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Ausgabe:

1979

Spalte:

69-70

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Track, Joachim

Titel/Untertitel:

Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen Reden von Gott 1979

Rezensent:

Gerber, Uwe

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Seite 1

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6!)

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 1

70

Confessionis" bleibt ähnlich zwiespältig wie dasjenige zum
ersten Bande. Die Hermann Sasse unreflektiert noch vor
Augen stehende Idealgestalt eines lutherischen Christentums
, das fest in seiner bäuerlich-bürgerlichen Grundlage
verwurzelt ist und die gesamte Lebensgemeinschaft durchdringt
, wie jene sich im frühen 19. Jh. in den Erweckungen
noch einmal ausprägte, als die Lebenskräfte der deutschen
wie amerikanischen Landschaften frei wurden, diese Gestalt
ist und bleibt vergangen. Eine Erneuerung biblisch-
reformatorischen Christentums muß sich der wissenschaftlich
-technischen Weltrevolution mit ihren Aporien stellen.
Dankbar wird man den reichen Schatz historischen Wissens,
welcher hier vor allem im Blick auf die alte Kirche und ihre
Liturgie, auf die Reformation wie auf die Erweckungen des
vorigen Jahrhunderts ausgestreut ist, auszuschöpfen suchen.
Die denkerische Durcharbeit der angeschnittenen Probleme
wie gerade auch der Aussagen der lutherischen Bekenntnisse
erfordert einen längeren Atem und ein behutsameres
Zuhören. Ähnlich wie bereits beim ersten Band sind hier
neben den Ausführungen zur Theologia crucis die Konstitutionen
des Zweiten Vatikanums am sorgfältigsten analysiert
. Der Bußruf, zum Christuszentrum zurückzukehren,
wie es jenes vierfache Solus der Reformation entfaltet hat,
sollte trotz seines schrillen Klanges nicht abgewiesen werden
: „Sola Fide, Sola Gratia, Sola Scriptura, Solus Christus!
Durch Glauben allein, aus Gnaden allein, die Schrift allein,
Christus allein!" (314).
Heidelberg Albrecht Peters

Track, Joachim: Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen
Reden von Gott. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1977]. 337 S. gr. 8° = Forschungen zur systematischen
und ökumenischen Theologie, 37. Kart. DM 58,—.

In dieser Erlanger Habilitationsschrift wird in Form
eines modifizierten (von Lorenzen und Kamiah explizierten
) Konstruktivismus von der Sprache als nicht mehr hintergehbarer
Vermittlungsbasis unserer Wirklichkeitserkenntnis
und unseres gemeinsamen Handelns ausgegangen.
Aus der Beschäftigung mit der analytischen Philosophie
in ihrer formal- und umgangssprachlichen Richtung (18 ff.)
werden die beiden Dialogphasen mit der Theologie nachgezeichnet
(109 ff.):

1. Forderung nach Exaktheit;

2. Möglichkeit theologischer/metaphysischer Aussagen.

Vf. bringt diese beiden Anliegen in seinen „modifizierten
Nominalismus" ein (126 ff.), um dann die Klassifizierung
(nicht: den Wahrheits-Nachweis) des christlichen Redens
von Gott vorzunehmen (175 ff.).

Betrachtet man das Reden von Gott unter dem Aspekt
der Deskription eines Empirischen, dann handelt es sich um
pseudo-deskriptive Redeweise. Deswegen zählen andere
das Reden von Gott zur emotiv bedingten, zur performa-
tiven oder zur valuativen oder schließlich zur ideativen
Redeweise. (Dabei werden die objektsprachliche und meta-
sprachliche Ebene unterschieden.) Nimmt man Gott als
Eigennamen für die alles bestimmende Wirklichkeit, dann
hat man zwar auf die unmittelbare religiöse Erfahrung als
Rede-Ort hingewiesen; aber was schützt assertorisches Reden
vor Verwechslung mit Illusionen? Hält man Gott für
einen synkategorematischen, nämlich einzig kontextual erschließbaren
Ausdruck, dann kann Gott zwar als für Jedermann
verständliches Wort gelten, aber mit der Konsequenz,
daß die Bedeutung Gottes in der Sprache gleichsam allgemeinverständlich
wird, in ihr aufgeht und ihr „mehr" verliert
(219 ff.). Der Hinweis auf Glaubensgemeinschaft und
Bibelzeugnis enthebt weder der Forderung eines einsichtigen
Kriteriums noch des Abhebens auf religiöse Erfahrung
— oder führt er mangels Verständlichkeit, Nachprüfbarkeit
und Möglichkeiten der Rechtfertigung zum Verzicht
auf das Reden von Gott als Eigenname?

