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Ausgabe:

1979

Spalte:

911-912

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Weijenborg, Reinoud

Titel/Untertitel:

Les lettres d'Ignace d'Antioche 1979

Rezensent:

Berthold, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 12

912

in Umlauf kamen und den Werken der beiden Brüder zugesehlagen
wurden.

Zwei mustergültige kritische Ausgaben unserer Zeit haben die
oben zuletzt genannten Mignedrucke1 abgelöst. Die Editoren des
hier angezeigten SC-Bandes halten Basilius für den Autor dieser
Homilien (nicht nur für den Bxzerptor der zugrundeliegenden
Notizen), die Editoren des Supplementbandes zur Leidener Gregorausgabe
einen Späteren, der Kollektaneen aus dem Nachlaß
des Basilius zusammenflickte2. Es handelt sich um trennbare
editorische Aufgaben, die sich - jeweils unter anderen Vorzeichen
und auch editionstechnisch verschieden angelegt3 - gegenseitig
ergänzen und erläutern, auf jeden Fall aber mit Gewinn nebeneinander
gesehen und genutzt werden müssen. Der SC-Band, in bekannter
und bewährter Griffigkeit und Zuverlässigkeit, empfiehlt
sich zusätzlich durch eine Introduction (11-165), die - nach knapper
Orientierung über die Textgrundlage - im Zusammenhang mit
der Autorfrage die Zeithintergründe zeigt und Motivationen erwägt
. Daß der zur Obersetzungsseite stehende Kommentarteil den
Schwerpunkt auf die Querverbindung innorhalb der Väterliteratur
legt, entspricht den Möglichkeiten der Ausgabe.4 Abgeschlossen
durch einen lückenlosen Wortindex, Bibelstellen- und Namenregister
bietet der Band eine solide Grundlage für die Aufarbeitung
der so wichtigen Frage nach dem Menschenbild der „Kappadozier
".

Halle (Saale) Heinz Berthold

1 Clavis Patrum Graecorum II, 1974, Nr. 3215.3216.

1 Gregorii Nysaeni Opera. Supplementum: Auctorum Incertorum (vulgo
Basilii vel Gregorii Nysseni) Sermonea De creatione hominis. Sermo De Paradiso.
Edidit Hadwiga Hörner, Leiden 1972; natürlich auch als Anhang einer Basiliusausgabe
denkbar.

* Was hier nicht im einzelnen dargelegt werden soll. Ebenso verschließt sich
die komplizierte Diskussion der Hss.grundlage einer Kurzdarstcllung.

* In diesem Punkt wird man die ,,Gregor"-Ausgabe (die auch beim Textvergleich
zu denken gibt) mit Gewinn heranziehen, die, fülliger mit Parallelmaterial
angereichert, auch die Sekundärliteratur einbezieht.

Weijenborg, Reinoud, O.F.M.: Les Iettres d'Ignace d'Antioche.

Etüde de critique litteraire et de theologie. Mis en francais par
B. Heroux, O.F.M. Leiden: Brill [1969]. 474 S. gr. 8°. hfl. 56,-.

Wie ein erratischer Block liegen sie zwischen „Apostel"- und
„Kirchen"-Zeit, die Briefe des zweiten Petrusnachfolgers im syrischen
Antiochien, Ignatius, an deren Rätselpforte schon so lange1
geklopft wird - ohne den immer wieder erhofften Erfolg, daß sie
sich auftut und den Blick auf endgültige Lösungen freigibt. Gespannte
Erwartungshaltung ist ja auch wohl der Grund, daß jede
Bemühung auf diesem Feld sinnvoll, Erprobung aller Zugangswege
nahezu Pflicht ist. Die Voraussetzung der Echtheit eines aussagekräftigen
Kerns der im 4. Jh. umgearbeiteten und erweiterten
Sammlungsmasse ergibt sich aus den unanfechtbaren Erwähnungen
und Zitierungen des (nach Euseb) „bei den meisten noch heute
weit bekannten" Mannes seit Polykarp, Irenäus, Origenes und
Euseb.2 Die Dringlichkeit, sichere Aussagen über Entwicklung
christlicher Gemeinden und ihrer Probleme in einer Zeit der Gärung
und der Klärung, der es gleichwohl an direkten Zeugnissen
fehlt, gibt den literarhistorischen Fragen - an denen die altchristliche
Kirchengeschichte gewiß nicht arm ist - ungewohnte Brisanz.

Die Grundthese der vorliegenden Studie: „keine der uns vorliegenden
Redaktionen3 ist vor 360 entstanden; auf der als Vorlage
zu erweisenden Langfassung der 13 Briefe fußen die beiden anderen
", hat sich - das kann aus dem relativ großen Abstand dieser
Anzeige gesagt werden - nicht durchgesetzt.4 Aber nicht Ablehnung
und Zurückhaltung gegenüber W.s These sollen im Mittelpunkt
stehen, sondern ihr unbestreitbarer Wert für ein an Einzelinterpretationen
gebundenes Problembewußtsein. Die zwei kurzen
Kapitel des ersten Teils (15^2) entfalten die These von der Priorität
der Langfassung und ihrer Tendenz, bieten die Forschungsgeschichte
unter dem Aspekt der Umkehrbarkeit der bisher stichhaltigen
Argumente, spez. ausgewiesen am Eusebzeugnis. Ansatzpunkte
der Interpretation sind gleichermaßen die Analyse des
Zitationsgeflechts der äußeren Bezeugungen von Polykarp bis
Euseb und die vergleichende Betrachtung der Redaktions- und

Kompilationsarbeiten des zweiten und des vierten Jh.' Fi >r-
schungsgeschichte und Motivierung des Neuansatzes sind aufeinander
bezo^an, die Gedankenentwicklung verläuft klar und zielstrebig
.

