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Ausgabe:

1979

Spalte:

72-74

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Das christliche Dogma 1979

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 1

72

Derksen, Karl: Universitätsfreie Theologie in den Niederlanden
(S. 277-281)

Rousseau, Andre; Leconte, Jean Pierre: Soziale Voraussetzungen
theologischer Arbeit (S. 282—287)

Schüssler Fiorenza, Elisabeth: Für eine befreite und befreiende
Theologie: Frauen in der Theologie und feministische
Theologie in den USA (S. 287-294)

Bussini, Frangois: Neue Orte des Theologietreibens und
Neuumreißung der Katholizität der Kirche (S. 294—301)

Ahlheim, Klaus: „Eine Frage des Lebens und der Würde
des Menschen." Die Veränderung von Theologie in sozialen
Konflikten (S. 301-306)

Pohier, Jacques: Die Auswirkungen einer zwanzigjährigen
Vertrautheit mit der Psychoanalyse auf meine
theologische Praxis (S. 307—312)

Iersel, Bas van: Der Exeget und die Linguistik (S. 313 bis
318)

Bardaji, Alfredo Fierro: Das Bewußtsein des Wandels
und die Infragestellung der Theologie (S. 319-323)

Peters, Tiemo Rainer: Theologie am Ort politischer Gefangenschaft
. Das Beispiel Dietrich Bonhoeffer (S. 324
bis 327)

Tabuchi, Fumio: Der Theologe im Gefängnis: Kim Chi Ha
(S. 327-331)

Dwyer, William: Der Theologe in Ashram (S. 331-337)

Jossua, Jean-Pierre: Neue Ortung und Zukunft der Theologie
(S. 338-344).
Nossol, Alfons: Entwicklungstendenzen der systematischen

Theologie in Polen (ThGl 67, 1977 S. 406-414).
Pfeiffer, Helmut: Der Tod und die Hoffnung (TThZ 86, 1977

S. 262-278).

Schwager, Raymund: Wassertaufe, ein Gebet um die Geisttaufe
? (ZKTh 100, 1978 S. 36-61).

Wenisch, Bernhard: Zur Theologie Karl Rahners (MThZ 28,
1977 S. 383-397).

Systematische Theologie: Dogmatik

Hemmer, Klaus: Entscheidung und Verhängnis. Die moraltheologische
Lehre von der Sünde im Licht christolo-
gischer Anthropologie. Paderborn: Verlag Bonifacius-
Druckerei [1976]. 245 S. gr. 8° = Konfessionskundliche und
kontroverstheologische Studien, XXXVIII. Lw. DM 28,50.

Der Vf. will mit der vorliegenden Studie eine Brücke von
der Lehre von der Sünde zur Moraltheologie schlagen und
gleichzeitig einen Beitrag zum ökumenischen Gespräch und
zur aktiven Begegnung mit humanwissenschaftlichen Ergebnissen
leisten. Methodisch setzt Demmer bei den anthropologischen
Implikationen des Glaubensvollzuges ein, da
„die Entscheidung für das in Christus ergehende Heil eine,
zumindest inchoativ übernommene, Anthropologie" beinhalte
(12 f.).

Sünde wird als falsches Bewußtsein bzw. als Zerstörung
der die Geschichte des Menschen eröffnenden Freiheit interpretiert
. Jede sündhafte Entscheidung wirke zersetzend
im Hinblick auf die Glaubensentscheidung und ihre Konsequenzen
. Daher sei die moralische Entscheidung heilsgeschichtlich
niemals neutral. Die Frage des moralischen Kompromisses
gewinne unter diesem Aspekt eine hervorragende
Bedeutung. Das protestantische iustus in spe, peccator in re
wird von Demmer abgelehnt, weil es die Wirklichkeit erhoffter
Rechtfertigung ins Eschatologische verweise. Der
Glaubende verbleibe passiv in seiner „ontologischen Sündhaftigkeit
" (156) und verleihe ihr kontinuierlich Ausdruck
in sündigen Akten. Die katholische Theologie hingegen betone
, daß „die ontologische Verfaßtheit des Menschen in der
gnadenhaften Zuwendung Gottes zu ihm aufgehoben" sei
(157).

