Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

893-894

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Aramaic texts from Deir 'Alla' 1979

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

893

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 12

S94

z. B. erscheint auf manchen Platten auch die Darstellung eines
Mannes, der fischt, sehr ähnlich jenem Angler, den wir von frühchristlichen
Sarkophagen kennen und der auch in frühchristlichen
Hymnen erwähnt wird. Der Vf. scheint dies nicht im Blick zu
haben, ebenso wie er auch bei den Darstellungen von „mystic
agape" nicht die Parallelerscheinungen der christlichen Agapen
(die auf den Sarkophagen und in den Katakomben häufig dargestellt
sind) erwähnt. Das ist zu bedauern. Denn möglicherweise
würden die Vergleiche nicht nur unserer Kenntnis der frühchristlichen
Frömmigkeit dienen, sondern auch offenen Fragen zum
K«lt des „Reitergottes" Hilfe geben.

Keineswegs kann man auch generell sagen, daß erst das Christentum
die Schlangen (ein verbreitetes Symbol auf den Reiter-
Platten) zum Zeichen für das Böse verwandt hat. Weit verbreitet
war z. B. die auf unzulänglicher astronomischer Kenntnis beruhende
Vorstellung, daß Sonnen- und Mondfinsternis von zwei
Drachen verursacht werden. Belege finden sich in Indien, in Per-
s'en, in der islamischen Welt und wahrscheinlich auch im keltischen
Raum (vgl. W. Hartner, Oriens-Occidens, Hildesheim 1968,
Index s. v. Ketu und Rähu). Gerade auf den von Tudor abgebildeten
Denkmälern befinden sich häufig zwei Schlangen in der
Nähe der Büsten von Sol und Luna. Sollten sie darum nicht auch
als die nämlichen Finsternisdämonen zu interpretieren sein?

Das zuletzt Gesagte zeigt aber nur, wie komplex das Thema ist,
und daß auch eine so sorgfältig angelegte Untersuchung wie die
Tudors einfach nicht alles erfassen konnte. Das mindert aber
keineswegs die große Bedeutung dieser beiden Bände.

Berlin Gerllndo Wiederanderu

Alter Orient

Hoftijzer, J., and G. van der Kooij [Eds.]: Aramaic Tcxts from

Deir 'alla. With Contributions by H. J. Franken, V. R. Mehra,
J. Voskuil, J. A. Mosk. Preface by P. A. H. de Boer. Leiden:
Brill 1976. XII, 324 S. m. 5 Abb., 33 Taf. 4° = Documenta et
Monumenta Orientis Antiqui, XIX. Lw. hfl. 184,-.

Im März 1967 wurde bei den niederländischen Ausgrabungen
auf dem Teil Der 'Alla in der Jordanebene eine Reihe von Bruchstücken
aramäischer Inschriften entdeckt, die von großer Bedeutung
für die alttestamentliche Wissenschaft sind. Ks handelt sich
um Fragmente von der Putzverkleidung einer Stele, vielleicht auch
eines Altars, auf die man in schwarzer und roter Farbe die Inschriften
aufgetragen hatte. Sie stammen aus dem Ende des 8. Jh.
v- Chr. und bieten Teile von wahrscheinlich zwei Geschichten vom
Wirken des berühmten Propheten Bileam Ben Bear. Einer dieser
Prophetentexte läßt noch ungefähr den Zusammenhang erkennen:
Der Seher Bileam empfängt in einem Nachtgesicht die Botschaft
der Götter von einer bevorstehenden verheerenden Dürreperiode.
Erschüttert von diesem visionären Erlebnis erwacht er am folgenden
Morgen. Sein Onkel Kliqu sucht ihn auf und findet ihn in
Trauer. Bileam fordert ihn auf, sich zu ihm zu setzen, und erzählt
'hm den Inhalt seines Gesichtes. Daran knüpft er offenbar eine
Reihe von mehr allgemeinen Ermahnungen, deren Befolgung das
Eintreten der unheilvollen Dürre verhindern soll. Der Ausgang
der Prophetenerzählung ist wohl positiv gewesen. Der zweite noch
weitaus fragmentarischere Text läßt lediglich crkeimen, daß
Bileam hier als fluchgewaltiger Seher auftritt.

Trotz fies schlechten Erhaltungszustandes geben die Texte
mancherlei wichtige Aufschlüsse. Zunächst wird Bileam für eine
verhältnismäßig späte Zeit auch außerhalb des Alten Testaments
(Num 22,5ff u. ö.) als bedeutender Seher bezeugt. Die Ortslage
von Teil Der 'Alla war offenbar ein Zentrum der Bileam-Traditio-
nen. Die Texte bieten weiterhin ein interessantes Beispiel für die
Art und Weise, in der Prophetenüberlieferungen schriftlich niedergelegt
worden sind. Große Bedeutung haben sie für unsere Kenntnis
der aramäischen Schrift und Sprache im 8. Jh. v. Chr. Licht
fällt auch auf manchen Sprachgebrauch im klassischen Hebräisch.
Schließlich geben die Texte Auskunft über kultische und religionsgeschichtliche
Verhältnisse. Der Name JHWH kommt in den

