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Ausgabe:

1979

Spalte:

891-893

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Tudor, Dumitru

Titel/Untertitel:

Corpus monumentorum religionis equitum danuvinorum 1979

Rezensent:

Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 12

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und Verhalten des Muslim betrifft und zu dem macht, was sein
Name besagt: ein „Gottergebener". Durchweg erhalten und
wandellos bleibt die ..vertikale Ebene" (224f). der eigentliche
Inhalt des Begriffs: die „Hingabe", „Unterwerfung" (S. bevorzugt
„Submission") an den einen Gott als absoluten Herrn des
Menschen, daher liegt das Einheitsbekenntnis (tauhid) allen Deutungen
zugrunde, auch wenn sie rein äußerlich variieren, und im
Laufe der Geschichte das Verhältnis von 'isläm, 'Imän (persönlicher
Glaube) und dln (Religion) unterschiedlich beschrieben wird.
Dieses Verhältnis, das die „horizontale Ebene" im semantischen
Bereich des Begriffs ausmacht, ist dem Wandel unterworfen, was
von der Islamwissenschaft, die sich zu sehr am Qor'än orientierte,
bisher übersehen worden ist (224). Hier zeigt sich eine dynamische
Auslegung in den herangezogenen Texten, die sich der äußeren
und inneren Seite der „Unterwerfung" vor allem widmete. Weiter
beschrieb 'isläm einst sowohl den persönlichen als auch kollektiven
Aspekt der Beziehung zu Gott, d. h. den individuellen Akt der
..Hingabe" als auch die Gemeinschaft derer, die durch diese Haltung
bestimmt sind (muslimün), so ändert sich dies (zuerst bei a^-
Tabari greifbar) insofern als die beiden Aspekte auseinandertreten,
d. h. der persönliche Gebrauch im Sinne von (innerem) Glauben
('imän) der kollektiven Bedeutung gegenübersteht und als ein
System von Regeln und Gesetzen angesehen wird, das eben den
„Islam" nach außen repräsentiert. Seit dem 5. (12.) Jh. wird dementsprechend
'isläm mit dln gleichgesetzt, u. zw. (so bei Zamahäari)
als dln al-'isläm (Religion des Islam) gegenüber den anderen „Religionen
" ('adjän). Daran knüpfen dann die Modernisten an, indem
sie (wie R. Ridä) 'isläm als „Religion des Herzens" und als „Religion
der Tradition" unterscheiden; erstere ist der „wahre Islam",
letztere der „konventionelle" und „äußere". Auf diese Weise wird
'isläm zu einem religiösen Ideal, das auch universalistische Züge
erhält. Die kollektive Seite dagegen bekommt bei dem Führer der
„Muslimbruderschaft" Sajjid Qu^b (1966 hingerichtet) eine einseitige
Aufwertung, da für ihn 'isläm primär ein äußeres System
und eine politisch-religiöse Organisation darstellt, die als Ideal zu
verwirklichen ist. Diese Unterscheidung der beiden ursprünglich
vereinten Aspekte (persönliche Gottesbeziehung und äußere Religion
, Individuum und Gemeinde) findet sich auch sonst in der modernen
arabischen Literatur (22f). Man könnte dabei an europäischen
, christlichen Einfluß denken, eine Fragestellung, die bei
S. leider nicht weiter verfolgt wird. Es bleibt natürlich festzuhalten
, daß auch die Modernisten zur alten Auffassung der persönlichen
und kollektiven Konzeption des „Islam" zurückstreben, die
im Bekenntnis zur Einheit und Allmacht Gottes ihren gleichbleibenden
Brennpunkt hat.

Das Ergebnis des Buches müßte noch aus anderen Bereichen,
dem der Theologie, des Rechts und der religiösen Literatur, ergänzt
und bestätigt werden; die Basis für eine generelle Aussage
über die Geschichte des Wortes 'isläm im „Islam" ist noch zu
schmal. Einen Anfang damit hat Jane Smith jedenfalls gemacht.
Ihr sowohl mit großem persönlichen Engagement als auch mit
gründlicher Gelehrsamkeit verfaßtes Buch, ist ein verdienstvoller
und bleibender Beitrag zur modernen Islam- und Religionswissenschaft
, der vor allem durch neue Fragestellungen den nicht einfachen
Zugang zu der arabischen ta/sjr-Literatur zu erschließen
hilft, darüber hinaus aber auch (die Absicht ist deutlich) dem
christlich-muslimischen Dialog dienen will.

Leider fehlt der Arbeit ein Index, besonders ein Register der
Qor'änstellen.

Leipzig Kurt Rudolph

Tudor, D.: Corpus Monumentorum Keligionis Equitum Danuvino-
rum (CMRED). I: The Monuments. XXI, 138 S. 1 Kte, 91 Taf.
II: The Analysis and Interpretation of the Monuments. VIII,
309 S„ 2Ktn, 15 Taf. Leiden: Brill 1969/76 gr. 8° = Etudes
Preliminaires aux Religions Orientales dans 1'Empire Romain.
13,1 u. 2. Lw. hfl. 110,- u. 180,-.

