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Ausgabe:

1979

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 10

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punkte bieten Praengers Thesen genug, besonders die, daß der
postulierte „Hochmeister", der vermutete Auftraggeber der ketzerischen
Bilder, der ehemalige Judenehrist Jacob von Almaengien
gewesen sei, der am 15. 12. 1490 in Hertogenbosch als Philipps van
Siut Jan in die katholische Kirche eintrat und sich in Gegenwart
des Herzogs Philipp des Schönen von Brabant taufen ließ, wobei
der Herzog und zwei seiner Kammerherrn als seine Taufpaten
fungierten. In einer Akte der Liebfrauenbruderschaft von Horto-
genbosch, in die der Getaufte eintrat, wird er als „Meester", das
heißt als Magister bezeichnet; er war also ein Mann mit einem akademischen
Grad. Ein solcher Mann konnte gewiß ein Vermittler
gnostischcr lliten, jüdischen Brauchtums und mittelalterlicher
sektiererischer Mysterienweisheit sein. Wir halten Praengers These
für begründet, weil Bosch aus sich heraus das esoterische Wissen
nicht haben konnte und weil in seinem Umkreis kein anderer zu
linden ist, der Almaengien ähnlich gewesen sein könnte.

Zu der religionsgeschichtlichen Bedeutung Boschs gehört auch
dies, daß er von Rundbildern auf Meditationstafeln regen Gebrauch
gemacht hat. Bas besto Beispiel ist die Tischplatte der sieben
Todsünden im Escorial. Fraenger vermutet einen Traditions-
zusammenhang mit indisch-tibetanischen Mandalaübungen; sie
seien auf den Wanderstraßen des Manichäismus zum Abendland
gelangt. Das erschütternde Bild des Verlorenen Sohnes ist Rundbild
; Praengers meditative Worte zu ihm sind wohl das Schönste
und Ergreifendste, das wir seiner Feder verdanken. Zwei weitere
Beispiele bietet das Triptychon des Tausendjährigen Reiches. Der
runde Lebensweiher, um den der triumphale Ritt der Lebensfreude
führt, hat sein schauerliches Gegenspiel in der runden Kloake des
Höllenflügels.

Genug der Hinweise auf das kirchengeschichtlich Ungewöhnliche
und einsam Stehende in den Bildwerken Boschs! Der immense
Reichtum, der dem Fachmann der Kunstgeschichte daneben geboten
werden dürfte, wird hier nicht weiter angedeutet. Erwähnt
aber sei, daß auch für die geschichtliche Volkskunde durch Fraenger
, einen Experten dieses Gebietes, viel erschlossen ist. Wir heben
auch seine Bibelkenntnis rühmend hervor; man vergleiche im Register
das Stichwort ,, Bibel und Bibel umkreis". Fraenger gehörte
zu den vielseitig gebildeten Gelehrton unserer Zeit. Was nicht zuletzt
allen Beurteilorn aufgefallen ist, ist der Glanz seiner Schreibweise
, der ihn zu den besten Stilisten unserer Zeit zurechnen läßt.

Der Verlag hat nichts gespart, um das große Sammelwerk repräsentativ
auszugestalten. Das Bildmaterial ist erheblich über das
erweitert, was die Erstveröffentlichungen darbieten konnten. Mit
ihrer Wiedergabe ist allerdings eine Schwierigkeit für den Leser
verbunden, der eine Einführung in Form einer fortlaufenden Folge
von Einzelerklärungen erwartet. Fraenger zog jeweils im Text der
Erstveröffentlichungen auch andere als die gerade zum Thema erhobenen
Bildwerke heran, in langen Exkursen, die unter der Hand
zu selbständigen Untersuchungen wurden. Auch "Werke anderer
Meister wurden zum Vergleich herangezogen, vor allem solche von
Bieter Breugel d. Ä. Wer erwartete Bildbesprechungen vermißt,
sollte immer das Register befragen. Kleinere technische Paimon
bei der Einfügung von Bildtafeln wird man über der Dankbarkeit
für das große Werk vergessen.

Wer über die ungewöhnlich reiche Persönlichkeit Praengers
Näheres erfahren will, sei auf das Nachwort verwiesen, das Ingeborg
Baier-Fraenger dem Band 47/48 der Fundusbücherei des Verlages
der Kunst in Dresden („Wilhelm Fraenger, Von Bosch bis
Beckmann", 1977) beigegeben hat. Außerdem sei der Nachruf auf
Fraenger von Ingeborg Weber-Kellermann in „Hessische Blätter
für Volkskunde", Bd. 55, 1964, S. 327-330, genannt. Eine vollständige
Bibliographie der gedruckten und ungedruckten Schriften
Praengers erschien in „Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und
Bibliographie", 49, 1973, S. 45 ff.

.Rostock Gottfried Holtz

Aland, Kurt: Martin Luther in der modernen Literatur - und in

unserer Gemeinde (Luther 49, 1978 S. 25-42).
Breit, Herbert: Alttestamentliche Gestalten in modernen Romanen

und Erzählungen (Bh EvTh 23, 1978 Heft 1 S. 4-21).
Wallmann, Jürgen P.: Johannes Bobrowski und seine Dichtung

(Univ. 33, 1978 S. 261-266).

