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Ausgabe:

1979

Spalte:

75-76

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Altenähr, Albert

Titel/Untertitel:

Dietrich Bonhoeffer - Lehrer des Gebets 1979

Rezensent:

Kaltenborn, Carl-Jürgen

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Seite 1

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75

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 1

76

Courth, Franz: Das trinitarische Gottesbekenntnis als die
Wesensaussage des christlichen Glaubens (MThZ 29, 1978
S. 1-19).

Dembowski, Hermann: Menschliches Leiden und der dreieinige
Gott (WuA [M] 19, 1978 S. 1-8; 33-40).

Ganoczy, Alexandre: Gott der Lebendige und der Kommende
(WuA [M] 19, 1978 S. 9-15; 40-43).

Hennemann, Gerhard: Glaube und Gott (DtPfrBl 78, 1978
S. 468-470).

Junker, Theo: Le Symbole du Royaume de Dieu et les con-

victions socialistes de Tillich. L'esperance contre l'utopie

(RHPhR 58, 1978 S. 91-102).
Kasper, Walter: Die Lehre der Kirche vom Bösen (StZ 103,

1978 S. 507-522).
Moioli, Giovanni: Proposta per la Christologia (Teol. 2, 1977

(S. 53-71).

Scheffczyk, Leo: Exegese und Dogmatik zur virginitas post

partum (MThZ 28, 1977 S. 291-301).
Schüller, Bruno: Sittliche Forderung und Erkenntnis Gottes.

Überlegungen zu einer alten Kontroverse (Gr. 59, 1978

S. 5-37).

Serenthä, Luigi: Proposta per il trattado di Dio (Teol. 2, 1977
S. 72-90).

Praktische Theologie: Allgemeines

Altenähr, Albert: Dietrich Bonhoeffer — Lehrer des Gebets.

Grundlagen für eine Theologie des Gebets bei Dietrich
Bonhoeffer. Würzburg: Echter Verlag [1976]. 284 S. 8° =
Studien zur Theologie des geistlichen Lebens, VII. DM
29,-.

P. Albert Altenähr OSB gehört der Abtei Gerleve, Coesfeld
(BRD) an. Das vorliegende Buch ist die gekürzte Fassung
einer Dissertation, die im Frühjahr 1973 von der Acca-
demia Alfonsiana (Rom) angenommen wurde. In fünf Kapiteln
: I. Bonhoeffer als Beter; II. Die Grundlage des Betens:
Gott; III. Der betende Mensch vor Gott; IV. Der Beter in der
Welt; V. Bibel und Zucht als Führer in die Gebetsübung;
versucht A., Bonhoeffer „nicht so sehr als reflektierenden
Denker über das Gebet, sondern als zum Gebet hinführenden
Lehrer" darzustellen (239).

Nach A. sieht Bonhoeffer „in der Bitte das Wesen des
christlichen Gebetes in besonderer Weise verwirklicht", da
die christliche Gottesbeziehung ein Vater-Kind-Verhältnis
ist (96). Doch muß diese Betonung des Bittgebetes nach A.
vor dem Hintergrund der Ablehnung des „Lückenbüßer-
Gottes" gesehen werden, wobei deutlich wird, daß das wahre
Bittgebet das Erbetene Gottes Urteil unterstellt, während
der Mensch sonst in seinen Wünschen Ansprüche gegenüber
Gott anmeldet. Auch das gemeinschaftliche Gebet dürfte
nicht von der individualistischen Frage nach dem persönlichen
Nutzen bestimmt sein, das „Privat-Gebet" wiederum
„nie losgelöst vom Gut der Gemeinde betrachtet werden"
(128 f.) Gebet wird verstanden nicht als Gott zwingende
Methode, sondern als „von Gott frei geschenkte Teilhabe
am Heraufführen des Reiches und eine Eingliederung in das
Reich" (130). „Eine Theologie des Gebetes im Sinne Bon-
hoeffers schöpft ihre Kraft aus der Zukunft... Der Mensch
betet im Gebet letztlich immer um Gott selbst: Gott wird
,radikal' erwartet. Der Beter weiß, wenn unter seinen Händen
etwas dem göttlichen Willen Entsprechendes entstehen
soll, muß letzten Endes Gott selbst handeln" (169).

„Gebet ist die Disziplin, die das Arkanum schützt und es
als Arkanum anerkennt; denn das hörende Schweigen vor
dem Wort ist Gebet." (176) „Beten und Tun interpretieren,
korrigieren und schützen sich gegenseitig. Das Gebet ist
gegenüber der Tat ein Letztes, weil es sich ausdrücklich an
Gott wendet..., Gott die Tat überantwortet." (219) „Die Tat
ist, sofern sie als ein dem Gebet Vorletztes verstanden wird,

für dieses ein Schutz. Das Gebet wird durch die Tat davor
bewahrt, sich eigenmächtig über seine Eingebundenheit in
die Welt hinwegzusetzen und in die Heuchelei selbstgenügsamer
Innerlichkeit zu verfallen." (ebd.)

