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Ausgabe:

1979

Spalte:

847-848

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Keller-Hüschemenger, Max

Titel/Untertitel:

Die Lehre der Kirche im Urteil der Lambeth Konferenzen 1979

Rezensent:

Schreiner, Lothar

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 11

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Kölmel, Wilhelm: Franziskus in der Gesdiichtstheologie (F S
60, 1978 S. 67-89).

Köster, Heinrich M.: Der geschichtliche Weg von marianischen
Einzelaussagen zum geschlossenen Traktat einer systematischen
Mariologic (ThGl 68, 1978 S. 368-384).

Lassiat, H.: L'anthropologie dTrenee NRTh 100, 1978 S. 399
bis 417).

de Lubac, H.: Le Dialoguc sur le Sacerdote de Saint Jean Chry-
sostome (NRTh 100, 1978 S. 822-831).

Mette, Norbert: Zwischen Reflexion und Entscheidung. Der
Beitrag Karl Rahners zur Grundlegung der praktischen Theologie
[Teil II] (TThZ 87, 1978 S. 136-151).

Mügge, Marlies: Der Einfluß des juridischen Denkens auf die
Bußtheologie Tertullians (ThGl 68, 1978 S. 426-450).

Murray, Robert: Der Dichter als Exeget i Der hl. Ephracm und
die heutige Exegese (ZKTh 100, 1978 S. 484-494).

Neufeld, Karl-Heinz: Fundamentaltheologie in gewandelter
Welt. H. Bouillards theologischer Beitrag (ZKTh 100, 1978
S. 417-440).

Overath, Joseph: Die Juden in der Welt Hildegards von Bingen
(TThZ 87, 1978 S. 304-312).

Roßmann, Heribert: Der Hl. Franziskus von Assisi als Abbild
Christi in der Sicht des Franz von Meyronnes (F S 60, 1978
S. 168-185).

Söll, Georg: Die Entwicklung der Marienlehre in der alten Kirche
(ThGl 68, 1978 S. 348-368).

Wehr, Gerhard: Friedrich Christoph Oetinger - Theosoph, Al-
chymist, Kabbaiist. Zur Neuausg. seiner Werke (DtPfrBl 79,
1979 S. 71-72).

Kirchen- und Konfessionskunde

Keller-Hüschemenger, Max: Die Lehre der Kirche im Urteil
der Lambeth Konferenzen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn (1976). 166 S. gr. 8°. Lw. DM 32,-.

Der vorliegende Band der anglikanistischen Untersuchungen
des Vf. baut auf seine Schriften von „der Lehre der Kirche im
frühreformatorischen Anglikanismus" (1972) und „der Lehre
von der Kirche in der Oxfordbewegung" (1974) auf. Das Kirchen
- und das Lehr-Verständnis stehen im Mittelpunkt des Interesses
des Bandes, der die Lambeth Konferenzen von 1867
bis 1968 umfaßt. Darum schickt der Vf. dem Hauptabschnitt
über das Lehrverständnis der Lambeth Konferenzen eine kir-
chenrechtshistorischc und eine begriffsgcschichtliche Einführung
voraus. Die seit dem 16. Jh. ungebrochene Kontinuität
der platonischen Tradition sei für den Anglikanismus charakteristisch
. Sie mache sich auch in der Lehre der Lambeth Konferenzen
geltend. Von größerem Gewicht seien die Leitideen,
die, auf den Piatonismus gegründet, die Bildung der Lehre bestimmen
. „Entwicklung" (evolution) und „Inklusivität" (com-
prehensiveness) stellt der Vf. als die beiden Fundamentalprinzipien
der Lehre heraus. Bei dem ersten Prinzip gehe es um
die sachlich und historisch kontinuierliche Entfaltung der göttlichen
Offenbarung, die ihre Vollendung in Jesus Christus finde
, und es gehe darum - um mit H. Chadwick zu fragen -,
ob der anglikanischen Kirche mit dem platonisch-neuplatonischen
Prinzip der Vorstellung eines organischen Wachstums das
Mittel zum Verständnis des apostolischen Glaubens für alle
Zeit in die Hände gegeben sei. Die anglikanische Vorstellung
von der Ganzheit oder Inklusivität ruht ihrerseits auf dem
„platonischen Prinzip der harmonisch additiv-komplementären
Zusammenschau des Seins als Einheit" in der Vielfalt. Hier
gibt der Vf. dem Ganzheitsverständnis der Lambeth Konferenz
von 1968 ein zentrales Schwergewicht (42). Er kommt zu dem

