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Ausgabe:

1979

Spalte:

77-78

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Mattmüller, Hans-Dieter

Titel/Untertitel:

Verkündigung im Rundfunk 1979

Rezensent:

Bassarak, Gerhard

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Seite 1

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77

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 1

78

Mattmüller, Hans-Dieter: Verkündigung im Rundfunk. Untersuchungen
zur Sendung „Die Morgenfeier". Stuttgart:
Calwer Verlag [1976]. 294 S. 8° = Calwer Theologische
Monographien. Reihe C: Praktische Theologie und Missionswissenschaft
, 2. Kart. DM 34,—.

Aus dem „Nachwort" (293) erfährt man, daß die erste
Fassung 1972 der Heidelberger Theologischen Fakultät als
Dissertation eingereicht und im Wintersemester 73/74 angenommen
wurde. Ohne Veränderung der Konzeption handelt
es sich bei der Veröffentlichung um eine durchgehend
überarbeitete und gekürzte Fassung. Die „Einführung" geht
davon aus, daß es bei fast fünfzigjähriger kirchlicher Rundfunkverkündigung
nur „eine mangelhafte (praktisch-)theologische
Aufarbeitung der entstandenen Probleme und eine
ungenügende Reflexion über die medialen Bedingungen und
Gegebenheiten des Rundfunks" gibt. (7) Diesen Mangel will
nun die vorliegende Arbeit abstellen.

Sie tut das so, daß sie in einem ersten Teil die Ansprache-
und Predigtgestaltung strukturell analysiert und zu dem
Zweck 268 evangelische Morgenfeiern und 31 Gottesdienstübertragungen
, zwischen 1965 und 1970 vom Südwestfunk
(Baden-Baden) gesendet, und 58 Morgenfeiern und eine
Gottesdienstübertragung, 1969/70 vom Bayerischen Rundfunk
gesendet, auswertet. Dabei werden „Kriterien einer
homiletischen wie medienpraktischen Typisierung" aufgenommen
. Im folgenden geht es dann darum, die Inhalte, in
einem zweiten Teil, „Tendenzen im Gesamtbild", im dritten,
„typische Strukturelemente" zu ermitteln. Ein Schlußabschnitt
skizziert mögliche Aspekte für die zukünftige Praxis.
In einem Anhang finden sich „Perspektiven evangelischer
Rundfunkverkündigung in den Jahren 1923 bis 1950". Der
Zeitraum wird in drei Phasen eingeteilt: 1. „Entstehung
und Gestaltung der evangelischen Morgenfeier in der Zeit
von 1923 bis 1933." Hier erfährt man, daß bereits kurz nach
der Aufnahme offizieller Rundfunksendungen in Deutschland
die Kirche Sendezeiten eingeräumt bekam. 2. „Verlauf
und Ende der Auseinandersetzungen zwischen Staat und
Kirchen um die evangelischen Morgenfeiern in der Zeit von
1933 bis 1939/1945." Versuche, auf den Inhalt der kirchlichen
Rundfunkverkündigung Einfluß zu nehmen, um sie mit in
die NS-Propaganda einzuschalten, gingen Hand in Hand mit
Intentionen der Verdrängung und führten kurz vor Kriegsbeginn
zum Ende kirchlicher Sendungen. „Doch wurden ...
grotesk makab(r)er ... kurz vor Kriegsende Gottesdienstübertragungen
in .gereinigter Form' wieder aufgenommen
-.. im Dienste der Durchhalteparolen ..." (237) — Über diese
beiden Phasen erführe man gern mehr und Ausführlicheres.
Die dritte Phase ist dann „die Zeit des Wiederbeginns nach
1945".