Der Mensch „versteht seine Tat nicht als in sich stehendes
Tun neben dem oder gegen das Gebet, sondern sieht sie als
Element einer dynamischen Bewegung der geistlichen Wegbereitung
für den kommenden Herrn. Die Gestalt dieser
Wegbereitung ist Widerstand und Ergebung." (220)

Ausgehend von Bonhoefferschen Gedanken versucht A.
den wahren Kern des Satzes „Not lehrt beten" freizulegen.
Er sieht ihn darin, daß das Handeln des Menschen nicht das
Letzte ist, „an das er sich klammern kann und muß, um vor
Gott zu bestehen". Das rechte Gebet ist A. „Einübung in das
Leiden, da sich der Mensch betend ganz in den Willen Gottes
einfügt" (226). Als wichtiger Gedanke für die heutige
Gebetsdiskussion erscheint A. das Verständnis des Gebetes
„als einer Station auf dem Wege zur Freiheit": „Der Beter
läßt Gott frei und wird in diesem Akt des Freilassens selbst
ein Freigelassener". Bonhoeffers Terminologie aufgreifend
formuliert A.: „Beten besteht darin, daß man sich auf das
Letzte zubewegt." (227)

A. macht darauf aufmerksam, daß „Bonhoeffer die Fürbitte
nicht eigentlich im Rahmen der Weltthematik betrachtet
, sondern im Rahmen der Theologie der Gemeinde" (228).
Dabei ist A. wesentlicher als die Frage, „ob ich den anderen
durch die Fürbitte in meinen Kreis — die Gemeinde — hineinziehe
", die Tatsache, „daß das Ich in der Fürbitte den
Kreis des Individualismus durchbricht und sich nach außen
wendet" (229). Das wesentliche Geschehen der Fürbitte ist
so nicht „das einfühlsame Mitgefühl", sondern „die Tatsache
, daß der eine dem anderen ein Christus wird" (232).

Gegen das Argument, man könne Beten nicht lernen, beruft
sich A. auf Bonhoeffer, der es abgelehnt hätte, „Religion
als Stimmungssache" zu bezeichnen. Sie sei vielmehr
Arbeit. (240) Die unreflektierte Einführung des Begriffes der
„Religion" an dieser Stelle wie die merkwürdig blassen
Ausführungen A.s zur „nicht-religiösen Interpretation" (82
bis 89 als „Anhang"! zu Kapitel II) zeigen als Schwäche des
Buches, daß sich der Vf. den drängenden neuen Fragen des
Bonhoeffers der Haft-Briefe nicht ernsthaft gestellt hat.
Hierzu bemerkt er lediglich: „Christlich-sein heißt nicht,
sich in das Traumland der Kinderzeit zurückziehen, in dem
ein anderer unsere Probleme löst." (87) Gegenüber dem anderen
Argument gegen die Lernbarkeit des Gebetes, daß
nämlich der actus directus und die Einfalt ein Geschenk
Gottes wären, das eigentliche Gebet demnach dem Menschen
entzogen sei, reagiert A. denn auch recht hilflos, indem er
einerseits anerkennt, „daß das Gebet nur gelernt werden
kann, insofern es menschliches Tun, ,Übung' ist", andererseits
aber von der Forderung dieser „Übung" als „Tat der
Dankbarkeit für die Gabe Gottes" spricht (240).

Die entscheidende Antwort auf die Frage, wie beten gelernt
werden kann, meint er in der These Bonhoeffers
gefunden zu haben: „indem du betend die Schrift liest und
die Schrift lesend betest". (242) In diesem Zusammenhang
arbeitet A. einen ihm sehr wichtigen Gedanken Bonhoeffers
heraus, den nämlich, daß im „Gegen-uns-Lesen" der Bibel
„die Gegenwart Jesu Christi ihren ganz persönlichen Sinn
für den Mensch" bekäme (258). Von hieraus gelangt der Vf.
unter Berufung auf Bonhoeffer zur Bejahung einer Gebetsdisziplin
, die allerdings nicht zum Gesetz werden dürfte.
(262) Hier wäre zu fragen, ob dieses „Gegen-uns-Lesen"
überhaupt von des Menschen Seite aus machbar ist, ob nicht
dort, wo dies empfohlen wird, die Existenz des peccator in
re, iustus in spe verkannt ist.

Berlin Carl-Jürgen Kaltenborn