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Ausgabe:

1979

Spalte:

841-842

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Titel/Untertitel:

Bischof Otto I. von Bamberg, Beginn der Christianisierung des Peenegebietes 1979

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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S4 1

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 11

842

Der eigentliche Innovationseffekt wird durch die aktuellen
Beiträge erzielt. Die „Vorläufigen Leitsätze" wollen dem religiösen
Sozialismus in der „Situation der Bundesrepublik"
(130) neu Bahn brechen. Demokratisierung des Wirtschaftslebens
, gewaltfrcies Austragen von Gegensätzen, am Vorbild
Jesu orientierte mitmenschliche Solidarität, Einflußnahme
auf Bildung und Ausbildung im Sinne der Konzeption von
Freire, Abbau der Macht von Bürokratien bezeichnen in
Stichworten einige grundsätzliche Ziele. Parteipolitisch steht
die Gruppierung der SPD nahe. So erhielt denn auch SPD-
Kirchenreferent Rüdiger Reitz Gelegenheit, seine Thesen einzubringen
, die er in Bcrgisch-Gladbach auf einer Tagung der
Gruppe vorgetragen hatte. Reitz reduziert das christliche
Engagement auf eine „Ergänzung" der Konzeption von
Wachstum und Marktwirtschaft „zugunsten der Kategorien
Gemeinwohl und demokratischer Wirtschaftsplanung" (126)
Ob die „grundlegende Veränderung der menschlichen Gesellschaft
", welche die Bochumer Gruppe anvisiert (130),
durch ihren eigenen Programmansatz, vor allem aber auch
durch die ihr von der SPD zugewiesene „Ergänzungs"-Funk-
tion nicht von vornherein in Frage gestellt ist, legt sich nach
der Lektüre der Thesen und Leitsätze zumindest als Erwägung
nahe. Es scheint, als ob die religiösen Sozialisten der
zwanziger Jahre an manchen Punkten weiter gewesen sind,
sowohl im Blick auf Kirche (Leitsatz III. 4 der Bochumer Gruppe
gibt sich gerade an diesem Punkt betont zurückhaltend), als
auch im Blick auf Gesellschaft und Politik. Unter „Konkretionen
1976. 1. Basisarbeit" liest man als fünfte vordringliche
Aktivität: „Vertiefung und Präzisierung des Selbstverständnisses
der Religiösen Sozialisten" (138). Politisch-theologische
Positionsbestimmungen scheinen in einer gegenüber
den endsechziger Jahren doch deutlich veränderten Situation
erheblich schwieriger geworden zu sein, zumal, wenn der
Ernst christlicher Bindung - er ist allenthalben sympathisch
spürbar - vorschnellen Formeln abhold ist.

Die historischen Beiträge bewegen sich auf respektablem
Niveau und können dem breiten Leserkreis, für den sie gedacht
sind, präzise Informationen vermitteln. Einige kleinere
Ungenauigkeiten stören da nicht.

Leipzig Kurt Nowak

Territorialkirchengeschichte

Bischof Otto I. von Bamberg. Beginn der Christianisierung
des Peenegebietes. Kirchengeschichtliche Beiträge, hrsg.
im Auftrag der Kirchenleitung der Ev. Landeskirche
Greifswald v. N. Buske, G. Ott, J. Wächter. O. O. o. J.
[Grcifswald: Konsistorium 1978] 112 S. m. 37 Abb. =
Kirchengeschichtliche Beiträge, 5.

Dem achthundertfünfzigjährigen Jubiläum der zweiten
Missionsreise Otto von Bambergs, die ihn auch auf das Gebiet
der heutigen Greifswalder Landeskirche führte, ist dieses
Bändchen gewidmet. In einem einleitenden Beitrag bietet
G. O 11 (Gott und die Götter in der Religions- und Missionsgeschichte
der Ostseeländer) mehr religionsphilosophischc als
religionshistorischc Erwägungen, die freilich dort, wo sie
konkret werden, weniger slawisches, als germanisches, baltisches
und finnisches Material bieten. B. Metz (Zur Lebensgeschichte
des Bischofs O. v. B.) entwirft ein plastisches Bild
von Otto, das nicht nur den Pommernmissionar zeigt, sondern
den Bischof und Reichsfürst, den Klostergründer und
Diplomaten, der in einer Zeit der Machtexpansionen und des
Investiturstreites zwischen Pommern und Polen, Kaiser und
Papst vermittelte. Das Nachleben Ottos bis ins 20. Jh. veranschaulicht
N. Buske (Die Verehrung Bischof O. v. B. und
die spätere Erinnerung an ihn im ehemaligen Herzogtum
Pommern) in einer materialreichen Studie. Trotz der Überfremdung
durch die deutsche Einwanderung hat sich die Erinnerung
an den Slawenmissionar gehalten, besonders da die

