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Ausgabe:

1979

Spalte:

820-821

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schweizer, Eduard

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Kolosser 1979

Rezensent:

Lohse, Eduard

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81t»

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 11

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comprcndre aux chretiens de ce temps, cn tenant compte des
problemes qu'il leur fallait alors resoudre, comment ils dc-
vaient vivre pour etre definitivement justifies lors du dernier
jugement, mis en possession de la vie eternelle, sauves"; die
eigene Konzeption des Vf. zeigt sich jedoch bereits, wenn -
ausgehend von Rom 1,11 und 15 - die Absicht des Apostels
in seinem Brief an die Römer als ein „forlifier et evangeliser
les chretiens de Rome" bestimmt, der Römerbrief insgesamt
dementsprechend als ein durchaus auf eine bestimmte Situation
und bestimmte Probleme („erreurs"!) innerhalb der römischen
Gemeinde ausgerichtetes Mahnschreiben verstanden
wird (so bes. 19-23: „Intentions de Paul et But de l'epitre"),
mit dem Ergebnis denn auch der vollständigen - die Grußliste
in Rom 16, 1-23 ebenso wie die Doxologie in Rom 16, 25-27
einschließenden - literarischen Integrität (16f: „Rien n'empechc
donc, semble-t-il, de regarder l'ensemble de l'epitre comme
l'oeuvre de l'apötre Paul, adressee par lui, dans sa forme
actuelle, aux chretiens de Rome"). Dem entspricht dann auch
die Kommentierung im einzelnen, derzufolge es sich z. B. bei
Rom 13, 1-7 keineswegs um eine Interpolation handelt (273)
und derzufolge in dem paränetischen Abschnitt Rom 12, 1-15,
13, mit seinen sehr konkreten Bezugnahmen auf bestimmte
Probleme in den Kapiteln 14 und 15 nichts anderes als eine
Entfaltung der Grundaussage vom „Gehorsam des Glaubens"
in Rom 1,5 vorliegt (255).

Der Kommentar selbst wirkt sehr geschlossen, was gewiß
auch damit zusammenhängt, daß zwar mitunter andersartige
Auffassungen erwähnt werden, im übrigen jedoch auf eine
Auseinandersetzung mit der Literatur zum Römerbrief verzichtet
wird (charakteristisch dafür ist bereits die sehr schmale
Bibliographie: 29-31). Religionsgeschichtliche Fragestellungen
spielen nur am Rande bzw. zu einigen wenigen Stellen (z. B.:
2,14-16 und 6, lff) eine Rolle. Auffällig ist auch, daß traditionsgeschichtliche
Erwägungen zu der neuerdings besonders im
protestantischen Bereich erörterten Frage, in welchem Maße
Paulus gerade in seinem Römerbrief auf ältere vorpaulinische
Formulierungen des Glaubens zurückgreift, mitunter zwar
angedeutet werden (so z. B. zu Rom l,3f.: S. 34f zu Rom 4,25:
S. 123f), für die Auslegung selbst aber kaum fruchtbar gemacht
werden. Der Hauptakzent im vorliegenden Kommentar
liegt demgegenüber auf dem Versuch, den Römerbrief aus
sich selbst (vgl. die ständigen Querverweise), aus der pauli-
nischen bzw. überhaupt aus der biblischen Überlieferung zu
verstehen und zu erklären. In diesem Sinne handelt es sich
bei dem vorliegenden Kommentar in der Tat um einen „biblischen
Kommentar" zum Römerbrief, insofern um ein beachtenswertes
Unternehmen, an das freilich auch kritische
Fragen zu stellen sind. Dies gilt einmal im Blick darauf, daß
die Auslegung mitunter kaum über eine Paraphrase des Textes
- angereichert und aufgefüllt durch Verweise auf die biblische
Überlieferung - hinauskommt; und dies gilt zum anderen
auch im Blick darauf, daß hinsichtlich der paulinischen
bzw. biblischen Überlieferung (außerhalb des Römerbriefes)
kaum differenziert wird: Hier liegt im Grunde alles auf einer
Ebene. Aussagen aus dem Alten Testament, aus den Evangelien
und aus der Apostelgeschichte sowie aus dem Corpus
Paulinum (einschließlich der Deuteropaulinen!) werden unterschiedslos
und ohne traditionskritischc Differenzierung herangezogen
, um die sehr konkrete Absicht des Paulus im Römerbrief
zu erklären. Ein gewisser Widerspruch zur eigenen
Absicht des Vf., den Römerbrief des Paulus als ein auf eine ganz
bestimmte Situation in der römischen Gemeinde bezugnehmendes
Mahnschreiben zu verstehen, ist gerade hier unverkennbar
. - Auf einen besonderen Aspekt des Kommentars sei
abschließend wenigstens noch hingewiesen: Von seinem Verständnis
der Absicht des Paulus im Römerbrief her gelangt
der Vf. u. a. zu der Auffassung, daß zwischen Rom 3, 20 und
3,21ff kein entscheidender Einschnitt vorliegt, daß vielmehr
die Kapitel 3 und 4 insgesamt das Thema erörtern: „Rien ne
distingue plus les Juifs et les Gentils devant Dieu" (24; zur
Begründung vgl. 14 und 26f). Dem Abschnitt Rom 3,21-26
wird somit nicht mehr ein für den ganzen Brief zentraler
Stellenwert beigemessen. Dazu ließe sich in der Auseinandersetzung
mit dem Vf. sicherlich mancherlei Kritisches sagen;
immerhin mag sich angesichts solcher Auffassung insbesondere
die protestantische Exegese fragen lassen, ob nicht möglicherweise
ihr Verständnis von Rom 3,21ff als dem schlechthin
zentralen Abschnitt des Römerbriefes weniger aus dem
Römerbrief selbst als vielmehr durch ein bestimmtes Vorverständnis
begründet ist? Mit alledem gewinnt der Kommentar
von A. Viard gewiß nicht den Charakter eines „theologiegeschichtlichen
Ereignisses" (so W. G. Kümmels Urteil über
E. Käsemanns Kommentar in ThLZ 99, 1974 Sp. 482); als ein
Versuch, den Römerbrief als Dokument paulinischer Theologie
aus der paulinisch-biblischen Tradition selbst zu verstehen,
verdient er jedoch auch den größeren und in gewisser Hinsicht
originelleren Kommentaren gegenüber beachtet zu werden
.