Wenn der Mensch auch ständig hinter der radikalen Forderung
der Bergpredigt zurückbleibe, müsse doch daran

festgehalten werden, daß er keinesfalls mit jeder moralischen
Entscheidung von vornherein sündige. Zwar bleibe
der Kompromißcharakter seines Tuns auf Grund des allgemeinen
Schuldverhaftetseins bestehen, doch sei dies „noch
keineswegs gleichbedeutend mit Schuldübernahme im Sinne
aktiver Tatschuld" (157 f.). Das Gezeichnetsein des Menschen
durch die Konkupiszenz dürfe nicht als Ausweglosigkeit
gedeutet werden. In der bereits geschehenen Versöhnung
in Jesus Christus sei die Situation des Glaubenden
ontologisch verändert und damit die Wirklichkeit sittlicher
Entscheidungen positiv beeinflußt. Trotz der noch bestehenden
Spannung zu der künftigen eschatologischen Vollendung
seien die Erkenntnis- und Entscheidungsstrukturen
bereits modifizierbar.

Letztendlich geht es dem Vf. um die Behauptung der Einheit
von Glaubensbewußtsein und Selbstbewußtsein und
um die Versöhnung von Geschichtlichkeit und Absolutheit
in der Person Jesu Christi. Schwere Sünde erscheint in
Demmers Konzeption als Zersetzung von Lebensentscheidung
, die sich als Abkehr von Gott in der Geschichte auswirkt
. Er wendet sich gegen eine kategoriale Trennung von
schwerer Sünde und Todsünde, weil es keine Entscheidung
gegen Gott gibt, die nicht auch immer Entscheidung gegen
den Menschen wäre.

Im letzten Teil des Buches geht es dem Vf. um Fragen der
Buße und der Umkehr, wie sie sich in den Dimensionen der
Kirche ereignen. Es ist bemerkenswert, daß Demmer sagen
kann: „Im Umkreis neutestamentlicher Sittlichkeit besitzt
ein verselbständigter Aszetismus kein Heimatrecht. An der
Wurzel der Umkehr steht vielmehr empfangene Berufung
und nicht gewählte Anstrengung" (211). Andererseits erfährt
die katholische Bußpraxis eine erstaunliche Akzentuierung
, wenn beispielsweise „Bußleistung "als „organi-
sche(r) Verbindung von Selbstverantwortung und kirchlicher
Heilsverantwortung" (218) angesprochen und das
Bußgeschehen als „Leidens- und Läuterungsprozeß" bezeichnet
(ebd.) und gefordert wird, daß die aus dem Bußgeschehen
entstehende neue Bewußtseinslage durch die
„Bußauflage" lebendig zu halten sei (ebd.).

Demmer faßt sein Anliegen unter der Frage zusammen:
„Wie kann Sünde im Horizont einer christologischen Anthropologie
verstanden und bewältigt werden" (239). Jede
theologische Denkarbeit müsse von der in Christus erfahrbaren
Wirklichkeit ausgehen. Angesichts einer erheblichen
Vielfalt von Humanismen müsse sich der christliche Glaube
auf seinen genuinen Beitrag zum menschlichen Selbstverständnis
besinnen und von daher aus der Glaubenseinsicht
heraus einen eigenständigen Beitrag leisten. In Demmers
Sicht bedeutet dies eine „notwendige Vermittlung zu naturrechtlicher
Argumentation" hin (240).

Hier wird allerdings eine Gesprächsebene avisiert, wie
sie u. E. aus einem nicht haltbaren Natur- und Geschichtsverständnis
, das offensichtlich nur die Alternative Naturrecht
oder neutestamentlicher Radikalismus kennt, resultiert
. Ob es auf diese Weise möglich sein wird, „die ,christo-
logische Engführung' K.Barths in katholisches Denken hinein
zu integrieren" (240), scheint eine noch nicht definitiv
beantwortete Frage zu sein. Wir möchten indessen dem Vf.
zustimmen, wenn er abschließend eine differenzierende
theologische Aufarbeitung der ethischen Problematik unter
Reflexion der Wirklichkeit menschlicher Sünde als möglich
und notwendig hinstellt.

Potsdam-Babelsberg Ilse Bertlnettl

Schlatter, Adolf: Die Geschichte des Christus. Mit einem

Vorwort von H. Stroh und P. Stuhlmacher. IX, 544 S.
—: Die Theologie der Apostel. Mit einem Vorwort von

H. Stroh und P. Stuhlmacher. VII, 576 S.
—: Das christliche Dogma. Mit einem Vorwort von W. Joest.

IV, 624 S. Kassette 8°. 3. Aufl. Stuttgart: Calwer Verlag

[1977]. Lw. DM 64,-.