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Ausgabe:

1979

Spalte:

93-96

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bonhoeffer, Dietrich

Titel/Untertitel:

Gesammelte Schriften 1979

Rezensent:

Müller, Norbert

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 2

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Internist Artur Jores („Vom Sinn der Krankheit", Hamburg 1950)
sieht in der Krankheit einen Anruf Gottes, der zur SianerfUllung des
Lebens helfen will. Vgl. auch Joachim B o d a m e r ; Arzt und Patient,
Freiburg 1962, S. 75ff zur Sinnfrage bei unheilbur Kranken.

" Frankl 1972, S. 77; vgl. S. 86.

M Frankl 1966, S. 114.

M Josuttis 1974, S. 129f.

" Frankl 1972, S. 121; vgl. S. 76.

" Frankl 1966, S. 119

» Vgl. Anm. 2.
» Ebd., S. 15».

61 Ebd., S. 41. Hier scheinen sich die Voraussetzungen der „narrativen
Theologie" zu bestätigen. Narrative Aussagen können offenbar leichler
auf Einstellungen und Handlungen einwirken als abstrakte theologische
Argumente.

n Vgl. Anm. 21, S. 60.

" Ebd., S. 70.

Allgemeines, Festschriften

Bonhoeffer, Dietrich: Gesammelte Schriften, hrsg. v. E. ßethge.
München: Kaiser. 4: Auslegungen — Predigten 1931 bis 1944.
1961 (21965). 647 S. 8°. Lw. DM 26,-. 5: Seminare - Vorlesungen
- Predigten 1924-1941. 1972. 608 S. 8° = i. Erg.
Bd. Lw. DM 44,—. 6: Tagebücher — Briefe — Dokumente
1923-1925. 1974. 669 S. 8° = 2. Erg. Bd. Lw. DM 48,-.
Immer wieder haben sich in den vergangenen Jahrzehnten
die Edition der Werke Bonhoeffers, die Bezeption der von ihm
ausgehenden Impulse und die Bonhoefferforschung gegenseitig
ergänzt und vorangetrieben. Man kann im Hinblick auf die
maßgeblichen Publikationen von drei Perioden sprechen, die
sich in diesem Prozeß unterscheiden lassen. Die erste beginnt
mit. der Herausgabe der Fragmente zur „Ethik" (1949) und besonders
von „Widerstand und Ergebung" (1951), findet ihren
charakteristischen Ausdruck in den beiden ersten Bänden der
Reihe „Die mündige Welt" (1955/56) und ihren Abschluß in
Hanfried Müllers Buch „Von der Kirche zur Welt" (abgeschlossen
1956, erschienen 1961; 21966), der ersten monographischen
Darstellung zu Bonhoeffers Lebenswerk. Sie ist gekennzeichnet
durch die Entdeckung eines bis dahin unbekannten „späten"
Bonhoeffer, dessen zukunftweisende Einsichten in einer Phase
kirchlicher Bestauration provozierende und inspirierende Wirkungen
haben mußten. Die zweite Periode wird durch die Veröffentlichung
der Bände I bis IV der „Gesammelten Schriften
" (1958—1961) eingeleitet, der die Neuord nung der „Ethik"
(1962) unmittelbar folgte. Repräsentative Forschungsergebnisse
wurden in dieser Periode in „Die mündige Welt", III. und IV.
Band (1960 und 1963) publiziert. Am Abschluß sieht die große
Biographie von Eberhard Bethge (1967; 31970). In ihr vollzog
sich eine für ein fundiertes Gesamtverständnis entscheidende
Verbreiterung der Basis allgemein zugänglichen Quellenmate-
nals; Entwicklungen und Beziehungen wurden deutlicher erkennbar
, in denen sich Lebensgang und -werk vollendet hatten,
und damit waren neue Impulse für interprelalorische Bemühungen
gegeben. — Zur dritten Periode sind alle jene Publikationen
zu rechnen, die die Gesammelten Schriften und die Biographie
E. Bethges voraussetzen. Damit waren ja nicht nur viele
bislang offene Fragen beantwortet, sondern auch neue Fragen
aurgebrochen. Die editoritchen Bemühungen dienten daher dein
Ziel, nun erst deutlich erkennbar gewordene Lücken zu schließen
und später aufgefundenes Material zugänglich zu machen. So
erschienen in „Die mündige Welt V" (1969) neue Dokumente
zur Bonhoeffer-Forschung; die neue Ausgabe von ..Widerstand
und Ergebung (1970) vervollständigte wesentlich das Bild der
Gefängniszeit; in den beiden Ergänzungsbänden V und VI zu
den Gesammelten Schriften (1972/74) schließlich wurden Zeug*
nisse mm Leiten und theologischen Wirken Bonhoeffers der
Gesamtausgabe eingereiht, auf deren Bedeutung die Biographie
bereits aufmerksam gemacht und von denen sie Proben dargeboten
hatte. Die Forschung wurde in dieser bisher letzten
Phase durch eine Fülle von Finzeluntersuchungen bereichert;
das Bedürfnis nach neuen theologischen Gesamtdeutungen sehlug
ich ii. a. in den Büchern von Bainer Mayer (1969) und Ernst
Eeil (1971) nieder.

