig
distanzierende Bemerkungen zur Finkenwalder Seelsorge-Vorlesung
im Vorwort haben daher sicher ihre Berechtigung. Aber
mit Stichworten wie „eine Seelsorge gänzlich vor Freud, den
sie ausgerechnet hinter sich zu haben meinte", „Amtshandlungswelt
" und „Hirlenkonzept" (S. 12) scheint mir doch eine
Auffassung allzu einseitig auf ihre Zeitgebundenheit hin angesprochen
, die zwar den Seelsorger als „Pastor" sieht (S. 364),
aber auch von „seelsorgerliche (r) Diakonie" weiß, die „beim
allgemeinen Priestcrtum, an dem auch der Pfarrer teilnimmt",
liegt (S. 366), die zwar den Dienst in den Amtshandlungen
ernst nimmt (S. 406—414), aber vorher das Gespräch mit
den „Gleichgültigen", den „Angefochtenen", den Kranken und
Sterbenden als Aufgabe ans Herz legt (S. 383—396), für die
zwar der „Unterschied zur Psychotherapie" wichtig, die „Nachbarschaft
" mit ihr als Gefahr erscheint (S. 3701), die dafür aber
Gründe vorbringt, die nicht einfach als Vorurteile abgetan oder
auf Unkenntnis zurückgeführt werden können. — Den letzten
Teil des Bandes bilden Predigten und Schriftauslegungen aus
den Jahren 1928 bis 1941, eine willkommene Erweiterung des
in Band IV schon dargebotenen Textbestandes (S. 416—583).

Band VI gibt mit der Wiedergabe umfangreicher Komplexe
aus dem Briefwechsel, von Tagebuchaufzeichnungen und
Dokumenten zum beruflichen Weg reiches biographisches Quellenmaterial
an die Hand, vom Herausgeber durch übersichtliche
Gruppierung und sachkundige Kommentierung für die
Lektüre erschlossen. Nach der erweiterten Neuausgabe von
„Widerstand und Ergebung" war es ein dringliches Bedürfnis,
auch zu den Zeugnissen der vorhergehenden Lebensstationen
Zugang zu erhalten: Aufschlüsse zur Person Bonhoeffers,
seiner Um- und Mitwelt, über seine Beziehungen zu Vorgängen
der Kirchen- und Zeitgeschichte, seine geistigen Interessen, die
Probleme in seinen verschiedenen kirchlichen Ämtern und die
Formen seines politischen Widerstandes. Es muß hier der Versuchung
widerstanden werden, auf einzelnes hinzuweisen; die
Fülle des Dargebotenen ist zu groß. Der Band, vom Herausgeber
mit Recht ein „Lesebuch" genannt, reizt, vielleicht in noch
höherem Grade als die vorangehenden, zu fortlaufender Lektüre
und lohnt sie durch wertvolle Einsichten, die sich nicht nur
und gar nicht in erster Linie auf Individuelles beziehen (obwohl
auch hier interessante Schlußfolgerungen naheliegen, etwa
die, daß Bonhoeffcr wohl kein ausgeprägtes Interesse für die
zeitgenössische Dichtung besaß), sondern vor allem auch auf die
gesellschaftlichen Zusammenhänge und Beziehungen hinweisen,
in denen sein Leben und Wirken stand. Am tiefsten berührt
aber auch hier, in welch exemplarischer Weise in diesem Leben
die Fähigkeit zur Kontemplation und die Entschlossenheit zur
Aktion, Entfallungswille und Dienstbereitschaft einander ergänzen
.

Der Rückblick auf die nun zu einem zweiten Abschluß gelangte
Gesamtausgabe veranlaßt vor allem zum Dank an den
Herausgeber und seine Mitarbeiter für die über viele Jahre
hin aufgewandte Mühe, Sorgfalt und Liebe in der Sammlung,
Verwaltung und Edition dieses so unvergleichlich wirkungsstarken
Nachlasses. Die editorische Bemühung ging dabei von
vornherein nicht nur auf philologisch korrekte Textwidergabe,
sondern vor allem auf Herstellung theologisch, geschichtlich und
biographisch sinnvoller Zusammenhänge, auf Erschließung und

