Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

837-840

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Wright, Jonathan R. C.

Titel/Untertitel:

"Über den Parteien" 1979

Rezensent:

Meier, Kurt

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

837

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 11

838

wohl bedeutendsten katholischen Kontroverstheologen der Reformationszeit
, wenige Monate vor seinem Tod (Februar 1543)
datiert, also noch nach dem Abschluß seiner letzten offiziellen
Kontakte und Auseinandersetzungen mit den Protestanten
(beim Regensburger Religionsgespräch), zudem eine elementare
Lehrschrift über einen elementaren Text.

Wer wichtige Aufschlüsse und Neuigkeiten erwartet, wird
jedoch enttäuscht. Überraschend ist allenfalls, wie traditionell
es in dem Werk zugeht. Die knappen und zum Teil auch recht
schlichten Darlegungen orientieren sich in lockerer Form an
der Vorlage des Lombarden, 36 von deren 48 Distinctioncs
werden behandelt. Die bei weitem umfangreichsten Ausführungen
gelten der Trinitäts- und der Praedestinationslehrc.
Von den Kontroversen der Zeit, den Lebenskämpfen des Vf.
ist so gut wie keine Spur zu bemerken, Polemik fehlt nahezu.
Sowohl methodisch als auch inhaltlich sind es die alten Wege,
die beschritten werden. Die alten Autoritäten werden zitiert,
die zeitgenössischen Gegner sind, abgesehen von einer einzigen
matten apologetischen Bemerkung (114), außerhalb des
Blickfelds, auch dort, wo man eine Erinnerung an sie eigentlich
erwarten möchte, beispielsweise im Prolog.

Die Ausgabe ist ordentlich gearbeitet. Der Hrsg., ein amerikanischer
Theologe, bietet die wichtigsten Zitatnachweise und
wertet in einer knappen Einleitung den Text als neuen Beleg
für Ecks Eklektizismus, seine Stellung zwischen den scholastischen
Schulen. Kaum berührt wird die nach meinem Urteil
besonders naheliegende und sich aufdrängende Frage nach
dem „Sitz im Leben" des Buches: Kann man hier wirklich
"Eck s theological views as a representative Catholic theologian
of his generation" kennenlernen, eine Art theologisches Fazit
seines Lebens? Soll man wirklich damit rechnen, daß dies 1542
ein neues Werk war? Hat Eck erst damals zum erstenmal
über die Sentenzen gelesen? Ist das nicht eher die lebenslang
verwendete, etwas lieblos immer „fortgeschriebenc" theologische
Fundamental- und Routinevorlesung eines vielbeschäftigten
, dauernd herumreisenden und berühmten Professors?

Göttingen Bernd Moeiler

Kirchengeschichte: Neuzeit

Wright, Jonathan R. C: „Über den Parteien". Die politische
Haltung der evangelischen Kirchenführcr 1918—1933. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1977. XIV, 276 S. gr. 8° =
Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B: Darstellungen
, Bd. 2. Lw. DM 56,-.

Die vorliegende Untersuchung des englischen Autors legt
Zeugnis ab von der zunehmenden internationalen, besonders
auch angelsächsischen und angloamerikanischen Beteiligung an
Forschungen zur deutschen kirchlichen Zeitgeschichte. Die englische
Ausgabe dieser aus einer Promotionsschrift hervorgegangenen
Monographie ('Abovc Parties'. The Political Atti-
tudes of the German Protestant Church Leadership 1918-1933,
Oxford University Press 1974, 197 S.) enthielt in Form eines
kurzen „Epilogs" (148-174) einen Durchblick durch den evangelischen
Kirchenkampf, der einige Aspekte der Auseinandersetzungen
bis hin zur Stuttgarter Schulderklärung Oktober 1945
deutlich werden ließ, bei der deutschen Ausgabe aber wohl
wegen seines skizzenhaften Charakters wegfiel. Die Übersetzung
ins Deutsche, von Hannelore Braun und Birger Maiwald
besorgt wie auch von Carsten Nicolaisen redaktionell betreut,
ist stellenweise modifiziert und ergänzt. Das Buch entspricht
dem auf gezielte Einbeziehung auch der Weimarer Republik
als Forschungsgegenstand orientierten Charakter der von Georg
Kretschmar und Klaus Scholder herausgegebenen Reihe
„Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte". Grundsätzlich spannt
Wright den Bogen seiner Untersuchung über die ganze Weimarer
Zeit, angefangen von Kap. 1 („Das Arrangement mit
dem republikanischen Staat 1918-1924") bis hin zur Einsetzung
des Staatskommissars August Jäger im Juni 1933 (Kap. 3).

