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Ausgabe: | 1979 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 1
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fremdlichen These kommen, die archivalische Betreuung des
Flex-Nachlasses durch die Deutsche Staatsbibliothek Berlin
lasse die Vermutung zu, daß ein „gereinigter" Flex
(„une fois epure de son aspect le plus Chauvin") eines Tages
in den „courant patriotique" der DDR eingebaut werde
(230) ? Interessant wäre ein deutliches Abheben der aktiven
und nominellen Protestanten gewesen. In der Weimarer
Republik haben viele Millionen (vorwiegend nomineller)
Protestanten „links" gewählt. Diesen Umstand wird ein
Gesamturteil über Protestantismus und Luthertum in
Deutschland zu berücksichtigen haben, zumal neuere sozialwissenschaftliche
Forschungen das Weiterwirken konfessionell
verwurzelter Verhaltensmuster bis in die zweite und
dritte Generation auch nicht mehr kirchentreuer Protestanten
hinein gezeigt haben.
In der Kritik des Luthertums ist die Autorin gelegentlich
den Vereinfachungen des Vansittartismus erlegen. In der
Faschismustheorie folgt sie offenbar einem zu stark singu-
larisierenden Ansatz.
Beschwerlich ist das Fehlen der üblichen Hilfsmittel in
diesem Buch (Register der Personen und Sachen, Quellen-
und Literaturverzeichnis). Eindruck macht die engagierte
Intensität, mit der sich die Autorin ihrem Gegenstand gewidmet
hat. Im Ganzen wie im Detail bietet die Studie reichen
Gewinn, auch in der z. T. erstmaligen Auswertung
archivalischen Materials. Nicht geringen Wert hat der Effekt,
den die französische Professorin gleichsam nebenher erzielt.
In der außerdeutschen Perspektive erscheint manches klarer
umrissen.
Leipzig Kurt Nowak
1 Bei Ch. Kaiser (München) ist mittlerweile eine eigenständige Arbeit
über Klepper von R. Thalmann erschienen. Sie lag dem Rez.
bei Abfassung dieser Zeilen noch nicht vor.
Bienert, Wolf gang A.: Ketzer und Wahrheitszeuge: zum
Ketzerbegriff Gottfried Arnolds (ZKG 88, 1977 S. 230 bis
246).
Blank, Josef; Voss, Gerhard: Pius IX. - Päpstliche Unfehlbarkeit
— Erstes Vatikanisches Konzil. Uber eine Untersuchung
von A.B. Hasler (US 33, 1978 S. 72-82).
Bunyan, John: The Holy War. The Losing and Taking Again
of the Town of Mansoul. With a biographical Sketch of
the Author, Introduction and Notes by W. M. Smith. Chicago
, III.: Moody Press [1978]. 378 S. gr. 8°.
Ceyssens, Lucien: Le cardinal Francois Albizzi et la liberte
de professer l'augustinisme (FS 59, 1977 S. 214-225).
Frank, Isnard W.: Die Privatisierung der Religion. Die
„Konstitutionelle Kirche" und der weltliche Staat Frankreichs
(1792-1801) (WuA [M] 18, 1977 S. 135-141).
Göhre, Paul: Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche
. Sozialreportage eines Pfarrers um die Jahrhundertwende
. Mit einem Vorwort und einem Kommentar
neu hrsg. von J. Brenning und Ch. Gremmels. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1978]. 157 S. 8° =
Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern 268. Kart. DM
8,80.
Henningsen, Jürgen: Leben entsteht aus Geschichten. Eine
Studie zu August Hermann Francke (NZSTh 19, 1977
S. 261-283).
Meinhold, Peter: Wichern und Ketteier. Evangelische und
katholische Prinzipien kirchlichen Sozialhandelns. Wiesbaden
: Steiner 1978. 54 S. 8° = Institut für Europäische
Geschichte Mainz, Vorträge, 70. Kart. DM 8,60.
Mevorah, Barouch: Johann Kaspar Lavaters Auseinandersetzung
mit Moses Mendelssohn über die Zukunft des
Judentums (Zwing. XIV, 1977/2 S. 431-450).
Rivinius, Karl Josef: Ketteier und die katholische Sozialbewegung
im 19. Jahrhundert (ThGl 67, 1977 S. 309-331).
Tryon-Montalembert, Renee de: „Synthese zwischen unterschiedlichen
Positionen". Die prophetische Erfahrung nach
Abraham J. Heschel (DtPfrBl 78, 1978 S. 203-206).
