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Ausgabe:

1979

Spalte:

804-805

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hentschel, Georg

Titel/Untertitel:

Die Elijaerzählungen 1979

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 11

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4) St. deutet die Formel wajjehi ken nicht als Bestätigung

lur den Vollzug des Wortes „und es ward so", sondern
als Feststellung folgerichtiger Entsprechung von Ankündigung
und Ausführung „und dementsprechend geschah cs".'; Dennoch
ist auch das eiste Verständnis gut begründet, wenn man bedenkt
, daß die Priesterschrift einerseits den Vollzug einer Anordnung
Gottes mit der ganz ähnlichen Wendung „und sie
taten so" (Ex 7, 10.20; 14,4; 16, 17 u. a.) beschreiben, andererseits
Gen 1,3 „und es ward Licht" als Abwandlung jener
Formel verstehen kann. Müssen sich beide Deutungsmöglichkeiten
überhaupt ausschließen, sollte die Formel nicht beide
Funktionen haben können?

5) Darüber hinaus könnten die priesterschriftlichen Plagen-
erzählungcn als Berichte von wunderbaren Entstehungs- und
Wandlungsvorgängen eine Hilfe zum Verständnis von Gen 1
bieten, obwohl die Schöpfungsgeschichte einen einmaligen, ur-
anfänglichen Schöpfungsakt beschreibt. Dort findet sich etwa das
aus Gen 1,12.24 vertraute „Hervorbringen" wieder (Ex 8, 14;
vgl. 7,21 mit Gen 1,3 „und es ward"). Mit der Strafe der „ägyptischen
Finsternis" (Ex 10,21f) scheint Gott eine seiner Schöpfungsgaben
in Ägypten für drei Tage zurückzunehmen. Der
ältere jahwistische Überlieferungsstrang enthält außerdem das
Verb „wimmeln" in der in Gen 1,20 so umstrittenen Bedeutung
„entstehen lassen" (Ex 7,28, wo ebenfalls Wasser Satzsubjekt
ist).

St. zeigt auf, wie der vorliegende Text von Gen 1 in die
Priesterschrift integriert ist - dies ist das Verdienst der eindringlichen
Darstellung und ihres intensiven Nachdenkens
über Wille und Absicht der Priesterschrift. Daß die Arbeit auch
den Werdegang der Schöpfungsgeschichte angemessen erklärt,
erscheint mir aber zweifelhaft. St. unterscheidet zwischen Über-
lieferungs- und Traditionsgeschichte. Handelt es sich überhaupt
um zwei Methoden? Liegt nicht vielmehr eine
Fragestellung vor, die auf das bei der Schriftwerdung vorgegebene
mündliche Gut zurückzuschließen sucht, wie immer dies
ausgesehen haben mag? Beide Fragerichtungen lassen sich vor
allem dort schwer voneinander abheben, wo ein Text - wie doch
wohl Gen 1 - nicht nur isolierte Einzelvorstellungcn, sondern
einen Vorstcllungs Zusammenhang mit einem Handlungsablauf
aufgreift.7 Wie ist methodisch eine derart ausgeführte
Vorstellung mit einer Handlungsfolge (und umfangreicherem
Sprachschatz) von einer Überlieferung zu unterscheiden? Es
ist m. E. überhaupt sachgemäßer, nur eine Methode anzunehmen
, eben die Überliefcrungsgeschichte (bzw. gleichbedeutend
Traditionsgeschichte), die selbstverständlich verschiedene
Ergebnisse erzielen kann.

Kicl-Marburg Werner H. Schmidt

1 243 (ff). St. setzt sich mit dieser Auffassung - wie überhaupt in groljen
Teilen seines Buches - mit meiner Habilitationsschrift -Die Schöpfungsgeschichte
der Priesterschrift" (1964. :,1974) auseinander, in der ich den Text von
Gen 1 als Erweiterung und Korrektur einer älteren Überlieferung zu verstehen
suchte.