I. Strukturell werden drei Typen unterschieden: (1) Die
herkömmliche Predigtform, d. h. Textverlesung und monologische
Ansprache; (2) Die modifizierten Formen: (a) wie
(1) nach einer Einleitung, (b) ebenso nach einer Einführung,
(c) Ansprache ohne geschlossene Textverlesung. Uber all
das wird ausführlich Auskunft erteilt, d. h. nicht nur über
die Ergebnisse, sondern anhand von Daten, Aufstellungen
und Tabellen auch über den Weg ihrer Findung. Hinzukommen
zahlreiche Abdrucke der liturgischen Ordnungen
dieser Morgenfeiern. (3) gibt es schließlich noch „die funk-
orientierte Form". Sie bietet die folgenden Möglichkeiten:
1. die gegliederte Ansprache; 2. die Sprechfolge; 3. die
Featureform; 4. de(r)n Dialog mit dem Hörer." Man erfährt,
daß im Südwestfunk „11,56 °/o aller vorhandenen Manuskripte
" derart funkorientiert gesendet wurden. (60) Ein
Exkurs über „Perspektiven im Horizont der Praktischen
Theologie" meint, aus der „steigenden Hinwendung zu
funkorientierten Formen ein erneutes oder ein neu gewonnenes
praktisch-theologisches, speziell: homiletisches Problembewußtsein
" ablesen zu können unter begründeter
Berufung auf Bohren, Predigtlehre, 145 f.: „War bis vor kurzem
die Homiletik vor allem am Werden der Predigt interessiert
, wurde infolgedessen das Thema ,vom Text zur Predigt
' in ungezählten Variationen durchgespielt, ist neuerdings
die Wirkung der Predigt ins Zentrum des Interesses
gerückt, die Frage ,vom Prediger zum Hörer' wird Hauptthema
. Kybernetik, Informationstheorie bzw. Kommunikationswissenschaft
gewinnen eine unerwartete Faszination
." Hier müßte nun die den Rahmen einer Rezension
übersteigende Diskussion mit dem Vf. (und auch mit Bohren)
darüber einsetzen, ob Faszinationen und Trends schon ausreichende
theologische Argumente sind. Was geschieht,
wenn beim Hörer ein Prediger ankommt, der zwar weiß,
wie er es zu sagen hat, aber nicht mehr Auskunft darüber
zu geben in der Lage ist, was zu sagen wäre? — Der I. Teil
wird mit einem Exkurs „Zur Gottesdienstübertragung"
beendet. Hier sind auf knapp vier Seiten einige „allgemeine
Probleme" angeschnitten, zu denen Meinungen referiert
werden. Man erfährt, daß „nördlich der Mainlinie" ausnahmslos
Gottesdienste, „südlich" vorwiegend Morgenfeiern
ausgestrahlt werden. Diskutiert wird das Für und
Wider der Gottesdienstsendungen. Die entscheidende theologische
Frage, wie es mit der Gegenwart des heiligen Geistes
beim Einschalten des sogenannten „Massenkommunikationsmittels
" aussieht, wird nicht gestellt.

II. Die inhaltlichen Aussagen sollen ebenfalls „in erster
Linie an medialen Spezifika" orientiert werden. (112 f.) Da
bietet sich denn als erstes Aktualität an. In einem Exkurs
dazu werden Karl Barth, Bonhoeffers „Finkenwalder Homiletik
", Gollwitzer, Diem, Marxsen und Wintzer zitiert. Zu
fragen wäre, ob „Aktualität" nicht nur Stichwort ist, und
für das Medium einerseits und für die Predigt andererseits
(selbst im Medium) etwas sehr anderes bedeutet. Die zweite
„Tendenz" ist Interpretation. Läge es hier - auch im Sinne
des Bezuges auf das Medium - nicht näher, von Information
zu sprechen? Hieran mangelt es heute über Fragen christlichen
Glaubens doch selbst den gutwilligsten auch christlichen
Hörern. Doch vielleicht ist das gemeint? Dazu werden
wieder eine Reihe illustrer theologischer Zeugen bemüht
. Jeweils werden dann die Sendungen auf „Vorkommen
und exemplarische Beschreibung" hin abgefragt. Drittens
finden sich „allgemeine Darstellungsprinzipien", unterteilt
nach „Tendenzen zum Gespräch mit dem Hörer"
und „Tendenzen thematischer Orientierung". Da es noch
keine Rundfunk-Homiletik gibt, werden Predigtlehren wie
die von Bohren oder von Trillhaas als Kriterien herangezogen
.

III. Ein letzter Teil geht auf Strukturelemente in Morgenansprachen
ein, im Ansprachebeginn, in der Textwiedergabe
, in der musikalischen Unterbrechung.

Eine Homiletik für geistliche Rundfunkreden ist hier
nicht vorgelegt. Ob ein Redakteur für Kirchenfunk großen
Gewinn aus der Darstellung zieht, vermag ich nicht zu beurteilen
. Als Rundfunkprediger nimmt man das Buch mit
Interesse in die Hand, das jedoch von Kapitel zu Kapitel
leider sinkt. Es wird zuviel steinige und vielleicht gar dornige
Statistik und Struktur geboten und zu wenig Uber-
legung darüber, was denn nun mediengemäße Verkündigung
wirklich wäre, eine Verkündigung, die das Medium
als Vehikel benutzen und daher seine Gesetze kennen sollte
(von denen man auch kaum etwas erfährt), die aber nicht
das Medium zum Gesetzgeber weder für den Inhalt noch
für die Form werden läßt. Was man hier liest, ist so etwas
wie eine „Reportage" über Verkündigung im Rundfunk.
Eine notwendige Darlegung und Diskussion der mit solcher
Verkündigung verbundenen Probleme wäre erwünscht.

Berlin Gerhard Bassarak

Funke, Alex: Praxis pietatis im Leben des Pfarrers (DtPfrBl
78, 1978 S. 463-465).

Harsch, Helmut; Strub, Friedrich; Weil, Thomas: Alkoholismus
bei Pfarrern (DtPfrBl 78, 1978 S. 453-460).

Heintze, Gerhard: Verheißung und Probleme unseres Amtes
(DtPfrBl 78, 1978 S. 387-392).