Rostock Hans-Friedrich Wcifj

Schweizer, Eduard: Der Brief an die Kolosser. Zürich-Einsie-
deln-Köln: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag
des Erziehungsvereins [1976]. 230 S. gr. 8° = Evangelisch
-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament.

Mit E. Schweizers Erklärung des Kolosserbriefes wird der
zweite Band des EKK vorgelegt. Die Auslegung will, der Bestimmung
dieser Reihe entsprechend, ökumenisch, zugleich
aber auch theologisch und bewußt historisch sein. Der Vf.
vollzieht eine sorgfältige Einzelexegese und arbeitet deutlich
das Problem heraus, daß in dieser Sdirift des Neuen Testaments
paulinische und nachpaulinisch anmutende Aussagen
in einem eigentümlichen Verhältnis zueinander stehen. Da
seines Erachtens gegen eine nachpaulinische Abfassung zu
nächst die Tatsache spricht, „daß Kolossä nach 61 n. Chr. zerstört
und nur in unbedeutendem Maße wieder besiedelt zu sein
scheint" (23), sucht er nach einer Lösung, nach der die Entstehung
des Briefes noch zu Lebzeiten des Apostels denkbar
sein könnte. Die Grußliste 4,7-18 trägt seines Erachtens authentische
Züge, so daß die „eher nebenbei zugefügten Charakterisierungen
der Gegrüßten und Grüßenden als Empfehlungen
von Paulusschülern" nicht verständlich werden (24).
„Eine derart raffinierte Fälschung ausgerechnet bei einem
Brief, der noch in nächster Nähe zu Paulus . . . anzusetzen
wäre", bliebe unbegreiflich (ebd.). „Ist der Brief demnach
weder paulinisch noch nachpaulinisch, was ist er dann? Die
Grenzen zwischen Echt und Unecht können nicht mehr mit
gleicher Strenge gezogen werden, wie noch vor einigen Jahrzehnten
." (25) Die Antwort auf diese Fragen will Schweizer
in dem Vorschlag finden, Timotheus, der Kol 1,1 als Mitabsender
genannt ist, habe im Auftrag des Paulus zu seinen
Lebzeiten den Brief abgefaßt. Da der Apostel durch seine Haft
daran gehindert war, der Gemeinde zu schreiben, habe sein
Schüler an seiner Stelle zur Feder gegriffen. Freilich sei „die
Verfasserschaft des Timotheus nicht zu beweisen, sondern
höchstens wahrscheinlich zu machen" (27). Immerhin aber
lasse diese Annahme verständlich werden, warum der Verfasser
des Kol „weithin in theologischen Gedankengängen
und im Stil des Paulus" lebt (26), „aber gerne auch traditionelle
Elemente wie den Hymnus und dessen liturgische Einführung
oder die Haustafel aufgenommen" habe (26f). Für
die Entstehung des Briefes wird dann wie für den Phlm die
ephesinische Gefangenschaft des Paulus als die wahrscheinlichste
Situation angenommen (28).

Mit dem Namen des Timotheus ist jedoch lediglich ein Vorschlag
zur Diskussion gestellt, der nicht mehr als eine bloße
Vermutung sein kann. Zu fragen bleibt, ob wirklich die
Abfassung des Kol in die frühe Zeit Mitte der 50er Jahre
angesetzt werden kann. Zurücktreten der Eschatologie, Fortentwicklung
der Christologie, Ausführung der Ekklesiologie
und Ausgestaltung der Paränesc, u. a. durch die Haustafel,
widersprechen der Annahme so früher Entstehung.

Sowohl in der Einzelcxcgcsc als auch in der Gesanitintcr-
pretation, wie Schweizers Kommentar sie entwickelt, spielt