C. Westermann hat in seinem Kommentar zwar Kritik geübt, ist jener Rekonstruktion
aber in wesentlichen Punkten gefolgt (vgl. St. 27'"). In diesem
Zusammenhang möchte ich O. H. Steck noch einmal meinen herzlichen Dank
aussprechen, weil er in seinem mit Akribie und Leidenschaft geschriebenen
Werk meine Darstellung nicht nur verständnisvoll zitiert, sondern mir auch
in seine Arbeit vor ihrer Publikation Einsicht gab (vgl. das Vorwort).

- Vgl. etwa die Deutung der Syntax (St. 74ff), die Erklärung von 1,24
(St. 121f) oder die Erwägungen über die Frage, ob P in Gen 1 nicht doch
an ein Menschenpaar denkt (St. 66. 154f).

I EvTh 36, 1976, 250 mit Anm. 6.
Ist es darum wahrscheinlich, dafj ein solches Gefüge wie Gen 1 Werk
eines Verfassers ist?

5 Die Frage, ob die vorgegebene Überlieferung noch rekonstruierbar ist, mag
hier offen bleiben. Die in Gen 1 auffällige Rangfolge, nach der die Pflanzen
vor den Gestirnen entstehen, läöt sich überlieferungsgcschichtlich damit erklären
, dafj Gen 1, 9-12 die Vorstellung von der aus dem Wasser auftauchenden
Insel aufgreift, auf der sogleich die ersten Pflanzen spriefjen. Sollte P
der vorgegebenen Reihe der Werke die Erschaffung des Lichts vorangestellt
haben?

I 32ff u. ö. Ist es überzeugend, wenn St. die Wendung jehi „es werde'sei"
in Gen 1,3.6.14 verschieden interpretiert (vgl. 77™. 162)? - Zum Formelgut
in Gen 1 vgl. L. Monsengwo Pasinya, Bibl 57, 1976, 225-241.

7 Dafj hier ein prinzipielles Problem vorliegt, zeigt in gleicher Weise die
Auffassung von O. H. Steck zu Gen 2 (Die Paradicscrzählung, 1970. 51ff);
denn er bestreitet m. E. zu Unrecht, dafj der Jahwist in Gen 2 eine Überlieferung
mit vorgegebener Handlungsfolge (Erschaffung des Menschen -
Tiere - Frau) aufgreift.

Hentschel, Georg: Die Elijaerzählungen. Zum Verhältnis von
historischem Geschehen und geschichtlicher Erfahrung. Leip
zig: St. Benno-Verlag 1977. XXVII, 370 S. gr. 8° = Erfurter
Theologische Studien, 33. Kart. M 28.-.