Stettiner Linie des Herzogshauses die Pflege des Ottokultcs
mit dem Ausbau ihrer Macht verband. Schon vor der evangelischen
Zeit galt die Ottoverehrung mehr dem Missionar
als dem Wundertäter. Beigegeben sind den Aufsätzen zwei
Texte und 38 Abbildungen von Denkmälern, die in irgendeiner
Weise mit Otto verbunden sind (erläutert S. 103-107).
Einer Otto-Darstellung in Malchow von 1918 hat M. Bunne
r s einen eigenen Beitrag gewidmet. Die Texte aus Kant-
zows und Cramers Chroniken sollen der besseren Lesbarkeit
wegen nicht buchstabengetreu wiedergegeben worden sein
(S. 86). Davon ist nichts zu merken (S. 46: Ubergrebnus;
S. 94: Lannen; etc.). Zu fragen bleibt, warum nicht lieber
Originalquellen (Ottoviten) herangezogen wurden.

Irreführende Druckfehler: S. 41 Anm. 2: lies Topographie; S 46 Z. 4 v. u.:
lies: jüngsten Tages sehyr: S. 81 Anm. 107: lies kSnigl. Akademie; ebd. Anm.
113: lies Ottoreliquie; S. 88 Z. 6 v. u : lies Luticiern; S. 93 Z. 10 v. u.: lies
greifft; S. 97 Z. 1: lies folgends.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Schäfer, Gerhard [Hrsg.]: Die evangelische Landeskirche in
Württemberg und der Nationalsozialismus. Eine Dokumentation
zum Kirchenkampf. 4: Die intakte Landeskirche 1935
bis 1936. Stuttgart: Calwer Verlag [1977]. XIX, 961 S. gr. 8°.
Lw. DM 56.-.

Der vorliegende Band 4 behandelt die Zeit seit dem Zusammenbruch
des Eingliederungswerkes in die Reichskirche,
der die Wiedereinsetzung der mehrere Monate amtsbehinderten
Landesbischöfe Wurm und Meiser nach einem Empfang
bei Hitler Ende 1934 zur Folge hatte, bis zum Rücktritt des
Reichskirchenausschusses Februar 1937. Zunächst wird die
Bereinigung der Folgen der Kirchenrevolte der Deutschen
Christen und des Zwangseingliederungsversuchs des Rechtswalters
August Jäger geschildert. Die Beziehungen zu den
gesamtkirchlichen Bekenntniskreisen in der DEK sind in
dieser Dokumentation stets präsent. Auch die Spannungen
sind aufgewiesen, die sich zwischen der von den intakten
Landeskirchen Württemberg, Bayern und Hannover am 20.
November 1934 mitgegründeten 1. Vorläufigen Kirchenleitung
unter dem hannoverschen Landesbischof Marahrens und ra-
dikal-dahlemitischen Bekenntniskreisen ergaben. Diese Reibungen
wurden auch dem württembergischen Landesbischof Wurm
angelastet, dem die Anwendung des kirchlichen Notrechts für
seine Landeskirche nicht erforderlich erschien und der schon
an der Barmer Bekenntnissynode Ende Mai 1934 vorwiegend
auch darum mitgewirkt hatte, „um das mäßigende Element
von Württemberg zur Geltung" zu bringen, damit auf der
Synode nicht „die Barthsche Schule mit ihrem Radikalismus
die Opposition gegen die Reichskirchenregierung allein in die
Hand" (10) nehme. Die Theologische Erklärung von Barmen
wurde von Wurm als „notwendige Abwehr des DC-Irrtums"
bewertet, sei aber den reformatorischen Bekenntnisschriften
nicht gleichzusetzen; doch wollte Wurm ihre „innerlich verpflichtende
" Bedeutung anerkennen (878f), ohne die in Dahlem
gezogenen kirchenrechtlichen Konsequenzen zu ziehen,
weil in Württemberg eine kirchcnrechtlich legale Kirchenregierung
vorhanden war. Der württembergische Landesbru-
derrat (vgl. Dipper, Theodor: Die Evangelische Bekenntnisgemeinschaft
1933-1945. Göttingen 1966. AGK Bd. 17) verzichtete
auf Obernahme kirchenregimentlicher Befugnisse, die
er hinreichend durch den unter Wurms Leitung stehenden
Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart wahrgenommen sah.
Die Kirchlich-Theologische Sozietät unter Pfr. Hermann Diem.
die sich vom Landesbruderrat trennte und mit der Kirchenleitung
in ein gespanntes Verhältnis geriet, kritisierte den
Beitritt der württembergischen Landeskirche zum Lutherischen
Pakt und zum Lutherrat, hielt vielmehr seit Frühjahr 1936
engen Kontakt zur dahlemitisch orientierten 2. Vorläufigen
Leitung unter Pfr. Fritz Müller (Dahlem). Auch der württembergische
Landesbruderrat wollte die Abgrenzungspolitik