Die Arbeit bleibt freilich auf Schwerpunkte des zeitlichen Verlaufs
orientiert: territorial stellt sie die kirchliche Entwicklung
und Problematik stark auf Altprcußen konzentriert dar. Allerdings
faßt sie auch Sitzungsprotokolle der Exekutivorgane des
Deutschen Evang. Kirchenbundes (= DEKB) ins Auge, so des
Deutschen Evang. Kirchenausschusses (= DEKA) und des Kirchenbundesrats
. Auf diese Weise werden Beurteilungstrends
wie Meinungsdivergenzen auch anderer Kirchenführer zu Fragen
des landeskirchlichen Gesamtprotestantismus während der
Weimarer Republik deutlich. Intensiv - ohne freilich zu sehr
ins Detail zu gehen - wird die Frühphase gezeichnet; danach
beanspruchen vornehmlich die letzten Jahre des Weimarer
Staates (Kap. 6 s Die Republik in der Krise, sowie der in Kap. 7
und 8 dargestellte Umschwung durch die Machtübertragung an
Hitler) stärker verlaufsgeschichtliches Interesse. Ausgesprochen
sachorientierte und problembezogene Kapitel („Der preußische
Kirchenvertrag, Kap. 2; „Das Verhältnis der evangelischeu
Kirche zur Weimarer Republik", Kap. 3; „Die Stellung der Kirchenführer
zu außenpolitischen Fragen", Kap. 4; auch Kap. 5
über das Verhältnis zur nationalistischen Rechtsopposition)
verdichten das Bild auch dort, wo verlaufsgeschichtlich abgeblendet
wird. Bei der die Letztphase der Weimarer Republik
schildernden Darstellung werden mancherlei neue Aspekte
auch im Blick auf das Verhalten und mancherlei Sondierungskontakte
der evangelischen Kirchenführer zu den „völkischen
Verbänden" und zur NSDAP eingebracht, wobei auch die Frühgeschichte
der Glaubensbewegung DC etwas weiter aufgehellt
wird. Der von Wieneke 1932 mitunterzeichnetc Aufruf zur
Gründung eines NS-Pfarrerbundcs ist freilich nicht recht wirksam
geworden, da man sich um der Geschlossenheit willen auf
eine Pfarrer und Laien umfassende Organisation der „Deutschen
Christen" unter Hossenfelders Leitung beschränkte. Die
Bemerkungen dazu auf S. 137f u. 146f scheinen auf eine Unklarheit
über die bei der Herausbildung der Glaubensbewegung
DC ephemer ins Auge gefaßte Pfarrerorganisation und
der Reichsarbeitsgemeinschaft von NS-Pfarrern (NS-Pf arrerbund
unter Pfr. Friedrich Klein, Gräfengehaig/Franken; später Bund
ev. Pfarrer im Dritten Reich), die ursprünglich eine Sparte des
NS-Lehrerbundes unter Schemm war, zurückzugehen.

Die Untersuchung von Wright, die die politische Haltung
der Kirchenführer, also der amtlichen Kirchen, nach umfangreichem
, allerdings nur sparsam ausgebreitetem Archivmaterial
und gedruckten Quellen darstellt, weist auf „zwei bedeutsame
Abweichungen von den bisherigen Forschungsmeinungen
" hin. Die Kirchenführer seien trotz enger Bindung an die
herrschenden Mächte bis 1918 entschlossen gewesen, „nach dem
bereits im 19. Jahrhundert herausgebildeten Grundsatz zu handeln
und dem Staat gegenüber die spezifischen Interessen der
Kirche zu vertreten"; zum anderen wird hingewiesen auf eine
im altpreußischcn Evangelischen Oberkirchenrat, teilweise als
Folge dieser Konzeption, agierende „Strömung, deren Anhänger
die sogenannten .Vernunftsrepublikaner' sind" (VIII). Während
J. Jacke (Kirche zwischen Monarchie und Republik. Der
preußische Protestantismus nach dem Zusammenbruch von
1918, Hamburg 1976) das institutionell-interessenpolitische Kalkül
mitsamt seiner rechtlich-finanziellen Absicherungstendenz
der altpreußischen Kirchenführung in einer sonst über die
Frühphase der Republik bis 1924 vorzüglich orientierenden
Arbeit mitunter zu stark akzentuiert und etwas isoliert und einseitig
hervorhebt, wird bei J. Wright die Traditionsbestimmtheit
der Betonung spezifisch kirchlicher Interessen aufgewiesen,
die die Bindung an den Summepiskopat als Schutzfunktion gegenüber
katholischen Interessen wie auch antiklerikaler Beeinflussung
durch den preußischen Landtag verstand. Außerdem
wird das ansatzmäßig schon bei dem EOK-Präsidenten
Moeiler aufgewiesene und bei Kapler (1925-1933) zumal während
der Stabilisierungsphase der Weimarer Republik durchschlagende
„Vernunftrepublikanertum" in der APU- wie DEKA-
Führung besonders akzentuiert. Tatsächlich wird die vornehmlich
aus Äußerungen der konservativen Kirchenpresse gewonnene
Meinung von einem durchgängig generellen Spannungsverhältnis
zwischen evangelischer Kirche und Weimarer Staat
einer etwas differenzierteren Urteilssicht weichen müssen, die