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Ausgabe:

1979

Spalte:

910-911

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Basilius Caesariensis, Sur l'origine de l'homme 1979

Rezensent:

Berthold, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 12

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schließt sich hier an K. Rahner an: in biblischer Sicht sei (1er Die gänzliche Ausrichtung (loa Menschen auf' Gott, die Vcrkiindi-
Mensch nicht mehr bloß Teil des Kosmos, sondern Subjekt, Per- gung der Gnade als Befreiung von der Selbstsucht, die aus Augu-
son, Existenz, die sich in der Welt verwirklicht, so daß die Ge- stin zu entnehmende Absage an die sogenannte „Theologie",vom
schichte der Welt die Geschichte des Menschen vor Gott ist. Frei- Tode Gottes sind nach lammarones Meinung/iedanken. die lebenlich
bleiben auch nach der Bekehrung bei Augustin Reste seiner dig geblieben sind und weiterwirken. Aber der tiefe Einfluß der
manichäisch-neuplatonischen Bildung, die sich in einem duali- dualistisch-spiritualistischen Anthropologie auf Augustins Denken
stisch-spiritualistischen Verständnis des Menschen niederschlagen. läßt ihn der heutigen Theologie, welche zu einer monistischen Auf-
Ger Mensch ist eine vernünftige Seele, die einen Körper hat; er ist fassung des Menschen neigt, fern erscheinen. Zudem sei es schwie-
also in erster Linie geistiges Sein, Innerlichkeit. Aufgabe der Seele rig, bei Augustin Aussagen zu finden, welche das neue Loben des
'st die Suche nach dem Uberzeitlichen, Ewigen. In den Predigten Gerechtfertigton in eine geschichtliche Sozialgemeinschaft umkommt
klar zum Ausdruck, daß dies zur Abwertung der materiel- setzen, welche die Wirklichkeit der Gnade in der Welt wachsen
len und körperlichen Welt und zur Weltflucht führt. „Was Augu- läßt.

stin am Herzen liegt, ist nicht so sehr die Beziehung des Inneren lammarone hat eine solide, gut belegte und klar aufgebaute

zum Äußeren, sondern eigentlich die des Inneren zum Innersten, Monographie vorgelegt. Wenn der Rez. zum Schluß zwei Bedenken

das Empfinden und Schauen Gottes im Herzen" (54f). Diese äußert, so betrifft dies nicht den Vf.. sondern eine jetzt in der

Trennung des geistigen vom materiellen Bereich ist nicht nur Augustinforschung zu beobachtende Tendenz, die auch in dem be-

P'atonisch, sondern auch manichäisch. sprochenen Buche zum Ausdruck kommt.

In den folgenden Kapiteln sucht der Vf. zu zeigen, wie diese a) Die Erschließung und Auswertung der Predigten Augustins

dualistische und spiritualistische Sicht des Menschen, die neben ist an sich zu begrüßen. Die Arbeit lammarones reiht sich hier an

der biblisch-heilsgeschichtlichen steht, sich in den verschiedenen die Untersuchungen von A. Becker (De l'instinct du bonheur ä

Teilen der augustinischen Lehre vom Menschen behauptet und aus- l'extase de la beatitude. Theologie et pedagogie du bonheur dans la

wirkt. predication d'Augustin. Paris 1968), P. Borgomeo (L'Eglise de ce

Die Heilsgeschichte steht bei Augustin unter einem spiritualisti- temps dans la predication de s. Augustin. Paris 1972) und andere

sehen Vorzeichen. Sie läuft von einem Zustand des Menschen, wo an. Wenn nun ein theologisches Thema, wie die Anthropologie,

der Geist den Körper beherrschte, über den Fall zur Rückkehr in anhand der Predigten behandelt wird, so macht dieses Thema

die ungestörte Herrschaft des Geistigen. Sowohl Augustins Dar- seine Eigengesetzlichkeit geltend, die dazu führt, das in den Pre-

»tellung des paradiesischen wie des gefallenen Menschen ist von digten nicht Gesagte aus der Sekundärliteratur und aus anderen

dem Dualismus zwischen Geist und Leib bestimmt. Zwar führt Schriften Augustins zu ergänzen. Das ist grundsätzlich zwar nicht

Augustinden Sieg des Fleisches über den Geist im gefallenen Men- zu beanstanden. Aber dann müßte klargestellt werden, welche

sehen nicht auf ein metaphysisches böses Prinzip zurück (denn er besonderen Schwerpunkte des gewählten Themas in den Predigten

hat dem Manichäismus abgeschworen), aber die Tatsache, daß er hervorgehoben werden und welche Gesichtspunkte fehlen, so daß

das Fleisch als Ort der Konkupiszenz und der Versuchung für den hervortritt, wie Augustin in den Predigten lehrte. Sonst ist die

Geist bezeichnet, sei ein Rest manichäischen Lebensgefühls. selbstgewählte Beschränkung auf die Predigton sinnlos.