Die Beweislast trägt der weit umfangreichere zweite Teil (43 bis
391), die Zusammenfassung des Resultats folgt (393-411); ein
lexikographischer (422^427) und ein analytischer (428-465) Index,
sowie Zitatenindices (466-474) schließen sich an. Dem ignatiani-
schen Epheserbrief Zeile um Zeile folgend, die Argumente für und
wider wägend, hat der Leser hier die Möglichkeit, zu prüfen, ob
- schon für diesen einen Brief - der Text diese Last tragen kann.
Die in direkter Gegenüberstellung gebotenen Texteinheiten können
aber m. E. den Prioritätsnachweis nicht erbringen (die Nachweise
der Tendenz von L sind davon unberührt, auch weniger bestritten
); es ist einfach zu viel umkehrbar, d. h. nicht eindeutig
eines aus dem anderen ableitbar. Einzelne Passagen weiten sich zu
Exkursen aus - Rez. hat das als sehr nützliche Denkhilfe empfunden
-, um nur Beispiele zu nennen: die „schweigenden Bischöfe"
(6,1), die „drei Geheimnisse" (19.1). das ..Heilmittel zur Unsterblichkeit
" (20,2). Trotz allem bereits Erreichten werden Sprache
und Stil auf noch breiterer Basis zu untersuchen sein.

In der Kp-oche zu verharren, wird bei dieser Fülle Schwei- deul
barer Bilder und Formulierungen, die auf ein nur in Umrissen
kenntliches Gegenüber bezogen sind, m. E. angemessen sein. Würde
man nicht auf jeder Seite das ausgedehnte Wissen und Können
des Vf. zu bewundern haben - könnte man an den „Reiter über
den Bodensee" erinnern; auf jeden Fall aber gilt die Pflicht, es
Neuansätzen auf diesem Gebiet nicht schwerer zu machen als
nötig.

Halle (Saale) Heinz Berthold

1 Seitdem Konfrontationen unterschiedlicher Fassungen möglich sind (17. Jh.).
* Euseb, Kirchengeschichte 3,22 und 3,36.2-15.

3 Langfassung, Kurzfassung und Mittlere Fassung; letztere als die allgemein
als authentisch anerkannte und genutzte: die sieben auf der Reise zum Martyrium
nach Rom geschriebenen Briefe; von Smyrna aus nach Ephesus, Magnesia,
Tralles und Rom und von der Troas aus nach Philadelphia, Smyrna und an
Polykarp.

4 Die Argumente der bereits bekannten ablehnenden und skeptischen Stimmen
müssen hier nicht im einzelnen diskutiert werden; gerade weil Rez. bei der
opinio communis kritisch verharrt, darf der Ton auf dem positiven Ertrag liegen.

6 Ein „Aufsatzpaar" stehe für viele: J. W. Hannah, The Setting of the
Ignatian Long Recension und M. P. Brown, Notes on the language and the style
of Pseudo-Ignatius in: JBL 7», 1960, 221-238 und 83, 1964, 146-152.

Wehr, Gerhard: Aurelius Augustinus. Größe und Tragik des umstrittenen
Kirchenvaters. Gütersloh: Gütersloher V'erlagshaus
Gerd Mohn [1979]. 102 S. m. 25 Abb. 8° = GTB Siebenstern
460 Kart. DM 8,80.

Das Buch wendet sich an breitere Leserkreise. Es schildert die
Umwelt Augustins, läßt aber auch den Kirchenvater selbst aus
führlich zu Wort kommen. Die lateinischen Quellen werden nicht
genannt. Wehr beruft sich auf Übersetzungen oder zitiert auch
nach Sekundärliteratur. Die Auswahl ist geschickt ; Namen wie
Heiler, Campenhausen, Löwenich, Jaspers. Altaner, Lorenz u. a.
werden als Gewährsleute in Anspruch genommen. Theologiestudenten
können durch diesen Hand durchaus einen Einstieg in das
Augustinstudium gewinnen.

G. H.

Systematische Theologie: Allgemeines

Bertinetti, Ilse: Paul Tillich und die Krise der Theologie. Berlin:
Union Verlag [1977]. 204 S. 8°. Kart. M 13,80.

Am Beispiel T.s will Vfn. auf die Gefahren hinweisen, die der
Theologie durch eine Verflechtung mit der bürgerlichen Ideologie
drohen. Sie geht dabei auch von dem Einfluß aus. den ihrer Meinung
nach T. auf die jüngere Theologengenerat ion in der DDR ausüben
soll (25).

Daß Vfn. T.s Entwurf ablehnt erfährt der Leser rasch und in