Ergebnis, daß der Anglikanismus mit diesem Fundamental-
begriff einerseits Weg und Lehre offen lasse („Comprehen
sivencss implies a willingness to allow liberly of Interpretation
with a certain slowness in arresting or restraining exploratory
thinking". The Lambeth Conference 1968, 140), andererseits
einer Indifferenz in Theologie und Kirchcnbewußtscin eine
klare Grenze setze, die markiert, was mit der anglikanischen
Tradition vereinbar und was mit ihr unvereinbar ist. Die von
den Lambeth Konferenzen ausgehende Lehre interpretiert der
Vf. durch eine Hervorhebung von drei „Strukturen", nämlich
Schrift, Geschichte/Tradition, Vernunft/Gewissen, und zum anderen
der drei Funktionen persönliches Heil, Verfassung und
Ordnung der Kirche. Die Hauptbedeutung der Lehre sieht der
Vf. in ihrer ordnungsbezogenen Funktion als Pastoralseelsorge
im Verhältnis zum Amt und zum Gottesdienst. Die katholische
und die evangelikal-reformatorische Tradition geraten gerade
im Amtsverständnis nicht in eine Polarisierung der einen ge
genüber der anderen, sondern werden als „sich gegenseitig
ergänzende komplementär-additive Beiträge zweier theologischer
Schulen" (141) zur Ganzheit anglikanischen Kirchentums.
Für den Gottesdienst zeigen das Book of Common Prayer und
die Lambeth Konferenzen eine entsprechende ganzheitlichc
Ausgewogenheit auf dem Grunde des "Apostolic and Catholic
Faith". Gleichwohl haben die Lambeth Konferenzen seit 1878
dem Common Book of Prayer theologisch und ekklesiologisch
gegenüber den 39 Artikeln den Vorzug gegeben, worin der Vf.
ein gewisses Übergewicht der katholischen gegenüber der re-
formatorisch-evangelikalen Tradition im Grundverständnis der
anglikanischen Kirche sieht. -

Im Ergebnis tritt der „stark lehrbewußte und lehrorientierte
Charakter der anglikanischen Kirchen" hervor. Dieser führt
aber nicht schon als solcher zu einer besonderen Nähe zu den
die Lehre als Fundamentalprinzip betonenden reformatorischen
Kirchen. Vielmehr bewahrt die Hereinnahme der Lehre in die
wechselseitige Bezogenheit von Amt und Gottesdienst diese vor
Intellektualisicrung und Isolierung. Indem die Lambeth Konferenzen
die „pastoral-seclsorgerlichen und die devotionalen
Ordnungsfaktoren Amt/Ministry und Gottesdienst/Worship"
zur Begründung und Kennzeichnung (notac) der Kirche aufeinander
bezichen, weiten sie die theologische Qualität der
Lehre auf Amt und Gottesdienst aus. Diese Verzahnung der
Lehre mit den übrigen Funktions- und Seinsbereichen der
Kirche hat der Vf. mit seinen vorausgegangenen Untersuchungen
(s.o.) festgestellt. Er findet sie auch für denZcitraum seit 1867,
beeinflußt durch Einwirkungen von außen und von innen
(anglokatholischc Erneuerungsbewegung). Da die Lambeth
Konferenzen es verstanden haben, auf diese Weise der „katholischen
" wie auch der „evangelikal-rcformatorischen" Tradition
gleiches Lebensrecht in den Kirchen der Anglican Commu-
nion zu wahren, haben sie der Kirche ihr Profil als „eigenständiger
(Konfessions-)Kirche" geprägt und erhalten. Die in
ihrer „theologischen, ekklesiologischen und organischen Ein
heit" zum Ausdruck kommende Ganzheit von "Rcformed but
Catholic, Catholic but Reformcd" begründet die spezifische ökumenische
Stellung und Aufgabe der anglikanischen Kirchen.

Die Lektüre des Buches setzt wegen der durchgehenden Ori
ginalzitate und ktrchencnglischen Ausdrücke gute Englisch
kenntnisse voraus. Es verbindet sorgfältige Erarbeitung der
Probleme mit guten Beilagen, unter denen das gründliche Literaturverzeichnis
und das eingehende Stichwortregister hervorzuheben
sind. Die Untersuchungen lassen aufs Ganze gesehen
in ihrem beherrschenden Interesse an der Lehre mehr
die kontinental-protestantischen Kirchentümern nahestehende
Eigenart anglikanischen Kirchentums hervortreten. Aus der
lutherischen Sicht seines Themas leistet der Vf. einen bedcu
tungsvollen Beitrag zum ökumenischen, hier anglikanisch
lutherischen Gespräch, beschränkt jedoch in einem gewissen
Grade die Vermittlung anglikanischen Selbstverständnisscs.
Insgesamt erschließt der Vf. der deutschsprachigen Theologie
und Kirche theologische Grundaspekte der Lambeth Konferenzen
.

Wuppertal Lothar Schreiner