In zwei Bänden, dem 1969 erschienenen Abbildungs- und dem
1976 erschienenen Textband, unterzieht sich der Vf. in einer Jahrzehnte
beanspruchenden Arbeit der Aufgabe, die zahlreich überlieferten
Dars'ellurgen des „Danubischen Reiters" systematisch
zu erfassen, zu beschreiben und zu analysieren. Ein mühevolles
Unternehmen! Nicht nur. was das systematische Erfassen der
über alle Museen Europas verstreuten Objekte und deren exakte
Beschreibung anbelangt, sondern auch bezüglich der religionsgeschichtlichen
Analyse. Denn unsere Kenntnis der vorchristlichen
Religion der Donauvölker ist nach wie vor äußerst gering und ba-
siort kaum auf anderen Quellen als solchen wie den behandelten
Objekten. Aber gerade darum ist jedes Ergebnis solcher Untersuchungen
so interessant.

Band I, der Katalog-Band, ordnet die Denkmäler nach den
römischen Donauprovinzen. Die Beschreibung ist äußerst sorgfältig
und exakt. Etwa 200 Denkmäler werden aufgeführt, dazu
kommt noch ein topographischer Index und einer für die jeweiligen
Museen. Schon diese sorgfältige Katalogisierung ist eine große und
wichtige Leistung.

Für die Rezensentin war aber von besonderem Interesse der
11. Band (The Analysis and Interpretation of the Monuments).
Zuerst gibt Tudor einen kritischen Überblick über die wissenschaftliche
Diskussion und die verschiedenen Hypothesen hinsichtlich
der Götter der Donauvölker, um abschließend festzustellen
: „It is absolutely necessary to emphasize that among the
monuments discovered there is not one piece which throws any
conclusive light on the name of these divinities, their origin, or the
numerous puzzles surrounding their cult." (50) In einem nächsten
Kapitel werden die Denkmäler klassifiziert und systematisiert, die
Geschichte ihrer Entdeckung geschildert und äußerst detailliert
technologische Probleme erörtert. Dabei kommt es bereits zu
einem interessanten Hinweis, daß nämlich Votiv-Inschriften vollständig
fehlen. Daraus schließt der Vf., daß die Danubischen Reitergottheiten
nomina arcana trugen, was den Kult in einer bestimmten
Hinsicht bereits charakterisiert, aber gleichzeitig die
Schwierigkeit seiner Analyse begründet. Tudor gibt drei Gruppen
von Denkmälern an: 1) Darstellungen mit einem Reiter und einer
Göttin; 2) Darstellungen mit zwei Reitern und einer Göttin;
3) Reliefs mit zwei Reitern, einer Göttin und einer Mahlszene. Zu
den beiden Hauptgestalten, Reiter und Göttin, kommen noch eine
Fülle anderer Figuren, Sol und Luna (meist nur ihre Büsten), ein
Gefallener unter den Hufen der Reitpferde, Schlangen, Hahn,
Fisch, Widder, Adler usw. Aus diesen Befunden versucht Tudor,
Religion, Religiosität und Kult der Donauvölker zwischen dem
2. und 4. Jh. zu rekonstruieren. In einem großangelegten Kapitel
„Iconographical and Ideological Analysis" versucht der Vf., die
Gottheiten der Reihe nach zu bezeichnen, um am Schluß festzustellen
, daß dies zumindest hinsichtlich der weiblichen Gottheit,
die nach Ausweis der Dokumente offenbar die Hauptgottheit verkörpert
, nicht möglich ist. Man kann sie nur als „the Great (!od-
dess" bezeichnen; Bezüge zur keltischen Epona o. ä. lassen sich
nicht belegen, was nicht ausschließt, daß die „Große Göttin" in
ähnlicher Weise fungiert hat wie Demeter, Cybele oder Atargatis
im orientalischen oder hellenistischen Raum. Der Reiter ist dann
in ähnlicher Weise ein Kriegsgott, dessen Kult durch den des
Mithras sehr beeinflußt wurde. Bei dem Auftauchen der zwei
Reitergestalten kann die Dioskuren-Verehrung Einfluß gehabt
haben. Wir befinden uns mit den danubischen Reiterbildern im
Zoitalter des Synkretismus. Das ganze Gebiet gehört zu römischen
Provinzen (Dacia, Moesia usw.), bodenständige Kulte und
fremdländische gehen Fusionen ein, die für uns kaum mehr aufgelöst
werden können. Letztlich kommt Tudor selbst zu keinem anderen
Ergebnis. Interessant ist, welche Bedeutung die übrigen
Gestalten auf den verschiedenen Denkmälern haben. Zweifellos
stellen viele mystische und gnostische Symbole dar. ein Umstand,
der einige Aufschlüsse über den Reiterkult zu geben vermag, man
denke nur an die Darstellung der Hekate. Sol, Luna. Halm. Fisch.
Adler oder Schlange.

Wenn trotzdem die sorgfältigen Untersuchungen Tudors über
die hinter den Reiterbildern stehende Religion nur begrenzte Aussagen
zulassen, so wirken sie doch hilfreich für verschiedene andere
Forschungsbereiche. Einer sei hier genannt: die Frömmigkeitsgeschichte
der Alten Kirche. Die Blütezeit des ..Reitergottes" (nach
seinen bildlichen Dokumenten beurteilt) fällt zusammen mit wichtigen
Epochen der Alten Kirche. Auswirkungen und möglicherweise
gegenseitige Beeinflussungen müssen angenommen werden,