Die hier (zur Fortsetzung der Sammelbesprechung ThLZ 86,
1961, 721—744) anzuzeigenden Bände gehören also zwei verschiedenen
Perioden der Bonhoefferedition an. Mit Band IV kam
der ursprüngliche Plan zum Abschluß; die Bände V und VI
durchlaufen noch einmal ergänzend die Sacbberetehc und Lebensstationen
, an denen sich die Gliederung der ersten vier
Bände orientiert hatte, setzen aber biographisch früher, schon
in der Studentenzeit, ein.

Band IV darf wohl als der inhaltlich geschlossenste in der
Beihe der ersten vier bezeichnet werden: Predigt, Predigtlehre
und Schriftauslegung bilden seinen Inhalt, und damit geht es
um ein und dieselbe Sache, denn: „Die Predigt als Bede ist
dadurch bestimmt, daß sie Auslegung eines biblischen Textes
ist" (S. 267). Predigten und Andachten aus dem Berliner Studentenpfarramt
(S. 17—153) und dem Londoner Auslandspfarramt
(S. 154—182) eröffnen den Band, dann folgen Entwürfe
, Predigten und Schriftauslegungen aus der Finkenwalder
Zeit (S. 183—465); Kernstück ist hier die aus Nachschriften rekonstruierte
Seminarvorlesung über Homiletik (S. 237—289).
Den letzten Teil bilden Schriftauslegungen aus den Kriegsjahren
und der Gefängniszeit mit dem Gedicht „Der Tod des
Mose" (Tegel, September 1944) als Abschluß (S. 466-620). -
Einige wenige der hier veröffentlichten Texte waren schon an
anderer Stelle gedruckt, so „Das Gebetbuch der Bibel" (1940)
als selbständige Broschüre und letzte eigene Publikation Bonhoeffers
(S. 544—569) und die Bibelarbeit „Der Wiederaufbau
Jerusalems nach Esra und Nehemia" (1936) in der „Jungen
Kirche", der eine kirchen- und theologiegeschichtlich aufschlußreiche
Erwiderung Friedrich Baumgärtels folgte; ein darauf
bezüglicher Briefwechsel ist in dem Band abgedruckt (S. 321
bis 343). Hier klingt, verflochten mit kirchenpolitischen Erwägungen
, das Problem einer biblischen, speziell der altlestament-
lichen Hermeneutik an (vgl. dazu: Martin Kuske, Das Alte
Testament als Buch von Christus, 1970), in dessen Licht der
ganze Band betrachtet zu werden verdient. Bonhoeffers Freimut,
das Alte Testament von Christus her zu lesen und die Worte
heider Testamente sehr unmittelbar auf die Situation zu beziehen
, entsprang keinem naiven oder dogmalischen Biblizis-
mus, sondern der Offenheit für geistliche Erfahrungen im Umgang
mit dem Schriftwort im vollen Wissen von der historischen
Bedingtheit seiner Uberlieferung und unseres Verstehens.

Band V bringt auf Grund der inzwischen veränderten
Quellen- und fnteressenlage umfangreiche Ergänzungen vor
allem zu den Stoff komplexen von Band III und IV, so daß
Bonhoeffer als theologischer Lehrer. Ausleger der Schrift und
Prediger nun noch plastischer erkennbar wird. Der Band wird
mit dein Abdruck einiger Seminararbeiten eröffnet, die Bonhoeffer
bei seinen Berliner Lehrern Adolf von Harnack, Karl
Holl und Adolf Deißmann angefertigt hat (S. 17—115). Das
Interesse für diese ersten theologischen Versuche war besonders
durch E. Bethges Hinweise in der Biographie geweckt
worden, und der Leser ist dankbar, die Ergebnisse von Bonhoeffers
Quellenstudien zum Neuen Testament und Urchristentum
und zu Luther im vollen authentischen Wortlaut kennenlernen
zu können. Der Herausgeber war hier zur Auswahl gezwungen
, und die Entscheidung mag nicht leicht gewesen sein.
Immerhin fragt man sich, warum nicht wenigstens eine der
Arbeiten hei Beinhold Seebeig, auf die E. Bethge in der Biographie
90 nachdrücklich hinweist und die in ihrer Thematik Motive
des späteren Lebenswerkes vorwegnehmen (etwa „Läßt sich eine
historische und pneumatische Auslegung der Schrift unterscheiden
, und wie stellt sich die Dogmatil dazu?", vgl. Biographie,
S. 109f, oder „Kirche und Eschatologie oder Kirche und Reich
(lottes", vgl. a.a.O., S. 117) dargeboten wird. — Die drei Ge-
meindevorträge aus der Vikarszeit in Barcelona (S. 116—180)
sind deshalb interessant, weil sie erste Zeugnisse für Bonhoeffers
Bemühen sind, aktuelle Fragestellungen allgemeinverständlich