Die Elia-Erzählungen in den Königsbüchern haben, als ein
Zeugnis aus der ältesten Phase alttestamentlicher Prophetic,
schon reichliche exegetische Aufmerksamkeit gefunden.' Der
Untertitel der vorliegenden Arbeit verrät das Interesse des
Vf. an dem hinter dieser Überlieferung stehenden historischen
Geschehen wie an dem Verhältnis zwischen historischen Ereignissen
und Überlieferung. Er leistet damit einen originellen
Beitrag zur laufenden geschichtshermeneutischen Diskussion
in der alttestamentlichcn Wissenschaft.- Allerdings wird bis
zu den hierher gehörigen grundsätzlichen Erwägungen
(VII, C, 338-355) ein weiter Weg zurückgelegt: in Anlehnung
an die in der katholischen Forschung schon fast normativ
gewordene Methodik von W. Richter1 werden die von Elia
handelnden Abschnitte der Königsbücher (2 Kön 1,2-17 a«;
1 Kön 21,1-29, 1 Kön 17,1-19. 18. 19-21) zunächst in den methodischen
Schritten von Literarkritik (I, 9-92), Form- und
Gattungskritik (II, 93-118), Traditionskritik (III, 119-201) und
Redaktionsgeschichte (IV, 202-242) eingehend untersucht, ehe
ihr theologischer Gehalt (V, 243-274) und das sich in ihren
älteren und jüngeren Schichten widerspiegelnde historische
Geschehen (VI, 275-323) zur Sprache kommen. Die Arbeitsweise
ist, wie in dieser Methodik üblich, minutiös; ein Durchgang
durch das Ganze gelingt Vf. und Lesern nur aufgrund
des geringen Umfanges des Textmaterials. Schon in der htc-
rarkritischen Phase werden vermutete innere Unausgeglichenheiten
der Texte scharfsinnig aufgespürt und dadurch der jeweilige
Werdegang der einzelnen Abschnitte von einem
literarisch ältesten Kern (2 Kön 1,2-8. 17 aa; 1 Kön 17,5 b-7.
10-15; 17, 17 a/J-24a*; 17,1*; 18, 2b-46*; 19,3 a/J-18
21,l-20ba) über verschiedene vordeuteronomistische Erweitc-
rungsstufen, die auch sekundäre Überleitungen zwischen den
anfangs voneinander unabhängigen kleinen Einheiten schufen,
und geringe deuteronomistische Zusätze zu den in den deu-
tcronomislischen Rahmen eingepaßten Gesamt-Erzählungs-
abschnitten (nach W. Richter: „Novellen", vgl. A. 616) verfolgt
. Die traditionskritische Analyse (die große Schwierigkeit
, die auch der Vf. zugibt [A. 244; vgl. auch S. 126], besteht
in einer klaren Abgrenzung zwischen Literar- und Traditionskritik
) bringt weitere Abstufungen, die als Urzellen der
Erzähltradition die Fragmente 1 Kön 18,21. 30 (33?). 40;
18,42 b. 45f; 17,14a; 21,16. 20a. ba; 2 Kön 1,2. 5-8; 1 Kön
19,9 a. 11 aß - 15 aß''. 18 sowie als eine relativ spät angelagerte
Szene 1 Kön 17, 18 aß - 19.21aa. bß. 22 b-24 a voraussetzen
.

Die Elia-Erzählungen stehen nach Hentschel in ihrer derart
ermittelten Urform den Ereignissen recht nahe und sind selbst
in der ersten Redaktionsstufe noch vordeuteronomistisch. Der
Vf. glaubt sich durchaus in der Lage, aufgrund des nach
Schichtung, Gattungen und vermuteter Entstehungszeit geordneten
Materials ein Bild des historischen Hintergrundgcsche-
hens gewinnen zu können. Besonders die Charakterisierung
der Ahasjaerzählung, Nabotgeschichte und Dürrecrzählung
als „politisch-kritische" Prophetenerzählungen im Unterschied
zu den (späteren) Wundererzählungcn und der mit einer Epi-
phanic verbundenen eigenständigen Klagcerzählung in 1 Kön
19* (der vom Vf. ein historischer Platz am Ende des Wirkens
Elias eingeräumt wird!) erlauben eine zeitgeschichtliche Zuordnung
. Hier muß man sich allerdings klarmachen, daß die
Konstruktion einer verhältnismäßig geradlinigen Entwicklung,
die der Vf. zeichnet (336ff), auf dem schwankenden Fundament
einer zwar weithin scharfsinnigen, aber doch letztlich
hypothetischen Textanalyse ruht, bei der einige Grundentscheidungen
, wie die Trennung zwischen dem Auftritt Elias
auf dem Karmel und der Dürre, die „Entlastung" Isebels von
dem Nabotverbrechen sowie die Annahme einer Entwicklung
des Verhältnisses zwischen Ahab und dem Propheten von ursprünglich
positivem Zusammenwirken zu späterer Feindschaft
durchaus hinterfragbar bleiben. Einiges, wie die ange-