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Ausgabe:

1979

Spalte:

836-837

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Eck, Johannes

Titel/Untertitel:

In primum librum sententiarum annotatiunculae D. Iohanne Eckio praelectore 1979

Rezensent:

Moeller, Bernd

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 11

Gotha statt Goslar (172). B. bezeichnet seine Darstellung als
„Zwischenbilanz" (19). Als solche ist sie ohne Zweifel der gewichtigste
Beitrag im Jubiläumsjahr 1975.

Noch bevor B.s Darstellung auf dem Markt war, organisierte
ihr Verfasser das Memminger Jubiläumssymposium, an
dem sich 30 Forscher beteiligten. Die Konzeption entsprach
B.s Interesse an den Forschungsprioritäten Ursachen-Ziele-
Folgen. Vorgeschaltet wurde der Problemkreis „Europäische
Revolten", der durch F. Graus' Oberblicksskizze zum krisenhaften
Charakter des europäischen Spätmittelalters (10-30:
Vom „Schwarzen Tod" zur Reformation) eröffnet wird. R. Hii-
ton macht darauf aufmerksam, daß mit einem Einfluß Wycliffs
auf die „Soziale(n) Programme im englischen Aufstand von
1381" (31-46) nicht zu rechnen ist. F. Seibis Sicht in seinem
Vergleich zweier revolutionärer Bewegungen (47-61: Die hus-
sitische Revolution und der deutsche Bauernkrieg) ist zu stark
auf die Konzeption einer ständischen Revolution eingeengt.
Er läßt den Bauernkrieg nur als Vorstufe einer Revolution
gelten. P. Gunst möchte in seinem agrargeschichtlich orientierten
Überblick über den „ungarische(n) Bauernaufstand von
1514 (62-83) den Aufstandsausbruch mehr einem Zufall (plötzliche
Absage des Türkenkreuzzuges) zuschreiben. A. Laube
(84-98: Die Volksbewegungen in Deutschland von 1470 bis
1517. Ursachen und Charakter) betont, von der Konzeption
der frühbürgerlichen Revolution ausgehend, das Heranreifen
einer umfassenden Krise seit dem letzten Drittel des 15. Jh.
und plädiert für eine komplexere Sicht der spätmittelalterlichen
Volksbewegungen (Bauern, Städte, Bergbaugebiete, Anti-
monopolbewegungen usw.).

Teil 2 (Ursachen des Bauernkrieges) ist die größte Zahl
der Referate zugeordnet. Voran stehen kritische Beleuchtungen
der marxistischen Position und der Bauernkriegsforschung
der Bundesrepublik, jeweils aus der Sicht eines Kontrahenten.
R. Wohlfeil (100-114: „Bauernkrieg" und „frühbürgerliche Revolution
") referiert vor allem die Diskussion über die Konzeption
der frühbürgerlichen Revolution unter den marxistischen
Historikern in den letzten Jahren und betont, trotz aller
Divergenzen sei es „unumgänglich, sich mit den Fragestellungen
der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft zu
befassen" (114). Auch M. Steinmetz arbeitet in seinen „Kriti-
sche(n) Bemerkungen zur Bauernkriegsforschung in der Bundesrepublik
Deutschland" (115—126) die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten
in den Positionen heraus und plädiert
seinerseits für eine umfassende gegenseitige Kenntnisnahme
der Forschung. P. Blickles „Thesen zum Thema - Der .Bauernkrieg
' als Revolution des ,gemeinen Mannes'" (127-131) bieten
einen Extrakt seiner Monographie. Die 12. These (131:
„Der Bauernkrieg scheiterte als Revolution, weil die Anliegen
des gemeinen Mannes und die der Reformatoren nicht zu vereinheitlichen
waren") weist sich erneut als unzulässige Vereinfachung
aus. D. Sabean möchte am Beispiel Oberschwabens
(132-150: Probleme der deutschen Agrarverfassung zu
Beginn des 16. Jahrhunderts) vor allem auf die differenzierte
Sozialstruktur des Dorfes, ihre Ursachen (z. B. Bevölkerungsanstieg
, Landweberei) und Folgen und auf ihre Bedeutung
für den Bauernkrieg aufmerksam machen. Die „Zünfte und
Unterschichten als Elemente der Instabilität in den Städten"
(151-170) untersucht R. Endres. Er weist darauf hin, daß u. a.
Stadtqröfse und Wirtschaftsgefüge Ursachen für das soziale
Gefälle sind und daß nur „bei den antiklerikalen reformatorischen
Bestrebungen weitgehende Obereinstimmung in allen
Bevölkerungsschichten herrschte", nicht aber bei den radikalen
(169). K. H. Burmeister zeigt auf, wie sich auf dem Weg zum
Territorialstaat die Rechtssetzung als moderne gegenüber der
traditionellen bäuerlichen Form der Rechtsfindung durchsetzte
(171-185: Genossenschaftliche Rechtsfindung und herrschaftliche
Rechtssetzung). Seine These, daß es den aufständischen
Bauern mit der Berufung auf das göttliche Recht „in Wirklichkeit
nicht um das positive Recht der Bibel, sondern um das
Naturrecht" ging (183), bedarf sicher noch der Überprüfung.
P. Baumgart möchte den seit einiger Zeit nur peripher zur
Kenntnis genommenen religiösen Faktor bei der Ursachenanalyse
der Ereignisse von 1525 angemessen mit zur Sprache