Dogmen- und Theologiegeschichte
Baylor, Michael G.: Action and Person. Conscience in Late
Scholasticism and the Young Luther. Leiden: Brill 1977.
X, 288 S., 1 Taf. gr. 8° = Studies in Medieval and Reformation
Thought, XX. Lw. hfl. 68,-.
Der Titel „Action and person" gibt das Ergebnis der vorliegenden
Untersuchung wieder. Während die Scholastiker
das Gewissen vor allem auf einzelne Taten beziehen, wird
für Luther die gesamte Person zum Objekt des Gewissens.
In Anlehnung an den Titel der Arbeit über die Auslegung
des Alten Testamentes von Augustin bis Luther von James
S. Preus „From shadow to promise" hätte aussagekräftiger
„From action to person" formuliert werden können.
Aufgrund der Aussagen des Thomas von Aquin wird der
Gewissensbegriff der Via antiqua dargestellt (20—69). Diese
entwickelte ihn im Rahmen aristotelischer Ontologie und
Psychologie. Die synteresis gilt als angeborener, unauslöschlicher
und irrtumsfreier Habitus der ethischen Grundsätze,
der eine Neigung zum Guten bewirkt. Die conscientia dagegen
ist ein actus der praktischen Vernunft, der aufgrund
der synteresis die einzelnen Taten beurteilt und zum rationalen
Teil der Seele gehört.
Die Vorstellungen der Via moderna werden bei Wilhelm
Ockham und Gabriel Biel aufgezeigt (70—118). Ockham
denkt in demselben scholastischen Rahmen, findet aber zum
Teil neue Lösungen. Er verzichtet auf die synteresis. Da ein
Habitus allmählich erworben wird, muß ein angeborener
Habitus als Widerspruch erscheinen. Aber auch seine Vorstellung
von der Kontingenz der Schöpfung scheint den Gedanken
einer synteresis zu erschweren, der zeitlose Grundsätze
bewußt sind, zumal die Via antiqua ihren Inhalt nicht
konkret umschreiben konnte. Ockham setzt die Aufforderung
des Willens zum Guten durch die ratio recta mit dem
Urteil des Gewissens gleich. Biel führt die synteresis wieder
ein, aber nicht als Habitus, sondern als eine angeborene
potentia, den Grundsätzen zuzustimmen, die in allgemeinen
Begriffen bestimmen, Taten zu suchen oder zu fliehen. Das
Gewissen erhält die Aufgabe, diese erkannten Grundsätze
auf einzelne Taten anzuwenden. Auch die Via moderna verbindet
das Gewissen vor allem mit Erkenntnis, d. h. mit der
ratio.
Nachdem der Vf. aufgezeigt hat, in welchem Maße Luthers
Aussagen über das Gewissen spätmittelalterlichen Anschauungen
folgen (119—156), wendet er sich stärker den
Unterschieden zu. Anfangs verbindet Luther die synteresis
sowohl mit der ratio als auch mit der voluntas, so daß der
Mensch aufgrund dieser doppelten synteresis dazu neigt,
ewige Dinge sowohl zu erkennen als auch zu lieben. Doch
seit 1515 tritt sie zurück. Diese Tatsache ist schon mehrfach
beobachtet worden. Der Vf. gibt dafür eine neue Begründung
: Luthers neues Verständnis des Gewissens läßt die
synteresis bedeutungslos werden. Während es in der Scholastik
einzelne Taten beurteilt, richtet es bei Luther im
wachsenden Maße die ganze Person, und zwar im Zusammenhang
mit dem christlichen Glauben. Das Urteil Gottes
über den Menschen und das Urteil des Gewissens über ihn
werden parallel gesetzt. Der Vf. verdeutlicht, wie Luthers
Vorstellung von Gesetz, Zorn Gottes und schlechtem (erschrockenem
) Gewissen sowie Evangelium, Rechtfertigung
und gutem (getröstetem) Gewissen zu einer geschlossenen
Vorstellung zusammenwachsen, zu der auch das „simul
iustus et peccator" gehört. Schließlich zeigt er auf, daß Luthers
Berufung auf sein Gewissen auf dem Reichstag in
Worms 1521 nichts mit Gewissensfreiheit im modernen Sinn
zu tun hat, sondern als Ausdruck der scholastischen Lehre
zu verstehen ist, daß es Sünde sei, gegen das Gewissen zu
handeln. Das wird an seiner Bereitschaft zum Widerruf für
den Fall sichtbar, daß er durch die Heilige Schrift oder durch
Vernunftgründe überführt werden kann, aufgrund eines
irrenden Gewissens zu handeln.