Fragmenten nicht vor. Bileam scheint insbesondere verbunden zu
sein mit der Göttin sgr, mit der einmal 'aitar zusammengestellt
wird. Eine enge Verwandtschaft zwischen beiden Gottheiten legt
auch eine Opferliste aus Ugarit nahe. Entsprechendes bezeugt die
Parallele zwischen segar und 'ast'rot in Dtn 28,4.18.51. Dieser
alttestamentliche Beleg läßt auch daraufschließen, daß die Göttin
sgr speziell für die Fruchtbarkeit der Herden verantwortlich war.
Überraschend ist das Auftreten einer Gruppe von Gottheiten unter
der Bezeichnung sdjn bzw. sdjt mit der Parallele 'Ihn. Danach kann
also das alttestamentliche saddaj nicht mehr als Eigenname, sondern
nur noch als Gattungsbezeichnung interpretiert werden. Die
Parallele zwischen saddaj und 'eloah bzw. 'el im Buche Hiob (5,17;
6,4; 8,3.5 u. ö.) deutet in die gleiche Richtung.

Die vorliegende Veröffentlichung bietet alles, was man sich für
die weitere Arbeit an den Texten nur irgend wünschen kann.
Zunächst weiden einführend die näheren Fundumstände und der
archäologische Kontext durch H. J. Franken, den Leiter der
Ausgrabungen, beschrieben (3-16). V. R. Mehra und J. Voskuil
berichten über die Konservierungsmaßnahmen, während J. A.
Mosk über die Ergebnisse mikrochemischer Tests und laserspek-
trographischer Analysen der verwendeten Tinte informiert (17-22).
Eine überaus sorgfältige Prüfung der Schreibgrundlage und der
übrigen Materialien unternimmt G. van der Kooij (27-30), von
dem auch die sich anschließende paläographische Auswertung der
Fragmente stammt. Von besonderem Interesse ist dabei ein ausführlicher
Vergleich mit den bisher bekanntgewordenen hebräischen
, aramäischen und phönikischen Inschriften aus der ersten
Hälfte des ersten Jt. v. Chr. (72-96). Dieser Vergleich führt zu
einer chronologischen Ansetzung der Fragmente in die Zeit um
700 v. Chr. und gestattet die Vermutung einer mittelsyrischen
Herkunft des Schrifttyps bzw. des Schreibers (96). Mit Bewunderung
blickt man auf die folgende Beschreibung der einzelnen
Schriftzeichen. Die Benutzung eines binokularen Mikroskops gestattet
es K., auch kleinste Tintenspritzer zu registrieren und gegebenenfalls
als Zeichenreste zu identifizieren. Diese sechzig Seiten
(97-167) umfassende Beschreibung bezeugt nicht nur die Gründlichkeit
, mit der die Feststellung des Textbestandes vorgenommen
wurde, sondern ist auch hilfreich für das Studium der Originale, die
in einem umfangreichen Tafelanhang in Photographie und sorgfältiger
Nachzeichnung zugänglich gemacht werden. Der schwierigen
Aufgabe der Ubersetzung und Interpretation der Texte hat sich
.1. Hoftijzer angenommen (173-324). Geboten werden dem Benutzer
neben Transkription und Übersetzung ein sorgfältiger
philologischer Kommentar, ausführliche Erwägungen über Charakter
und Bedeutung des Inhalts sowie ein grammatischer Überblick
über die Sprache der Texte. Ein kleines Wörterverzeichnis
sowie verschiedene Register und Quellennachweise erleichtern die
Benutzung.

Selbstverständlich ist bei dem fragmentarischen Zustand der
Texte oft über Vermutung und Rekonstruktionsversuch nicht
hinauszugelangen, was nur zu leicht Anlaß für mancherlei weitreichende
Hypothesen geben kaim und wohl auch geben wird. Die
Interpretation von H. ist auch in dieser Hinsicht vorbildlich. Bei
aller gebotenen Zurückhaltung gegenüber voreiliger Herstellung
von Beziehungen zur alttestamentlichen Bileam-Uberlieferung
wird doch die Bedeutung der Texte für das Verständnis alttesta-
montl icher Prophetentexte dem Leser an zahlreichen gründlich
diskutierten Einzelbeobachtungen eindrucksvoll vor Augen gestellt
. Allen Mitarbeitern an dem vom Verlag repräsentativ ausgestatteten
Werk gebührt der Dank der Fachwelt für die außerordentlich
mühevolle und so erfolgreiche Arbeit der Erhaltung,
Entzifferung und Auswertung der aramäischen Texte von Teil Der
'Alla. dessen Ausgrabung uns schon manche Überraschung beschert
hat und hoffentlich auch zukünftig noch bescheren wird.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Tadmor, Miriam: A Cult Cave of the Middle Bronze Age I near

Qedesh (IEJ 28, 1978 S. 1-30).
Naveh, Joseph: Some Considerations on the Ostracon from 'Izbet

Sartah (IEJ 28, 1978 S. 31-35).
Shiloh, Yigal: Elements in the Development of Town Planning in

the Israelite City (IEJ 28, 1978 S. 36-51).