bringen (186-204: Formen der Volksfrömmigkeit - Krise der
alten Kirche und reformatorische Bewegung). Er zeigt, daß die
Volksfrömmigkeit um 1500 „ein besonders geeigneter Nährboden
für religiös-soziale Bewegungen und Revolten" war
(198). Seine Behauptung, daß sich im Bauernkrieg „der gemeine
Mann von der reformatorischen Basis löste bzw. sie nur
noch als Schlagwort zur Durchsetzung seiner politisch-sozialen
Interessen gebrauchte" (204), ist in dieser Vereinfachung
nicht akzeptabel.

Im 3. Teil (Programme und Ziele des Bauernkrieges) kommt
G. Vogler, unbeschadet eines anderen Revolutionsverständnisses
und einer teilweise anderen Argumentation, in seinem Referat
über den „revolutionären Gehalt und die räumliche Verbreitung
der oberschwäbischen Zwölf Artikel" (206-231) im
ganzen zu ähnlichen Ergebnissen wie Blickle. Eine ganze
Reihe von kritischen Anfragen an Methode (additive, undifferenzierte
Quellenverwertung) und Ergebnisse provoziert der
Beitrag W. Beckers (232-263: „Göttliches Wort", „Göttliches
Recht", „göttliche Gerechtigkeit". Die Politisierung theologischer
Begriffe?). B. wirft schließlich den Bauern sogar vor, dadurch
daß sie die Zwölf Artikel mit dem Willen Gottes identifizierten
, hätten sie „das komplizierte Vermittlungsverhältnis
zwischen Rechtsverhältnissen, Moral und christlich-theologischer
Welterklärung" zerschlagen und seien somit „hinter die
Aufklärung des Mittelalters" zurückgegangen (261f). W. Müller
(264-272: Freiheit und Leibeigenschaft - soziale Ziele des
deutschen Bauernkriegs?) wendet sich in der Kurzfassung
seiner Studie (Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees
und seiner Umgebung, 1975 H. 93) gegen eine monokausale
Erklärung der Leibeigenschaft und der Forderung nach
ihrer Beseitigung. H. Buszello, der gleichfalls für eine
multiperspektive Betrachtungsweise eintritt, kommt in seinem
Überblick über „Die Staatsvorstellung dos .gemeinen Mannes'
im deutschen Bauernkrieg" (273-295) zu dem Ergebnis, daß
bei den Aufständischen „ein Bündel unterschiedlicher Konzeptionen
" anzutreffen ist (274). Nur die auf den unmittelbaren
Lebensbereich des gemeinen Mannes gerichteten Bestrebungen
wurden von der Menge der Aufständischen vertreten.

Der 4. Teil (Folgen des Bauernkrieges) enthält nur P. Blickles
Beitrag „Die politische Entmündigung des Bauern. Kritik
und Revision einer These" (298-312), dessen Ergebnisse
sich im wesentlichen mit denen seiner Monographie decken.

Durch das angefügte Ergebnisprotokoll von der Tagungs
diskussion erhält der Leser noch einmal einen lebendigen Eindruck
von der Fülle der Varianten, die gegenwärtig in den
Grundsatzfragen und bei Einzelaspekten der Bauernkriegsforschung
im Spiel sind. Dem zielstrebigen Organisator des
Symposiums gebührt Dank, daß diese Bestandsaufnahme möglich
wurde. Der Forschung sind zugleich wichtige Aufgaben
gestellt worden, zu deren Lösung wohl auch eine engere Arbeitsgemeinschaft
der verschiedenen Forschungsrichtungen als
bisher notwendig sein wird. Nachdenklich stimmt, daß die
Beteiligung der Kirchenhistoriker am Memminger Symposium
so gering gewesen ist.

Druckfehler: Thüringen statt Thüringer Wald (145); 2 Bdc bei Paterna statt
bei Mittenzwei (167 Anm. 66): .in Frankcnhnusen" statt ..in Mühlhauren"
(252 Anm. 132).

Krummenhennersdorf Siegfried Bräuer

Moore, Walter L„ Jr. [Ed.]: In Primutn Librum Sententiarum
Annotatiunculae D.Johanne Eckio Praelectore. Anno ab Christo
nato 1542, per dies caniculares, quos alioqui a studii?
gravioribus feriari solebat. Leiden: Brill 1976. XIII, 146 S.
gr. 8° = Studies in Medieval and Reformation Thought, XIII.
Lw. hfl. 96.

Der in diesem schmalen Band erstmals publizierte Text
könnte von den Voraussetzungen her sensationell sein - Vorlesungen
des Ingolstädter Theologieprofessors Eck über das
L Buch der Sentenzen, gehalten laut Überschrift in der handschriftlichen
Vorlage „in den Hundstagen 1542, wo sonst Universitätsferien
zu sein pflegten" - also ein Spätwerk des doch