Philosophie, Religionsphilosophie

Jacschke, Walter: Die Suche nach den eschatologischen Wurzeln
der Geschichtsphilosophie. Eine historische Kritik der Sakulan-
sierungsthese. München: Kaiser [1976J. 349 S. gr. 8Q = Beiträge
zur evangelischen Theologie. Theologische Abhandlgn., 76.
DM 46,50.

Anzuzeigen ist hier ein hochinteressantes, beinahe alle theologischen
Disziplinen in Teilbereichen erforschendes, klar profiliertes,
thesenfreudiges, anregendes, provozierendes Buch! Die zentrale
These der Arboit: die Suche nach den oschatologischen Wurzeln
der Geschiehtsphilosophie erweist sich als vergeblich, Säkularisierung
hat nicht stattgefunden. Die „Behauptung" Löwiths, „daß
die moderne Geschiehtsphilosophie dem biblischen Glauben an eine
Erfüllung entspringt und daß sie mit der Säkularisierung ihres
eschatologischen Vorbildes endet", diese Säkularisierungsthese (16)
wird am Material des Alten Testamentes, der spätjüdischen Apoka-
lyptik und des Neuen Testamentes einer historischen Kritik unterzogen
mit dem Ergebnis, daß sie sich der Rotrojektion neuzeitlicher
Geschiehtsphilosophie in dio biblischen Stoffe verdanke (179),
nicht aber an ihnen selbst festgemacht werden könne. Dort, wo
sich erstmals - etwa bei Clemens von Alexandrien und Origenes -
so etwas wie eine theologische Gesehichtskonzeption abzeichnet,
die allenfalls hätte säkularisiert werden können, läßt sich platonische
Herkunft wahrscheinlich machen. Neuzeitliche (Jeschiehts-
philosophie als Säkularisat antik-platonischer in frühchristliche
geschichtstheologische Konzeptionen eingeflossener Vorstellungen,
das wäre eino diskutable Fragestellung, neuzeitliche Geschiehtsphilosophie
aber als Säkularisat christlicher Substanz ist eine
haltlose Konstruktion.

Die Arbeit, die 1974 vom Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften
der Westberliner Universität als Dissertation entgegengenommen
wurde, versteht sieh als historisch breit angelegter
Gegenentwurf zu Löwiths eingebürgerter Deutung von den theologischen
Voraussetzungen neuzeitlicher Geschiehtsphilosophie und
berührt sich in der Zielsetzung der Kritik mit H. Blumenbergs Destruktion
der Säkularisierung als einer Kategorie des geschichtlichen
Unrechts. Sie gliedert sich in vier Hauptteile. Der I. einleitende
Teil diskutiert „Die Insuffizienz einer systematischen Kritik
der Säkularisiorungsthese" (11-51) und begründet die Notwendigkeit
einer historischen Kritik, der IL umfänglichste Teil der Arbeit
(53-217) bietet zunächst eine Interpretation der ..Korrelation von
Eschatologie- und Goschichtsbegriff in den neueren theologischen
Eschatologiemodellen" (J. Weiß, A. Schweitzer, C. H. Dodd.
R. Bultmann, O. Cullmann) und analysiert sodann dio eschatologischen
Denkmodelle im Alten Testament, in der jüdischen
Apokalyptik und im Neuen Testament, der III. verfolgt dio „Ansätze
zur Ausbildung geschichtstheologischer Konzeptionen in der
Alten Kirche" bei Irenäus von Lyon, Clemens Alexandrinus und
Origenes (219-272), der IV. entfaltet abschließend am Beispiel
Lessings und Hegels die „Kritik der eschatologischen Interpretation
neuzeitlicher Geschiehtsphilosophie" (273-331). Schon dieser
Überblick vermittelt einen ersten Eindruck von den historischen
Dimensionen, die in dieser Untersuchung ausgemessen w erden.

Die Ungenauigkeit der Fragestellung (13-18) bekundet freilich
gleich zu Beginn die methodische Problematik der Arbeit. J. behauptet
, das Verhältnis der Theologie zur Geschichte sei seit der
Aufklärung gespannt gewesen und habe sich vornehmlich durch
die Neuentdeckung der biblischen Eschatologie um die Jahrhundertwende
gewandelt. Davon kann keine Rede sein, die Entwicklung
der „Heilsgeschichtlichen Theologie" seit der Aufklärung aul
der einen, die Konzeption F. C. Baurs und seiner Nachfolger aul
der anderen Seite belegen das Gegenteil. Dem Vf. verstellt sich
dieser Sachverhalt, weil er dem Sprachgebrauch einer bestimmten
Ausrichtung gegenwärtiger Theologie folgt, nach dem die Begriffe
„Geschichte" und „Eschatologie" eine unauflösliche Bindung eingegangen
sind, beinahe sogar ineinander fließen (13f). Obwohl er
die methodische und sachliche Problematik solch einer Verzahnung
der Begriffe durchschaut, läßt er sich für seine eigene Argumentation
gleichwohl von dieser enggeführten Problemstellung leiten
und vollzieht damit eine folgenschwere Weichenstellung. Statt