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Lesbarkeit. So entstand zunächst der Gesamtplan der Bände I
bis IV, dem dann auch die Gruppierung in den Ergänzungsbänden
V und VI angepaßt wurde. — Daß auch nach dem Erscheinen
des VI. Bandes Wünsche offenbleiben, ja neu geweckt
sind, ist dem Herausgeber selbst am deutlichsten bewußt. Sie
beziehen sich auch auf die Vollständigkeit, vor allern aber auf
die Anordnung des dargebotenen Materials. Die Ordnung nach
Sachgruppen hatte gewiß ihren guten Sinn. Sie belastet und erschwert
das Studium der Texte aber dann, wenn andere Sachbezüge
im Vordergrund stehen. Am auffälligsten tritt das bei
den Briefen und Briefwechseln ins Bewußtsein: Hier müssen
neben Band VI ständig auch die Bände I bis III herangezogen
werden. Hier und in anderen Fällen ließen sich, den veränderten
Editionsprinzipien zuliebe, Wiederholungen nicht vermeiden
; das gilt z. B. für den Vortrag „Grundfragen einer christlichen
Ethik" (1929), der Band III, S. 48ff in Auszügen, Band V,
S. 156ff vollständig abgedruckt ist. Für eine künftige Neuausgabe
möchte man auf eine übersichtlichere Ordnung hoffen, die
alle Schriften nach ihren Kategorien (Aufsätze und Vorträge;
Vorlesungen und Seminare; Predigten und Schriftauslegungen;
Gutachten und Denkschriften; Briefe) und diese in sich chronologisch
darbietet. Dem Herausgeber bleibt das Verdienst ungeschmälert
, mit seiner bisherigen Arbeit eine ernsthafte und fundierte
Bonhoeffer-Forschung begründet und über Jahrzehnte
hin immer wieder vorangetrieben zu haben.

Wenn man versucht, den theologischen Ertrag dieser Editionsarbeit
in aller Kürze zu erheben, so wird man sich vor allem
vor jeder formelhaften Verkürzung warnen lassen müssen, selbst
wenn die sich anbietenden Formulierungen von Bonhoeffer
selbst stammen. Bonhoeffer hatte die Gabe einprägsamer, zupackender
Wortfügung, die nicht rhetorischer Brillanz, sondern
der ihm eigenen „Intensität", „drängender Leidenschaft" (E.
Bethge, Band V, S. 12) für die Sache entsprang. „Christus als
Gemeinde existierend", „teure Gnade", „Religionslosigkeit" waren
für ihn nicht End-Ergebnisse, sondern Wendepunkte von
Denkbewegungen, die erstarrte Begriffe in die Dynamik künftiger
Erkenntnisse und — vor allem — Erfahrungen reißen
konnten. Sein theologisches Denken wollte nicht „offenbarungs-
positivistisch" sein, aber es war biblisches Denken; es wollte
nicht historisch gewordene Strukturen festschreiben, aber es war
geschichtsbewußt; es war nicht klerikal, aber kirchlich; es war
nicht metaphysisch, aber geprägt von der Wirklichkeit des
lebendigen Christus. Die Zeugnisse dieses Denkens in Verbindung
mit dem Zeugnis seines Lebens in großem Umfang allgemein
zugänglich gemacht zu haben, ist der Wert dieser
Ausgabe.

Halle/Leipzijj Norbert Müller

[Prado, Juan:] Homenaje a Juan Prado. Miscelanea de Estudios
Biblicos y Hebraicos. Ediciön a cargo de L. A. Verdes y
E..I.A. Hernandez. Madrid: Concejo Superior de Investiga-
ciones Cientificas. Institute „Benito Arias Montano" de
Estudios Hebraicos, Sefardies y Oriente Proximo 1975.
737 S., 6 Taf., 1 Porträt gr. 8°. ptas. 1000,-.

Die Einleitung dieser Festschrift würdigt Leben und Leistung
des Gefeierten durch Darstellung der Persönlichkeit, den Cursus
vitae, ein Photo und eine umfangreiche Bibliographie.

Der 1. Teil behandelt literarische und theologische Probleme
des AT: F. Perez Castro bietet eine übersieht zur Textgeschichte
aufgrund berühmter alter Bibeln wie der kompluten-
sischen Polyglotte und der lextkritischen Beziehungen unter-
anderer biblischer Urkunden deutlich. E. V o g t, Das Prophetenwort
Jes 28,1—4 und das Ende der Königsstadt Samaria. Der
Untergang der Stadt und die Erfüllung des Prophetenwortes
werden berichtet. J. Schreiner, Jeremias Berufung (Jer
1,4—19), eine Textanalyse. Deutlich zeigt sich die Spannung
zwischen dem Auftrag Jahwes und der Haltung des Propheten.

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 2