Dieser Aporie ist mit dem Hinweis zu begegnen, daß es
im Reden von Gott um bestimmte (christliche) Daseins- und
Handlungsorientierung, um „Glauben an Gott" geht (249 ff.).
Dieser läßt sich näher bestimmen, etwa als „Bereitschaft zu
einem Leben nach der Grundnorm der Transsubjektivität",
als „Einsicht, daß nur ein Leben in der Gelöstheit ein wahrhaft
glückliches Leben ist" usw. (278 ff.). Entsprechend kann
Gott über religiöse Erfahrung als Nominator eingeführt
werden (280 ff.). Dies freilich gilt nur, wenn man die Argumentationsfiguren
der religiösen Wirklichkeitsdeutung (Tillich
, Pannenberg, Ebeling) aufgibt und von der Selbstoffenbarung
Gottes ausgeht (310). Doch können wir (unter dem
eschatologischen Vorbehalt) von Gott nur metaphorisch
reden, aber dieses Reden bezeugt aus der konkreten Erfahrung
Gottes heraus Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit
. Ergebnis: „Unsere Analyse hat ergeben, daß das
Wort Gott als Eigenname nur über religiöse Erfahrungen
verstehbar eingeführt werden kann. Religiöse Erfahrungen
aber können nur dann Anspruch auf intersubjektive Ver-
stehbarkeit erheben, wenn die Äußerungen, die mit ihnen
verbunden sind, in einer Lehr- und Lernsituation eingeübt
sind. Man lernt das Wort Gott in einem Sprachspiel, in einer
Situation, die durch bestimmtes sprachliches und nichtsprachliches
Verhalten gekennzeichnet ist." (316).

Daraus ergeben sich drei Aufgaben: 1. die „Analyse und
Entfaltung der christlichen Daseins- und Handlungsorientierung
in bezug zur eigenen Lebenspraxis"; 2. die Entfaltung
des kerygmatischen Erzählens der Geschichte Gottes
mit uns; und 3. die Herstellung des Dialoges und der gemeinsamen
Praxis (317 ff.).

Seit Luther und der Aufklärungsepoche hat sich die
Theologie der klassischen Metaphysik zu entwinden versucht
; „der Prozeß ist nicht abgeschlossen, sein Höhepunkt
aber überschritten. Gerade darum müssen wir Antwort
geben können, was in einem neuen Wirklichkeitsverständnis
von dem christlichen Gott zu sagen ist (328).

Wir fragen mit dem Vf., ob „der lange sprachkritische
Anlauf nötig" war, zumal bereits (auch im Buch zitierte)
gute Übersichtsliteratur und etwa in Mieskeys Untersuchungen
zur Axiom-Syntax präzise Beiträge vorliegen? Andererseits
wird in wohltuender, engagierter Weise die problemgeladene
Landschaft des sprachkritischen Umgangs
mit dem Reden von Gott durchschritten — für viele noch
ein Neuland, das um der Kommunikation gerade mit einer
breiten philosophischen, wissenschaftstheoretischen und
angelsächsischen theologischen Tradition willen noch weiter
bearbeitet werden muß.

Stadt Rehburg Uwe Gerber

Aymanns, Winfried: Apostolische Autorität im Volke Gottes
(TThZ 86, 1977 S. 279-295).

Chapelle, Alb.: L'Eglise et son ministere. Pensee Hegelienne
et problematique contemporaine (NRTh 99, 1977 S. 801 bis
811).

Chapey, Fernand: L'impact de Schelling sur la formation
de la pensee de Paul Tillich (RHPhR 58, 1978 S. 5-18).

Courth, Franz: Wie wird Geschichte zur Heilsgeschichte?
Zum Gespräch mit E. Schillebeeckx (ThGl 67, 1977 S. 381
bis 392.

Couto, Filipe J.: Katholische Theologie. Zu Karl Rahners
Grundkurs des Glaubens (ThGl 67, 1977 S. 422-431).

Gounelle, Andre: Tillich et Bultmann (RHPhR 58, 1978 S. 55
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Hintzen, Georg: Sakramentale und personale Zeichenwirkung
. Neue Deutungsversuche der eucharistischen Wandlung
(BiKi 32, 1977 S. 112-119).

Lies, Lothar: Eulogia — Überlegungen zur formalen Sinngestalt
der Eucharistie. — Anhang: Rezensionen (ZKTh
100, 1978 S. 69-121).

Neue Orte des Theologietreibens (Themenheft Concilium
14, 1978 Heft 5)