Da sich in der Christologie das Selbstverständnis des Menschen b) Die Hochschätzung der Anthropologie und der Selbstver-
ausdrückt (so wiederum der Vf.), ist zu fragen, ob der anthropolo- wirklichung des Menschen in der Welt, von welcher aus der Vf.
g'sche Ansatz Augustins sich auf seine Christologie auswirkt. Die Kritik an Augustin übt. ist ein Gedanke, der in der heutigen Theo-
Christologio Augustins dreht sich um zweierlei: die Schau der logie weit vorbreitet ist und auch in der Augustinusforschung an
Wahrheit Gottes durch den Menschen als Ziel des Erlösungswerkes Boden gewinnt (vgl. meinen Forschungsbericht ..Zwölf Jahre
Christi und die Demut der Fleischwerdung als Mittel dazu. Dabei Augustinusforschung", III. Teil. ThR 39, 1974, 257-261). Hierbeschränke
sich die Bedeutung der Menschwerdung und Aufer- über kann man (eingedenk der Kritik Feuerbachs an der Theolo-
stehung Christi darauf, Beispiel und Vorbild für den Menschen zu gie) geteilter Meinung sein. So wie dem König Midas gemäß seinem
sein. Der fleischgeword'ene und auferstandene Christus ist lediglich Wunsche alles, was er berührte, zu Gold wurde, so scheint die
Anreiz zur Erhebung in Richtung auf den göttlichen Logos. Der heutige Theologie von dem Wunsche beseelt, daß alles unter ihren
Mensch Christus vermittelt nicht die Schau Gottes, die Gnade Händen zu Anthropologie weiden möge. Es bleibt die Frage, ob ihr
wird nicht eigentlich durch ihn vermittelt, sondern sie gelangt von dabei das Schicksal des Königs Midas erspart bleiben wird.
Gott zum Geiste des Menschen. Die Gnade kommt nicht durch das ^ ^ Lmwb
fleisch. Der geschichtliche Christus hat keine wesentliche existentielle
Bedeutung für Augustin. So bedingt die spiritualistische
Anthropologie Augustins seine Christologie, nach der Christus vor

allem der Logos, göttliche Wahrheit, göttliches Leben ist. Das ßasile de Cesaree: Sur l'origine de l'hoiiime. (Horn. X et XI de

wirke sich in einer spiritualistischen Ekklesiologie aus, für welche l'Hexaenieron). Introduction, texte critique, traduetion et notes

die Kirche eine Gemeinschaft gläubiger Seelen und der Christ eine par a. Smets et M. van Esbroeck, Paris: Ed. du Cerf 1970,

gläubige Seele ist. 344 S. 8° = Sources Chretiennes 100. ffr. 64,-.

Wie beschreibt Augustin in seinen Predigten das Werk der

Cnade wenn er über die Wiederholung biblischer Aussagen hinaus- Die neun Hom.hen Basdius des Großen (t 379) „Über das

gehf Das neue Leben des Gerechtfertigten ist auf den geistigen Sechstagewerk" gehören zu den wirkungsmächtigsten Schriften

Teil des Menschen beschränkt, es besteht in der Eingießung der ihrer Zeit Gregor von Nya hat das in seinen kurz nach des

Triebe und des Lichtes der Wahrheit in die Seele des Menschen und Fuders lod verfaßten exegetischen Abhandlungen, der Fort-

entreißt sie der Tvrannei des Fleisches. Die Auswirkung der Gnade führung „Von der Erschaffung des Menschen" und der „Kritischen

auf den Körper wird auf die Auferstehung verschoben. So ist der Erläuterung zum Sechstagewerk" eindringlich geschildert (PG 44.

Gerechtfertigt* ein zerrissener Mensch, geheilt in der Seele, krank 61-124; 125-256). Im Westen zeugen wenig später des Eustasius

»nd tot im Körper Seine Seele wohnt im himmlischen Jerusalem, Ubersetzung und des Ambrosius großartige Adaption von der

sein Leib in Babylon Das Leben des Gerechtfertigten ist wesent- Jahrhundertwirkung des Werks. Die Erschaffung des Menschen

'ich Kampf und daher beständiges Rufen nach Gottes Hilfe. Friede fehlte im Basiliuswerk und es verwundert nicht, daß dies als Man-

«nd Harmonie sind der Endvollendung vorbehalten. Die zum gel empfunden wurde. Andersgeartet aber nun als des Bruders

großen Teil treffenden Beobachtungen des Vf. wirken ungewollt Gregorios Bemühungen, die ja nicht nur die Bedeutung der Basi-

wie eine Illustration zu Luthers Kritik an der katholischen Gna- liusreden preisen, sondern dem Leser auch den Unterschied zwi-

den- und Rechtfertigungslehre. t 8ch(;n dcm großen Wurf uixseres gemeinsamen Vaters und Leh-

So erwartet Augustin zwar die Rettung des ganzen Menschen in rers und der Hilfs- und Korrekturl unktion der eigenen beiden

der Endvollendung stellt sie aber in den Kategorien seiner philo- Gelegenheitsschriften einschärfen wollen, sind jene untereinander

sophischen Anthropologie dar Der vollendete Mensch bleibt ein verbundenen Notizen zum Thema Menschwerdung, die als zwei

geistiger Mensch eme Seele welche Gott schaut, mit einem Leibe, Homilien „De hominis struetura" (Basilius PG 30. 9-62) und „In

der nicht viel mehr als eine Zutat ist, ■ • • Faeiamua hominem . . ." (Ps. Gregorius Nyss. PG 44. 257-298)